COPLARE wirbt auf den Kapverden für Plastik-Recycling

Schon zuhause hatten wir die Kapverden als erstes Ziel für COPLARE-Aktivitäten ins Visier genommen. Die Gegebenheit auf der Inselgruppe sind hervorragend:

  • Die Kapverden sind ein noch verhältnismäßig armes Land, in dem viele Menschen arbeitslos sind und in dem das Lohnniveau noch relativ niedrig ist.
  • Ursache dafür ist v.a., dass die Kapverden über wenige Ressourcen verfügen. Nur auf einigen Inseln ist Landwirtschaft möglich, Industriearbeitsplätze gibt es bislang hauptsächlich im Zusammenhang mit Fischverarbeitung und neuerdings im Bausektor. Hoffnungsträger für die Zukunft ist der Tourismus, der stark ausgebaut werden soll.
  • Touristen machen Müll, wesentlich mehr als Einheimische. Laut einer Studie der UN soll jeder Tourist täglich 1 kg Müll produzieren. Wir haben das nicht überprüft, die Zahl erscheint uns hoch. Dennoch: Touristen trinken sicher viel mehr Getränke aus PET-Flaschen und konsumieren mehr industriell verpackte Güter als die meisten Kapverdianer.
  • Touristen mögen keine verschmutzten Strände. Wenn der Tourismus erfolgreich ausgebaut werden soll, müssen Hoteliers, Restaurantbetreiber und die Inselverwaltung interessiert daran sein, ein ordentliches Abfallmanagement zu etablieren.
  • Mülltrennung wäre in Hotels und Restaurants vergleichsweise einfach einzuführen. Dort würden auch schnell signifikante Mengen sammelbar sein, die jedem Geschäftsmodell eine solide Basis verleihen würden.
  • Die Kapverden sind im Begriff, sich von einem kaum besuchten Entwicklungsland in ein attraktives Reiseziel für viele Urlauber zu verwandeln. Die Republik befindet sich in der Aufbauphase, es gibt wenige etablierte und festgefahrene Strukturen. Gute Ideen sollten in dieser Phase besonders gute Chancen haben, gehört zu werden, so sie denn als relevant anerkannt werden. Und gute Ideen sollten mittelfristig gute Chancen haben, umgesetzt zu werden.
  • Da die Kapverden kaum über eigene Güter verfügen, muss fast alles importiert werden. In den beiden großen Seehäfen Praia (Santiago) und Mindelo (Sao Vicente) werden also haufenweise Güter per Container angelandet, die höchst wahrscheinlich leer in ihre Ursprungshäfen zurückgehen.
  • Die Kapverden sind durch ihre Lage und durch ihre politische Vergangenheit eng mit Europa verbunden. Haupt-Handelspartner ist Portugal. Weiterhin bestehen ausgedehnte Handelsbeziehungen mit den Niederlanden. An welcher Stelle Deutschland rangiert, wissen wir noch nicht.
  • Für die Kapverden kann das COPLARE-Experten-Netzwerk, dessen Mitglieder vorwiegend in Europa tätig sind, in jedem Fall nützlich sein.


Soweit unsere Vorüberlegungen. Von den Kanaren aus recherchierten wir tagelang im Internet und fanden z.B. heraus, dass auf den meisten Inseln erwartungsgemäß offene Deponien die einzige Art von Müllentsorgung sind. Auf manchen Inseln wird der Müll auf den Deponien schwelend verbrannt. Nur auf Fogo, einer relativ kleinen Insel, gibt es schon eine Müllverbrennungsanlage. Eventuell handelt es sich sogar ein Müllheizkraftwerk. Für die Etablierung eines PET-Recycling-Projektes kommt Fogo aber ohnehin nicht infrage, daher nahmen wir das nur am Rande zur Kenntnis.

Äußerst erfreulich und eine echte Motivationshilfe war, dass wir von einem großen deutschen PET-Recycler positive Antwort auf unsere Anfrage erhielten, ob es Interesse am Ankauf gebrauchter PET-Flaschen von den Kapverden gäbe. Also begannen wir, uns damit auseinanderzusetzen, wie viele PET-Flaschen man in einen Container bekommt, vorausgesetzt die Flaschen werden ordentlich verdichtet. Wir prüften die aktuelle Preisentwicklung für „post consumer PET“ als Ballenware und wogen PET-Flaschen verschiedener Größen, um Durchschnitts-gewichte festzustellen. All diese Daten flossen in ein Kalkulationsschema ein, mit dessen Hilfe sich die erzielbaren Erlöse aus Verkauf von Flaschen errechnen lassen.

Da wir aus Norden von den Kanaren kommend mehrere kapverdische Inseln besuchen wollten, steuerten wir als erstes die Insel Sal an um später von dort aus mit dem Nordost-Passat problemlos weiter nach Westen oder nach Süden segeln zu können. Sal ist die Touristenhochburg der Kapverden. Ca. 120.000 bis 150.000 Besucher pro Jahr verbringen ihren Urlaub auf Sal. Daher bot es sich in Sachen COPLARE an, zunächst mit einigen Hotelmanagern zu sprechen. Wir wollten hören, ob diese bereit wären, PET-Flaschen getrennt vom restlichen Abfall zu entsorgen. Wir erkundigten uns, welche Hotels auf Sal denn bedeutsam sind und wurden auf das „Morabeza“ und das „Odjo d’Agua“ aufmerksam gemacht. Beide sind erstklassige 4 Sterne-Hotels mit exponierter Lage am Strand von Santa Maria. Beide betreiben bereits Nachhaltigkeits-Programme und die Besitzer gelten als einflussreich auf der Insel.

Mit unserer Vorstellung als „Weltumsegelndes Recycling-Abenteuer“ bekamen wir tatsächlich zügig Gesprächstermine mit den Hotelmanagern. Beide bestätigen unsere Annahme, dass den Hoteliers an einer intakten Umwelt gelegen ist und sie äußerten, dass auf Sal, wegen der enormen Bedeutung, die der Tourismus für die gesamte Insel hat, die Sensibilität für Umweltthemen vermutlich höher als auf den anderen Inseln ist. Wir erfuhren auch, dass sich ab und an Gäste darüber beschweren, dass der Müll im Hotel nicht getrennt wird. Da der gesamte Abfall von der kommunale Firma Salimpa abgeholt und entsorgt wird, rieten uns beide Manager dazu, mit der Kommunalverwaltung zu sprechen. Der Chef vom Odja d’Agua nahm es selbst in die Hand, uns einen Gesprächstermin bei der Camera Municipal zu vermitteln.

Auch dort stieß unsere Präsentation auf Interesse. Zügig wurde ein weiterer Termin mit zwei Verantwortlichen für Tourismus und Abfallmanagement arrangiert, denen wir unsere Ideen nochmalig vorstellten. Wir erfuhren, dass der Inselverwaltung das Müllproblem sehr wohl als solches bewusst ist und dass man sich für Lösungsansätze interessiert. Uns wurde mitgeteilt, dass man innerhalb der Camera Municipal darüber beraten werde, ob man PET getrennt sammeln und ggf. vermarkten wolle. Man wolle auch die anderen Inselverwaltungen in die Überlegungen miteinbeziehen. Zudem sei ohnehin für Anfang 2012 eine Erhebung des Abfallaufkommens geplant, deren Daten abzuwarten seien.

Man kann verschiedener Ansicht darüber sein, ob das gezeigte Interesse echt ist und ob das gründliche Abwägen aller möglichen Optionen und die Diskussion in größerem Kreis notwendige Voraussetzung dafür sind, dass Kunststoff-Recycling irgendwann in der Zukunft auch auf den Kapverden Einzug halten wird, oder ob das nur leere Ankündigungen sind, denen keinen Taten folgen werden.

Dann stoßen wir in Sal auf Anne Seiler, eine ehemalige deutsche Journalistin, die seit vielen Jahren auf Sal lebt und deutsch-sprachig geführte Inseltouren anbietet. Anne spart auch die Barackensiedlung Terra Boa auf keiner ihrer Touren aus. Sie sorgt sich vor allem um die Zukunft der Kinder von Terra Boa. Als wir ihr erzählen, dass sich aus gebrauchten Plastiktüten ganz einfach eine Art „Garn“ herstellen lässt, aus dem sich hübsche Dinge häkeln lassen, ist sie sofort begeistert von der Idee. „Plastiktüten haben wir hier mehr als genug und Häkeln können viele Kapverdianerinnen, Häkeln hat hier Tradition“, stellt sie fest. Geschwind produzieren wir für sie aus fünf Plastiktüten als Anschauungsmuster eine kleine Häkeltasche in den Farben der Kapverdischen Flagge. Anne findet diese genauso klasse wie wir selbst und verspricht, sie sofort mit nach Terra Boa zu nehmen, um sie dort den Frauen zu zeigen. Wenn die Frauen Lust hätten, solche Taschen zu häkeln, würde Anne in Santa Maria bestimmt Abnehmer finden.

In Mindelo treffen wir „Tinené“, einen 61jährigen Kapverdianer, der eine technische Berufsschule leitet. Tinené und seine Jungs bauen Maschinen aller Art. Wir sind tief beeindruckt von der Qualität der Arbeit, die hier geleistet wird. Mit beeindruckender Präzision werden hier Metalle und Kunststoffe geschnitten, gebogen, gefräst, gedreht, gefeilt usw. und daraus teils komplexe Maschinen hergestellt. Obwohl er kein Diplom besitzt ist Tinené ein bewundernswerter Ingenieur und geistreicher Erfinder, der ständig bestrebt ist, Maschinen zu entwickeln, die sein Land gebrauchen kann. So konstruiert er z.B. derzeit eine ausschließlich mit Solar- und Windenergie betriebene Seewasser-Entsalzungs-anlage, die zum Bewässern von Feldern eingesetzt werden soll. Tinené würde gerne auch Maschinen entwickeln, die der Abfallbeseitigung dienen. Einen Schredder, der Glasflaschen zu feinem Sand mahlt, hat er bereits fertig. Aber noch mag niemand von der Inselverwaltung Geld für solche Maschinen ausgeben, auch wenn wirklich viele Glasflaschen weggeworfen werden und auf kontrollierten oder wilden Deponien landen. Auch das Thema PET-Recycling beschäftigt ihn bereits. Er ist auf der Suche nach Ideen für Produkte, die man aus gebrauchten PET-Flaschen herstellen kann.

Wir übergeben ihm alles bislang von uns gesammelte Wissen, von dem wir hoffen, dass es nützlich für ihn sein wird und zeigen ihm das Video von Evans Githinji aus Nairobi, der aus alten Plastiktüten Zaunpfähle herstellt. Die in Nairobi eingesetzten Maschinen könnte Tinené nachbauen. Er freut sich sehr darüber. Er sagt, dass ihn die Informationen inspiriert hätten und dass das Wissen, jetzt einen neuen Kontakt nach Deutschland zu haben, wertvoll für ihn sei. Diese Art von Zusammenarbeit sei nützlicher als Entwicklungshilfegelder. Seiner Ansicht nach müssen Kapverdianer selbst lernen, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Es sei ein notwendiger Prozess, dass dieser Weg manchmal steinig und mit einiger Härte verbunden sei. Die Stunden, die wir miteinander verbringen und die Gespräche, die wir miteinander führen, graben sich tief in unser Gedächtnis ein. Wir hoffen, dass Tinené uns und das COPLARE Netzwerk kontaktiert, wenn er neue Recycling-Ideen entwickelt. Leute wie er verdienen es, Anerkennung und Unterstützung zu erfahren. Tinenés größter Wunsch ist es, von ihm entwickelte Maschinen im Einsatz zu sehen und jungen Kapverdianern so viel wie möglich von seinem Wissen weitergeben zu können. Wer immer uns dabei helfen mag, schreibe uns bitte ein Email.

Leute wie Anne und Tinené sind besondere Menschen, die unserer Reise in großem Maß bereichern. Leute wie sie zu finden und nach Kräften zu unterstützen ist und bleibt unser erklärtes Ziel.

Nach sechs Wochen auf den Kapverden ziehen wir als Fazit: COPLARE hat auf den Kapverden an verschiedenen Stellen Know-How über Plastik-Recycling etabliert und Kontakte geknüpft. Man könnte das mit dem Ausbringen einer Saat vergleichen. Die Zeit wird zeigen, welcher Samen aufgeht.

Vor uns liegt die Reise in die Karibik. Vor uns liegen aber auch noch ein paar offen gebliebene Fragen bezüglich Kunststoff-Recycling auf den Kapverden. Da wir in der Karibik weder genügend Zeit haben werden, um ähnlich intensiv wie auf den Kapverden zu arbeiten, noch die Rahmenbedingungen so perfekt sind, haben wir vor, unsere Unternehmungen bis auf weiteres auf die Kapverden zu richten.


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