16.-24. Juli 2011: „Canal des Voges“ und „Petite Saône“

Der 122 km lange Vogesenkanal, früher „südlicher Teil des Canal de l’Est“ genannt, liegt zwischen dem  Elsass und der Franche-Comté, zwei beliebten Reisezielen in Frankreich. Er verbindet die Mosel mit der Saône und wird auf stolze 360 m Höhe angehoben. Unglaublich, dass so etwas schon 1880 fertiggestellt wurde. Der Kanal durchquert Naturschutzgebiete und bietet herrliche Ausblicke auf saftig grüne Landschaften. Alleenartig von Ahorn und Eschen gesäumte Treidelpfade, Wiesen, Felder und prächtige alte Bäume ziehen am Ufer an uns vorüber, welches nur spärlich von kleinen Ortschaften gesäumt wird. Wir durchqueren herrliche Laubwälder mit tiefhängenden Ästen und genießen - vermutlich zum letzten Mal für lange Zeit - die reine feuchte und sauerstoffgesättigte Waldluft. Es ist ein verrücktes Gefühl das vom Schiff aus zu erleben!

 

Der Abstieg zur Saône erfolgt durch das schluchtenartige Coney-Tal und ist ausgesprochen malerisch. Die 34 Schleusen talabwärts bis Fontenoy-le-Château bewältigen wir in Rekordzeit an einem einzigen Tag. Wir sind selbst überrascht, dass das möglich ist, trotz einer  kleinen technischen Panne am Morgen und vielen Schleusen, vor denen wir warten müssen bis sie wieder gefüllt sind, da wir einen anderen Talfahrer vor uns haben. Wir staunen nicht schlecht als wir entdecken, dass die Schleusen Nummer drei bis fünf des Abstiegs noch manuell, das heißt tatsächlich von Hand bedient werden. Auch in der Folge werden viele eigentlich automatische [S1] Schleusen von Studenten bedient, an einigen wenige sitzen professionelle Schleusenwärter von VNF, der Kanalverwaltungsbehörde. Die Studenten lechzen nach Arbeit, sind froh, wenn mal ein Schiff kommt und unterhalten sich gerne mit den Bootsleuten. Der  Ober-Schleusenwärter der letzten Schleusen vor dem Ort Fontenoy legt sich mächtig für uns ins Zeug. Er bereitet uns die letzten drei Schleusen, die uns vom Hafen trennen, kurz vor 19 h noch für die Durchfahrt vor. Sobald wir das Ausfahrtstor passiert haben, flitzt er mit dem Auto zur nächsten Schleuse und macht diese für uns auf. Wunderbar!

 

Uns gefallen die ehemaligen Wärter-Häuschen, die an jeder Schleuse stehen. Sie sind allesamt uniform gebaut: in der Mitte der Längsseite der Eingang, rechts und links davon ein Fenster,  davor stets ein gut gepflegter Rasen, oft von einer Blumenrabatte oder einem Obstbaum geziert. Die einsam gelegenen, einfachen kleinen Häuser im Grünen haben Charme. Viele stehen leer, teils sind sie schon stark verfallen; doch es gibt auch welche, die super instand gehalten sind und bewohnt werden. 

 

Mit einem Segelboot sind wir ziemliche Exoten auf dem Kanal. Immer wieder werden wir nach dem Tiefgang des Schiffes gefragt, denn der Kanal führt wenig Wasser und ist für die meisten Kielboote ungeeignet. Da das Frühjahr 2011 ausgesprochen trocken war, wurde der zulässige Tiefgang um 40 cmauf nur 1,40 mreduziert. Damit können derzeit nur leere Frachtschiffe den Vogesenkanal nutzen, beladen brauchen sie die 1,80m, erzählt uns ein Student, der als Ferienjob eine der Schleusen bedient. Für unsere OVNI ist das kein Problem, wir können Ruder und Schwert bei Bedarf hochziehen. Das ist extrem hilfreich in dieser Gegend, denn häufig muss man zum Festmachen für die Nacht ganz nah ans Ufer ran und da gibt’s dann nicht mal mehr die 1,40m Wassertiefe.  In das trübe, braun-grün Nass kann man keinen Zentimeter hinein gucken, daher stechen wir bei Bedarf mit einem Fenderbrett  Wassertiefe und Bodenbeschaffenheit ab. Wenn es keine Poller zum Festmachen gibt, wird Pagena  einfach an zwei Bäumen angebunden. Einmal haben wir sogar das Schwert als „Standfuß“ in den Schlamm gesetzt (für die Segler unter den Lesern: weil es keine Möglichkeit gab, eine Spring zu setzen) – toll was mit der OVNI alles geht!

 

Bei Corre mündet der Vogesenkanal in die „Petite Saône“. Den Kanalabschnitt von Fonteoy-le-Château bis Corre finden wir besonders reizvoll, er ist sehr abwechslungsreich. Im alten Hafen von Corre finden wir alles was Bootsfahrers Herz begehrt: heiße Duschen, Waschmaschine und Trockner, Mülltonnen (hier sogar die erste gelbe Tonne) und vor den Toren des Örtchens, aber noch gut zu Fuß zu erreichen, einen gut sortierten Supermarkt.

 

Am Abend gibt’s etwas Spektakel für die Besatzungen der sechs bis acht Schiffe, die schon im Hafen liegen: Ein zum Hausboot umgebauter alter Frachter will ebenfalls an einem der Fingerstege anlegen, läuft aber in der Fahrrinne sanft auf Grund. Es wird diskutiert, wie der Kahn am besten aus seiner misslichen Lage befreit werden kann. Die Wahl fällt schließlich auf eine Leinenverbindung zum anderen Ufer. Wer kann, hilft bei der Aktion: Der englische Nachbarstellt eine lange Leine zur Verfügung und radelt rüber ans andere Ufer; Joachim unterstützt mit Hilfe unseres langen Fenderbretts seine Frau dabei, den schweren Frachter auf Abstand zu ihrer Yacht zu halten. Wofür ein einfaches langes Holzbrett doch zu gebrauchen ist…

 

Die obere Saône, auch „kleine“ Saône genannt, geht landschaftlich reizvoll weiter. Träge schlängelt sich der Fluss durch ländliche Gegenden. Alles wird wieder breiter und lieblicher. Überall wird geangelt. An den Ufern blitzen ab und zu alte Prachtvillen durch die Bäume. Fast immer sind die Fensterläden geschlossen, die Herrschaften sind nicht anwesend. Wohl aber die Gärtner, denn stets macht der Park einen gepflegten Eindruck.

 

Es gibt zahlreiche Schleusenkanäle, mit denen sich große Flussschleifen abkürzen lassen. Die Ein- und Ausfahrten zu den Schleusenkanälen bilden jeweils eng bemessene Hochwasser-Sperrtore. Kaum vorstellbar, dass hier auch kleine Frachtschiffe durchpassen. Die Saône selbst fließt über kleine Wehre abwärts, an deren Seiten Fischtreppen den Fischen den Weg bergauf gegen die Strömung ermöglichen.

 

In der Saône liegen kleine Inseln, die umfahren werden müssen und kleine Seitenflüsse münden ein. Am Uferrand wachsen Seerosenteppiche und Schilfgrasbüschel. Auf den Seerosenblättern und  in den unteren Ästen von Bäumen sitzen Fischreiher. Die Natur macht einen sehr intakten Eindruck.

 

Das Spektakulärste, was die Petite Saône zu bieten hat, sind jedoch die beiden Wassertunnels, die jeweils gut 600 m lang, 6,50 m breit und 3,60m bzw. 4,10 m hoch sind. Sie sind nur im Einbahnverkehr befahrbar und eigentlich einfach zu passieren. Dennoch ist es ein Erlebnis, mit dem Schiff durch die offene Höhle eines Tunnels zu fahren! An der Schleuse hinter dem Tunnel St. Albin wird Wein und Honig aus der Region angeboten. Beides steht auf unserer Einkaufsliste und näher als in einer Schleuse bekommen wir wohl nie eine Einkaufsgelegenheit. Der Schleusenwärter ist erfreut über unseren Besuch und bittet uns in seine mit vielen Bildschirmen ausgestattete Schaltzentrale.  Er zeigt uns, wie er mithilfe verschiedener Kameras den ganzen Tunnel überwachen kann. Auf Nachfrage gibt er preis, dass eigentlich nie etwas passiert. In den 30 Jahren, die er hier schon arbeitet, hat es nur eine einzige Schiffspanne im Tunnel gegeben.

 

Unser Fazit: Die vielen Schleusen sollten niemanden davon abhalten, den Canal des Voges und die kleine Saône zu bereisen, es lohnt sich!

 

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