29. Nov. 2013 - 13. Feb. 2014, Neuseeland, Teil 1: Neuseeland allgemein und Nordinsel

Dieser Reisebericht handelt vom Land, in dem unsere 3jährige Reise zu Ende geht, von Neuseeland, dem Land der Kiwis. In Deutschland kennt man vor allem die grüne Kiwi-Frucht. Doch auch der vom Aussterben bedrohte Nationalvogel heißt Kiwi und die Neuseeländer selbst bezeichnen sich ebenfalls als Kiwis. "20 Stunden am Tag pennt der Kiwi, die restlichen 4 Stunden frisst er" wurde uns von einem Kiwi augenzwinkernd erklärt. Gemeint ist natürlich der Vogel, aber tatsächlich sind die auch die Neuseeländer fast ausnahmslos entspannte Leute.

 

Kein Wunder, wenn man in einem dünn besiedelten Inselstaat lebt, dessen Natur noch weitgehend intakt ist, fernab der Zentren der industrialisierten Welt. Hier ist alles weit weg, was uns daheim manchmal aus der Ruhe bringt. Neuseelands Hauptstadt Wellington trennen 2.326 km von Australiens Hauptstadt Canberra, nach Singapur sind es 8.530 km, nach Tokio 9.276 km, nach Hongkong 9.440 km, nach Los Angeles 10.800 km und die Queen, das Staatsoberhaupt Neuseelands, residiert in London gar ganze 18.814 km weit entfernt.

 

Neuseeland besteht aus zwei Hauptinseln, einfach Nord- und Südinsel genannt, sowie 700 kleineren, die bekanntesten darunter Steward Island ganz im Süden, die Kermadecs und die Chathams sowie der Inselhaufen in der Bay of Plenty um Auckland herum und natürlich der in der Bay of Islands. Bis heute ist mir unklar, ab wann eine Insel eigentlich eine Insel ist und wann sie als Felsbrocken, Landeplatz für Vögel oder Schifffahrtshindernis ungezählt bleibt. Ich vermute das handhaben die einen so, die anderen so, je nachdem worum es gerade geht.

Neuseeland liegt in den gemäßigten Breiten der Südhalbkugel. Der nördliche Teil der Nordinsel hat subtropisches, der Rest des Landes gemäßigtes Klima. Juli und August sind die kältesten, Januar und Februar die wärmsten Monate im Jahr. Die meisten Orte Neuseelands haben ca. 2.000, die Bay of Plenty, Hawke's Bay und Nelson/Marlborough sogar über 2.350 Sonnenstunden im Jahr. Zwischendurch regnet es immer wieder kräftig. Im ganzen Land wachsen Farnbäume, Zitrusfrüchte, Palmen und haufenweise Bäume, deren Namen uns fremd sind. Es gibt auf beiden Inseln sehr gute Weinbaugebiete und Obstbau, aber auch Skigebiete und Fjordlandschaften. Neuseeland ist so gesehen eine kleine Schatzschatulle, in der sich auf engem Raum Landschaften ballen, die in Europa größere Distanzen trennen. Man würde das Erlebnis norwegischer und mediterraner Landschaften nicht in einem Urlaub kombinieren können. In Neuseeland geht das, und an keinem Ort der Erde reichen Gletscher so nahe an Regenwälder heran.

 

Was Neuseeland trotz des milden Klimas nicht bieten kann, ist das Flair von „Good Old Europe". Es gibt keine schnuckeligen Gässchen, keine kleine versteckte Piazzas, keine Jahrhunderte alte Brücken, Schlösser, Theater oder ähnliches. Maori waren die ersten Menschen, die mit Kanus vor etwa tausend Jahren in Neuseeland landeten. Sie nannten das Land Aotearoa, das Land der langen weißen Wolke. Die Maori sind ein polynesisches Volk, das der Legende nach aus Hawaiki stammt, einem heutzutage unbekannten Ort. Sie errichteten Siedlungen und bildeten eine Stammesgesellschaft, die sich über Hunderte von Jahren entwickelte.

 

Der holländische Entdecker Abel Tasman war der erste Europäer, der 1642 Neuseelands Südinsel erreichte. Die Maori schlugen ihn erfolgreich in die Flucht ohne dass er Fuß an Land gesetzt hatte. Auch James Cook hatte 1769 blutige Auseinandersetzungen, konnte sich letztlich jedoch mit den Maori verständigen. Ihm folgte eine französische Expedition sowie Robben und Walfänger, mit denen die Maori erste Verträge aushandelten. Schließlich kolonisierten die Briten das Land. 1840 wurde der Vertrag von Waitangi, ein Abkommen zwischen der britischen Krone und den Maori Häuptlingen, unterzeichnet. Das Dokument gewährte den Maori Schutz durch Großbritannien, führte die britische Gesetzgebung in Neuseeland ein und verlieh gleichzeitig Neuseelands Maori Autorität und Bestimmung über ihr Land und ihre Kultur. Der Vertrag gilt heute als Gründungsdokument Neuseelands. Der Vertrag wird allerdings bis heute nicht von allen Maoris als rechtmäßig angesehen. Zum einen weil ihn zwar eine Mehrheit, aber nicht alle Häuptlinge ratifiziert haben und zum anderen, weil der englische Text und der Maori Text nicht dasselbe besagen. Wer mehr darüber lesen mag findet hier interessante Informationen: http://www.newzealand.com/de/feature/treaty-of-waitangi/

 

Heute umfasst die Bevölkerung Neuseelands 4,4 Mio. Einwohner. Dreiviertel der Neuseeländer leben auf der Nordinsel, das restliche Viertel auf der flächenmäßig größeren Südinsel. Die Weiden der beiden Inseln nähren ca. 39 Mio. Schafe (1982 waren es noch 70 Mio.) und 5 Mio. Kühe. 95% der landwirtschaftlichen Erzeugnisse gehen in den Export. Die wichtigsten Exportgüter sind Milchprodukte, Fleisch und Holz, Wolle, Äpfel und Kiwi-Früchte. Das Land bezieht daraus allerdings nur 5% seiner Einnahmen, denn 60% der Güter verlassen Neuseeland als nicht veredelte Primärprodukte. Die eigentliche Wertschöpfung aus den Erzeugnissen findet im Ausland statt.

Neuseeland ist mit viel Sonne, Wind und Niederschlag gesegnet, die Natur entfaltet hier in allen Dimensionen große Kraft. Der Inselstaat hat die optimalen klimatischen und geografischen Rahmenbedingungen, um als erste Nation der Erde ein zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien basierendes Stromsystem in die Tat umsetzen zu können. Schon heute produziert Neuseeland 80 Prozent seines Strombedarfs mittels erneuerbaren Energien. Es wird vor allem auf Geothermie, Wasser- und Windkraft gesetzt. Wind hat der Staat, der vom Pazifischen Ozean umringt wird, durch seine beinahe durchgehende Küstenlage genügend. Und auf der Südinsel fließen viele Flüsse entlang der neuseeländischen Alpen, daher setzt man dort seit vielen Jahren auf Wasserkraft. Die Nordinsel ist durch den Pazifischen Vulkangürtel, der durch sie verläuft, perfekt für eine profitable geothermale Energieerzeugung geeignet.

 

Dennoch interessiert den derzeitigen Premierminister die Erschließung von Öl- und Gasfeldern in der Tasmanischen See. Vermutlich beabsichtigt die Regierung das flüssige Gold an China zu verkaufen, einem Handelspartner, der an Bedeutung gewinnt. Wir fühlen uns an Kanada erinnert, dessen Regierung Erdöl aus den Ölsanden Albertas mittels der "Northern Gateway Pipeline" über den Pazifik verschiffen will und mit diesem risikobehafteten Unternehmen die First Nations Kanadas in erbitterten Zorn stürzt. In Neuseeland wehren sich die Maori gegen die Regierungspläne und wieder einmal stellt sich die Frage, welche Rechte der Vertrag von Waitangi ihnen eigentlich zusichert und ob er rechtsverbindlich ist oder nicht.

 

Die unangenehme Seite der Kraft der Natur bekommt Neuseeland regelmäßig durch Erdbeben zu spüren. Das Land liegt auf dem pazifischen Feuerring, auf dem mehrere Kontinentalplatten zusammentreffen. Im Februar 2011 erlebte Neuseeland den schwärzesten Tag seiner Geschichte als große Teile der Stadt Christchurch auf der Südinsel durch ein Erdbeben zerstört wurden. Christchurch war bis dahin die zweitgrößte Stadt des Landes. Nach dem Beben zogen so viele Menschen fort, dass jetzt Wellington mit knapp 400.000 Einwohnern nach Auckland Neuseelands zweitgrößte Stadt ist.

Nationales Desaster: Marmite-Knappheit

 

Marmite ist ein auf Hefe und Salz basierender Brotaufstrich, den viele Kiwis für unverzichtbar halten. Das Produkt wird seit 1919 in Christchurch hergestellt. Durch das Erdbeben vom Februar 2011 wurde einer der Kühltürme der Fabrik beschädigt, so dass die Produktion für Reparaturarbeiten eingestellt werden musste. In der Folge kam es schnell zu Marmite Knappheit, die als nationale Katastrophe empfunden wurde. Auf der Online-Plattform Trade Me, das lokale Pendant zu ebay, wurden entbehrliche Marmite-Gläser zum Kauf von Privat angeboten, bis hin zum Irrsinnspreis von NZ$ 800. Normalerweise kostet das kleine Glas NZ$ 4,25, das große NZ$ 7,95. Die Reparaturarbeiten an der Fabrik zogen sich erheblich länger hin als anfänglich vermutet. Erst im Februar 2013 konnte wieder produziert werden. Als am 20. März 2013 Marmite in die Supermarkt-Regale zurückkehrte, wurde die Abgabemenge pro Käufer zunächst auf 2 Gläser pro Person und Tag limitiert, um Hamsterkäufe zu vermeiden.

Das manchmal etwas schrullige Land des Herrn der Ringe und des kleinen Hobbits ist fast überall hüglig, wenn nicht gar bergig. Es wird durchzogen von einem Straßennetz, dessen große Adern sich State Highways nennen, allerdings selten mehr als schmale zweispurige Landstraßen sind. Alle 10 bis 20 km wird eine Fahrbahnseite zweispurig, so dass man langsame Gefährte überholen kann, z.B. die großen 8- bis 10-achsigen Trucks mit Anhänger. Gewöhnungsbedürftig sind Links-Verkehr, Brücken mit nur einer Fahrspur, welche die beiden Fahrtrichtungen sich teilen müssen, sowie der raue Fahrbahn-Belag, der das Fahren in Neuseeland geräuschintensiv macht. Die mancherorts sehr kurvigen Straßen können sehr anstrengend zu fahren sein. Vor Kurven wird die Geschwindigkeit oft auf 45, 35 und manchmal sogar nur 25 km/h reduziert. Touristen wird empfohlen, sich keine längeren Strecken als 300 bis 350 km pro Tag vorzunehmen, wenn man zwischendurch noch Stopps an Aussichtpunkten einlegen und abends nicht allzu spät in seiner Unterkunft ankommen möchte.

 

Im Dezember, Januar und Februar bereisen Touristen aus aller Welt Neuseeland in Heerscharen in Camper-Vans aller Größen. An allen Besucher-Attraktionen hören wir Deutsch und Französisch und auch die Asiaten, Skandinavier und Israelis sind zahlreich. Insbesondere für viele junge Leute ist Neuseeland ein attraktives Reiseziel. Überlandbusse und preiswerte Übernachtungs-möglichkeiten in Hostels erlauben auch Rucksack-Touristen mit schmalem Budget Neuseeland kennenzulernen. Außerdem kommen viele junge Leute als Austausch-Schüler nach Neuseeland, oder mit einem 12monatigen Work-and-Travel Visum, das es ihnen ermöglicht zwischen Reiseabschnitten immer mal wieder die Kasse aufzubessern. Auch "Woofing" ist verbreitet. Woofer bekommen i.d.R. freie Kost und Logis gegen 3-4 Stunden Arbeit beim Gastgeber, meist Garten- und Grundstückspflege, Renovierungs- oder Farmarbeit oder z.B. als Hilfskräfte in Hostels.

 

Auch wir nutzen die Hostels auf unseren Rundreisen gerne. Noch lieber sind uns allerdings Übernachtungen bei Privatleuten, die uns nicht nur ein Bett bescheren, sondern uns auch in die private Lebenswelt der Kiwis eintauchen lassen. Über die Webseite der kalifornischen Agentur Air BnB kann man im ganzen Land problemlos Privatzimmer buchen und wir gewinnen auf diese Weise einige neue Freunde. Drei Mal werden wir sogar als Haussitter engagiert, sprich wir wohnen umsonst in Privathäusern, während die Besitzer selbst verreisen. Im Gegenzug kümmern wir uns um Gartenpflege, sind manchmal Gesellschafter und Fütterer für Haustiere und leeren den Briefkasten. Das empfinden die Hausbesitzer als sicherer und angenehmer als das Haus leer stehen zu lassen.

 

Vielleicht ist es dieser vielen Fremden entgegengebrachte Vertrauensvorschuss, der Neuseeland zu einem der begehrtesten Einwanderungsländer der Welt macht. Die Einwanderungspolitik des Landes ist aus unserer Sicht von gesunden Werten geprägt: Wer etwas zum Gemeinwohl des Landes beisteuert darf rein, wer das nicht kann muss leider draußen bleiben. Man muss entweder jung sein und arbeiten können, alt und eine gute Stange Geld mitbringen, in eine Firma investieren oder einen Job finden, der nicht von einem Kiwi besetzt werden kann. Die besonders humanitäre Flüchtlingspolitik Neuseelands findet internationale Anerkennung, die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge und Asylanten liegt jedoch weit unter der vieler europäischer Staaten.

Pakeha versus Maori

 

Pakeha ist der Maori-Name für die weiße Bevölkerung des Landes. Unser Eindruck ist zunächst, dass die Maori wesentlich besser in die Gesellschaft Neuseelands integriert sind als die Ureinwohner anderer Länder in die Gesellschaften der Kolonialherren. Maori ist zweite offizielle Amtssprache Neuseelands und wird an den Schulen als Pflichtfach unterrichtet. Die Maori haben mächtige Interessensvertretungen, Maori- Kultur wird in Neuseeland allgemein geschätzt. Marae als Kulturzentren und traditionelle Begegnungsstätten der Maori sind im ganzen Land anzutreffen und es gibt seit 2005 sogar Maori TV.

 

Dennoch gibt es beständig unterschwellige Rassenkonflikte zwischen Pakeha und Maori und ein deutliches soziales Gefälle. Die unterschiedlichen Wertesysteme der beiden Volksgruppen sorgen immer wieder für Konfliktstoff. Diese Konflikte, bei denen es meist um Besitznahme von Gütern und den Erhalt einer lebenswerten Umwelt geht, können wir größtenteils nachvollziehen. Auch nachvollziehen können wir die Meinung der Pakehas, dass die Vorteile, die den Maori in vielerlei Hinsicht eingeräumt werden, sie selbst mittlerweile benachteiligen. Nicht nachvollziehen können wir jedoch die Geschichte eines unserer Vermieter, der selbst ein Viertel Maoriblut in sich trägt. Als seine blonde Schwiegertochter eine Enkelin zur Welt bringt, befindet die Familie der Schwiegertochter, dass das Baby auffällig dunkle Haut habe. Dieses Baby hat noch 1/16 Maoriblut in sich und eben so viel griechisches, ein gutes Elternhaus und Familienumfeld, und wird doch von Geburt an schon stigmatisiert.

Ein aktuelles symbolisches Beispiel für Unvereinbarkeit der Werte der Maori und den Pakeha ist der im April 2014 geplatzte Besuch des britischen Prinzenpaares William und Kate beim Maori-König Tuheitia. Der Monarch hat in Neuseeland keine rechtlichen Befugnisse, sein Status ist aber von großer symbolischer Bedeutung. Er hatte den geplanten Besuch mit der Begründung abgelehnt, 90 Minuten seien bei weitem nicht ausreichend für einen standesgemäßen Empfang des honorigen Paares nach Maori-Sitte. "Das hätte den König in eine unmögliche Situation gebracht" verlautbarte das Maori-Königshaus. Der Focus zitierte es weiter mit den Worten, "der König und seine Entourage sind keine Karnevalsattraktion." Ich kann eine gewisse Sympathie für die Haltung Tuheitias nicht verhehlen. Karnevalsfotos bekam die die Prinzenfamilie begleitende Presse schließlich doch geboten. In einer Maori-Kulturshow empfingen extra stark tätowierte, extra schwach bekleidete Krieger-Schauspieler die noblen Gäste mit derselben Show, die allen Touristen in verschiedenen Kulturzentren des Landes geboten wird.

 

In Medienberichten wird immer wieder ohne weiteren Kommentar erwähnt, dass Tuheitia vor seiner Krönung Lastwagenfahrer war. Tuheitia soll damit wohl als Mann des einfachen Volkes abgestempelt werden. Ich denke, dass manche Könige anderer Länder eine ganz andere Sicht auf die Probleme ihrer Länder und ihrer Gefolgschaft gewännen, wenn sie vor Antritt ihrer Regentschaft mal eine Weile lang Lastwagen führen.

Probe-Wohnen in Neuseeland

 

Wir haben zwar keine Auswanderungspläne, aber wir sehen unsere Ankunft in Neuseeland schon als ungewöhnliche Chance an, einmal auszuprobieren, wie es sich in diesem Land leben lässt, das so weit weg von Deutschland ist wie kein anderes, und doch starke europäische Wurzeln hat. Als Segler erhält man wie jeder Tourist erstmal ein drei Monats-Visum, das man, wenn man länger bleiben möchte, verlängern kann. Die meisten Segler verlängern auf sechs Monate, denn dann dürfen sie nach sechsmonatiger Abwesenheit im kommenden Jahr wieder sechs Monate im Land verbringen. Wenn es in Neuseeland Herbst wird, legen sich die Zyklone im Westpazifik und die Fahrtensegler ziehen wieder aus in die unendliche Inselwelt Polynesiens und Melanesiens. Wir bewerben uns um ein 12-Monats-Visum und bekommen es problemlos ausgestellt, entgegen aller in Seglerkreisen kursierenden Gerüchte.

 

Nachdem wir einige Wochen einen äußerst rappeligen Mietwagen hatten, beschließen wir ein elf Jahre altes Auto zu kaufen und gewöhnen uns daran, dass "Aluminium" hier wieder mit "iu" gesprochen wird, nachdem wir uns nach jahrelanger Konversation mit vielen Amerikanern daran gewöhnt hatten, dass Aluminium dort "al-u-mi-num" heißt. "Cookies" sind "biscuits", "gas / gasoline" erhält, wer nach "petrol" fragt, wir sehen keine "movies" mehr sondern "films" und die beliebteste Fußbekleidung heißt nicht mehr "flip flops" sondern "jandals", die Kurzform von "japanese sandals". Weiterhin gewöhnen wir uns nach und nach an den Kiwi-Akzent, in dem, was im anderen englischsprachigen Geographien als mehr oder weniger breites "ä" ausgesprochen wird, hier zu einem langgezogenen "e" wird. Das Wetter, lautsprachlich the "wä-ser" heißt hier the "we-e-ser", ein sehr gebräuchliches Wort für Lob oder Zustimmung ist "fe-e-n-te-stic" und ein breites "Th-e-e-nk i-u" geht uns schon bald flüssig über die Lippen. Wer Kiwi-Englisch und Maori hören möchte kann das hier: http://www.waitangi.org.nz/. Klickt rechts unten auf "Discover the treaty".

 

Schnell finden wir auch heraus, dass es hier zwar McDonalds, KfC und andere amerikanische Fastfoodketten gibt, aber kein Amazon und kein Ebay. Das Kiwi-Pendant heißt "Trade Me" und auf dieser einen Plattform wird einfach alles gehandelt, von Booten über Autos, Wohnungen, Liegeplätzen in Marinas bis hin zu Feuerholz und Marmite, entweder zum Festpreis oder in einer Versteigerung. Nachdem ich ein Bankkonto und eine Mobilfunknummer mein eigen nenne und mir die Adresse und die Festnetznummer von der Marina ausleihe, gelingt es mir Mitglied der Trade-Me-Community zu werden, was das Leben in Neuseeland erheblich erleichtert. Jetzt stehen wir schon ein Stück weit über dem Status der Rucksacktouristen und können wie Kiwis Geschäfte mit anderen Kiwis machen.

Die Nordinsel

Opua, unser Ankunftsort in Neuseeland ist ein Dorf in der Bay of Islands, das vor allem von der großen Marina und den rund um sie angesiedelten Dienstleistungsbetrieben für Wassersportler lebt. Außerdem gibt es noch Muschel- und Austernzucht, aber das war's dann schon auch. Zum Einkaufen muss man ins benachbarte Paihia, denn im Tante-Emma-Laden neben dem Fähranleger wird man in kürzester Zeit arm. Zum Hinlaufen ist Paihia zu weit, daher kaufen sich die meisten Segler in Opua ein altes Auto. "Cars for Cruisers" weiß genau, welche Modelle gehen werden und kauft auf Auktionen in Auckland günstig ein, was anschließend in Opua an die Segler weiterverkauft wird. Die meisten Fahrzeuge haben 200.000 km oder mehr auf dem Buckel, das ist hier normal. Zum Geschäftsmodell gehört, dass "Cars for Cruisers" die Autos nach sechs Monaten wieder zurückkauft, ein Service, den die meisten Segler schätzen und den sie sich was kosten lassen. Wer kein fahrtüchtiges Gefährt sein eigen nennt fragt in der morgendlichen Funkrunde, ob sich eine Mitfahrgelegenheit finden lässt, und meistens klappt das.

Paihia, ehemals ein Fischerdorf, ist heute ganz auf Tourismus eingestellt ist. Hier gibt’s Sandstrand mit Promenade, haufenweise kleine Hotels und Pensionen, eine Touristen-Information, Banken, Tankstellen, Apotheke, Supermarkt, Souvenir-Geschäfte und Restaurants sowie Ausflugsanbieter mit denen man die Bay of Islands auf dem Wasser erkunden kann. Von Opua führt ein hübscher Küstenweg nach Paihia, für den man ca. 2 Std. Gehzeit braucht. Die kerzengerade Linie, die auf der Landkarte von Paihias Ortsmitte aus durch den Wald zurück nach Opua führt, entpuppt sich unerwartet als seriöse Wanderung, die uns Hügel um Hügel erklimmen und wieder absteigen lässt, lange Zeit ohne dass wir wieder Blick aufs Wasser haben. Auf dieser Wanderung lauschen wir neuen Vogelstimmen: Einem Piepmatz, der fünf Töne in aufsteigender Tonleiterfolge singt, dem eindringlichen melodischen Pfeifen des Bellbirds, dem lauten Rufen des Tuis, alles Vögel, die wir noch nicht kennen.

Paihia ist aber auch ein historisch bedeutender Ort: Im Ortskern steht Neuseelands älteste Kirche, die seit ihrer Erbauung 1823 sage und schreibe 5mal zerstört und wieder aufgebaut wurde. Die heutige St. Paul's Anglican Church wurde 1925 gebaut. Paihias Ortsteil Waitangi ist der Ort, an dem der geschichtsträchtigste Vertrag Neuseelands abgeschlossen wurde. Jedes Jahr wird hier am 6. Februar, dem Tag der Vertragsunterzeichnung und heutigem Nationalfeiertag, Waitangi-Tag gefeiert, eines der größten Maori-Festivals des Landes. Die großen Kanus, die Wakas, werden zu Wasser gelassen, es finden Haka-Tanzwettbewerbe statt und es treten verschiedene Maori-Musikbands auf.

Waitangi-Day ist aber weniger ein Volksfest als eine politische Zusammenkunft, die zum einen den Maori Gelegenheit gibt, den Premierminister zu empfangen und ihm ihre Haltung zu brisanten politischen Fragen nahezubringen, sowie allen Maori ermöglicht mit ihren Kultur- und Interessensvertretungen in Kontakt zu treten. Dabei wird mancherorts erbittert diskutiert und es werden teils massive Vorwürfe an die Führer der eigenen Volksgruppe erhoben. Nicht viele Weiße hören sich das an, ich habe jedoch das Gefühl als Gastzuhörer willkommen zu sein.

 

Der Waitangi-Vertrag machte Neuseeland zu einem Teil des britischen Reiches, garantierte den Maori die Rechte auf ihr Land und ihre Fischgründe und gab ihnen die Rechte britischer Bürger. Maori haben im Allgemeinen den Vertrag als heiligen Pakt gesehen, während Pakeha ihn für viele Jahre ignorierten. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert fingen einige weiße Neuseeländer an, den Vertrag als Gründungsdokument der Nation und als ein Symbol britischer Humanität zu sehen. Anders als die Maori sahen aber nur wenige Pakeha den Vertrag als ein gültiges gesetzliches Dokument an, welches streng befolgt werden muss. Die Waitangi Treaty Grounds sind heute eine Art lebendiges Museum, das einen Besuch lohnt. Am Originalschauplatz kann man Maori-Kultur und Geschichte hautnah erfahren, und die Show ist unserem Eindruck nach sogar noch besser als die in Rotorua gebotene (dazu später).

 

Von Paihia aus fährt die Personenfähre, von Opua aus eine Autofähre rüber in den kleinen Ort Russell, dessen Ortsteil Okiato – man mag es kaum glauben - von 1840 bis 1841 die erste Hauptstadt Neuseelands war. In Russell steht die älteste bis heute erhaltene Kirche Neuseelands, sie ist von 1836 und hat einige Löcher von Kanonenkugeln aus den Maori-Kriegen, sowie ein kleines Museum, das sehr interessant sein soll. Wir waren allerdings selbst nicht drin. Joachim war dafür auf dem Flagstaff Hill, einem nicht nur wegen der Aussicht bemerkenswerten Ort.

 

Hone Heke, ein Maori-Häuptling aus der Bay of Islands war einer der Unterzeichner des Waitangi Vertrags von am 6. Februar 1840, aber seine Zweifel am Vertrag stellten sich als berechtigt heraus. Die Hauptstadt Neuseelands wurde von Okiato/Russell (von den Maori Kororareka genannt) nach Auckland verlegt. Infolgedessen erhielt die Bay of Islands keine Staatseinnahmen mehr, es wurden keine Zölle mehr erhoben, es durften keine Kauri-Bäume mehr gefällt werden und Land durfte nur noch an den Staat verkauft werden. Diese Maßnahme war eigentlich zum Schutz der Maori gedacht. Die Summe der Veränderungen führte aber zur Verschlechterung ihrer Wirtschaftslage. Zudem wurde klar, dass nach Ansicht der Briten alle Autorität, auch über die Stammesführer, bei der britischen Krone lag, obwohl der Vertrag von Waitangi beide Vertragspartner als ebenbürtig beschrieben hatte. Als Zeichen seiner Ablehnung fällte Hone Heke den britischen Fahnenmast in Russell mitsamt der britischen Flagge, was die Briten als Akt der Rebellion interpretierten. Im Verlauf von sechs Monaten wiederholte Hone Heke seine Tat zweimal. Daraufhin wurde ein ganzes Bataillon britischer Soldaten zur Bewachung des Fahnenmastes abgestellt. Mit einem Ablenkungsmanöver gelang es Hone Heke dennoch, den Fahnenmast ein viertes Mal abzusägen. Diese Tat gilt als Beginn des Flagstaff War (Fahnenmastkrieg), des ersten Abschnitts der Neuseelandkriege, in denen Russell von dem Briten eingenommen und zerstört wurde. 1857 wurde auf Geheiß des Sohns des Maori-Königs Kawiti allerdings ein prächtiger Baum gefällt und ein neuer Fahnenmast daraus geschnitzt, der 1858 unter großem Beifall beider Volksgruppen aufgestellt wurde. Der Mast erhielt den bedeutsamen Namen "Whakakotahitanga" was bedeutet „Eins mit der Königin sein“.

Wenn man heute, ohne sich mit Geschichte zu beschäftigen, durch Russell schlendert, erlebt man ein etwas mehr als 1.000 Seelen zählendes hübsches Dorf, das mit seinen vielen gut erhaltenen viktorianischen Häusern und einem sehr guten Restaurant etwas mehr mondänes Flair als Paihia hat. Sehr empfehlenswert ist die Kurzwanderung zur Whaling Station Whangamumu (ein wunderbarer Ankerplatz für Segler), die man bequem an einem Nachmittag machen kann, sowie die Fahrt von Russell Richtung Whangarei die Halbinsel runter, die immer wieder spektakuläre Ausblicke offeriert.

 

Ebenso beliebt bei Besuchern aus dem Ausland wie die schöne Landschaft der Bay of Islands und die geschichtsträchtigen Maori-Orte, ist auf der anderen Seite von Opua ein ganz profanes Örtchen: die vom österreichischen Künstler Friedensreich Hundertwasser gebaute öffentliche Toilettenanlage von Kawakawa. Nach Kawakawa kann man von Opua aus laufen oder Radfahren, entlang der stillgelegten Bahnlinie, die gerade zum Fahrradweg umgebaut wird. Unterwegs gibt es auch hier Schautafeln, die Erklärungen zur Geschichte Neuseelands geben. Neuseeland verwendet viel Arbeit darauf, jedem den es interessiert das Land zu erklären.

 

Wirtschaftszentrum der Bay of Islands ist Kerikeri, eine Ortschaft mit knapp 6.000 Einwohnern. Hier findet man "Kemp House", das älteste Gebäude Neuseelands, von einem evangelischen Missionarsverein errichtet, sowie das älteste stehende Steinhaus, den "Stone Store" von 1836. Das damals in Neuseeland ungewöhnliche Material Stein wurde gewählt um Ratten von Getreide fernzuhalten, die Verteidigung gegen die Maori zu verbessern und die Feuergefahr zu reduzieren. Auf Festlands-Europäer, die wie wir den Anblick viel älterer Gebäude gewöhnt sind, wirkt der Stone Store wenig beeindruckend. Erst als wir uns vor Augen halten, dass die ersten Siedler hier mit fast nichts ankamen und sich aus dem Nichts heraus alles aufbauen mussten, bekommen wir doch Respekt vor den Menschen, die sich auf dieses Abenteuer eingelassen haben. Während unseres Neuseeland-Aufenthalts verschlingt Joachim mehrere Romane von Sarah Lark, deren Handlungen an vielen Orten spielt, die wir besuchen, und die dem Leser eine sehr konkrete Vorstellung von den frühen Jahren des jungen Landes geben. Waitangi kommt auch darin vor, Kerikeri allerdings nicht.

In der Bay of Islands leben viele Europäer, die zwischen zwei Sommern pendeln und stets den Wintermonaten entfliehen. Das klingt zunächst reizvoll, aber da sie nicht durch Dick und Dünn mit den Kiwis gehen, bleiben sie Dauergäste und sind nicht wirklich integriert. Für uns wäre das kein attraktiver Lebensentwurf.

 

Whangarei

 

Wem die Bay of Islands zu ländlich ist, der segelt ein kleines Stück weiter die Küste runter nach Whangarei (gesprochen F-fan-ga-re-i) und verbringt den neuseeländischen Sommer im "Seglerdorf" auf dem Wasser. Die meisten unserer Freunde, die nicht nach Australien gesegelt sind, sind dort und so nutzen wir die erstbeste Gelegenheit sie in Whangarei zu besuchen. Im Vergleich zu allen Orten um Opua herum ist Whangarei eine richtige Kleinstadt. Im Laden der Heilsarmee erstehe ich für insgesamt 20 Euro mehrere Hosen sowie lange und kurze T-Shirts und bin glücklich, mich wieder besser kleiden zu können. Unser Freund Hans von der Onyx führt uns zu seinem Lieblings-Inder "Shiraz", wo man sehr lecker isst. Wir überlegen, ob wir nicht auch hierher umziehen, doch die mitten in der Stadt gelegene Town Basin Marina ist schon voll und sie ist uns eh zu eng. Nein, wir bleiben erstmal lieber in Opua, oder probieren unser Glück in Auckland.

Auckland

 

Im Großraum Auckland leben ca. 1,4 Millionen Einwohner. Auckland gilt vielen deshalb als die heimliche Hauptstadt Neuseelands. Die City of Sails, so benannt nach den fast 250.000 hier offiziell zugelassenen Segelbooten aller Klassen, bildet das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Staates. Auch die netten Marinas in Auckland haben keinen Liegeplatz für Pagena frei und die riesige Westhaven Marina gefällt uns nicht. Mit dem Ratschlag, den uns Ute von der Annamaria gegeben hat, "bringt das Schiff nach Opua, fahrt mit dem Auto alle Marinas ab, die Euch interessieren, und entscheidet dann", fühlen wir uns gut beraten. Wie die Annamaria ziehen wir es vor Pagena in Opua zu lassen, wo wir frei zwischen einem Liegeplatz am Steg und einer Mooringboje hin und her ziehen können wie es uns beliebt.

Während wir in Auckland sind, um uns für ein House-Sitting-Engagement vorzustellen, erreicht uns die schlimme Nachricht, dass meine Mutter im Sterben liegt. Ich buche sofort einen Flug nach Hause, so dass Joachim die für nächste Woche geplante Rundreise in den Norden und Westen von Northland alleine machen muss. Durch seine Erzählungen und die vielen Fotos, die er macht, reise ich ihm einige Wochen später virtuell hinterher. Auch die ersten Wochen Haussitting muss er alleine bewältigen, denn wir werden tatsächlich engagiert.

 

Wir haben großes Glück, sowohl was das Haus an sich und seine Lage, als auch was die Besitzer angeht. Diane ist Direktorin der Missionsstation der Stadt Auckland, die jedes Jahr ein großes Weihnachtsessen mit Geschenkverteilung an 2.500 bis 3.000 Bedürftige organisiert. Eine Großveranstaltung, die generalstabsmäßige Planung verlangt. Diane ist die Generalin, die alles im Blick hat und 50 festangestellte sowie zahlreiche freiwillige Helfer steuert. Im restlichen Jahr, wenn nicht der Weihnachts-Großevent alle Kräfte fordert, muss sie 7 Millionen NZ-Dollar Spendengelder auftreiben, dafür regelmäßig in den Medien auftreten, neue Mitarbeiter schulen, die Spendensammelteams motivieren und dafür sorgen, dass alle Sozialdienste der Mission funktionieren. Ein Job, der alles von ihr fordert. Nach Weihnachten will sie alles einfach nur stehen und liegen lassen und für drei Wochen mit der Familie in Urlaub fahren. Ohne vorher die Post abzubestellen, den Kühlschrank auszuräumen und jemanden für die Gartenpflege zu organisieren. Auf Kiwihoussitters.com sucht sie jemanden, der in ihrem Haus wohnen mag und es in Ordnung hält, bzw. (ungefragt) etwas ordentlicher macht und meldet sich auf unser Bewerbungsschreiben hin.

 

Das Haus von Wilfred und Diane ist kein typisches neuseeländisches Haus, es ist nach Rudolf-Steiner-Prinzipien gebaut, hat also keine rechten Winkel. Den glänzenden Dielenboden hat Wilfred aus verschiedenen Holzresten gekonnt zusammengesetzt, die Haustür ist ein Teil einer ehemaligen Kirchentür. Dinge, die man noch in irgendeiner Form gebrauchen kann umzuarbeiten und weiterzuverwenden ist in Neuseeland ein weit verbreitetes Konzept, das ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Von der Kreativität, die hierfür aufgewendet wird, sollten wir uns daheim eine Schnitte abschneiden. Joachim und ich werden viele solcher Ideen aus Neuseeland mitbringen.

 

Das Haus im bourgeoisen Stadtteil Meadowbank ist sehr gemütlich und liegt oberhalb eines kleinen halb-künstlichen Sees, auf dem die Anwohner Wasserski fahren. In der Ferne blicken wir auf die Skyline Aucklands, die durch den markanten Skytower geprägt wird. Joachim hat von hier aus einen Rangplatz für das Silvesterfeuerwerk, das vom Skytower aus in den Himmel geschossen wird. Er besucht das Marine Museum, geht ins Kino und späht schon mal die Ecken aus, die mir auch gefallen werden.

Als ich wieder da bin, besichtigen wir zusammen das Wynyard Quarter, eine Ausgehmeile mit vielen einladenden Restaurants und Cafés im alten Hafenviertel, die Hallen des Fischmarkts, die noble Viaduct Marina und die hippen Stadtviertel Parnell und Ponsonby.

 

In Parnell entdecken wir "La Cigale", einen sowohl Indoor als auch Outdoor abgehaltenen Markt für französische Lebensmittel, neuseeländisches Obst und Gemüse und allerlei Leckereien. Sehr anziehend! Problemlos finden wir uns in der Stadt zurecht, die uns bislang von den meisten Neuseeländern als Moloch geschildert wurde. Auckland ist kein Moloch. Die Stadt zieht sich lediglich über eine so große Fläche hin, dass man ein Auto braucht, sobald man das Stadtzentrum verlassen will. Wir haben sogar das Glück, ganz in der Nähe einer S-Bahnstation zu wohnen, die Zugfahrt in die Stadt dauert nur 7 Minuten - und das Pech, dass die Linie gerade von Diesel- auf Elektroloks umgestellt wird und daher für die gesamte Zeit unseres Auckland-Aufenthalts wegen Oberleitungs-Installation nicht fährt. Aber wir wollen eh nicht oft in die Stadt. Wir genießen es so sehr, mal wieder in einem richtigen Haus zu wohnen, ohne Zeitlimit heiß duschen zu können, in einer Küche mit viel Ablagefläche auch aufwändige Gerichte kochen zu können und unbegrenzten Internetzugang zu haben, dass wir viel Zeit im Haus und Garten von Diane und Wilfred verbringen.

 

Erstaunlich ist, dass wir in Auckland nirgends eine Erinnerung an das Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior finden, das 1985 vom französischen Geheimdienst durch zwei von Tauchern an den Schiffsrumpf angebrachte Bomben im Hafen von Auckland versenkt wurde. Sehr lesenswert ist der Wiki-Artikel zu den Geschehnissen: http://de.wikipedia.org/wiki/Versenkung_der_Rainbow_Warrior. Darin erfährt man auch wo das Memorial steht: Auf den Cavalli-Inseln in der Bay of Islands, wo nur ein paar Ausflugstouristen hinkommen. Schade!

Far North Tour

 

Diese Tour findet zwischen zwei Auckland-Aufenthalten statt und aus den schon beschriebenen Gründen macht Joachim sie alleine. Als erstes folgt er einem alten Kutschenpfad (heute natürlich eine Landstraße), der Paihia an der Ostküste mit Hokianga an der Westküste Northlands verbindet. Im 19. und 20. Jahrhundert nutzten die weißen Händler den lange zuvor von Maori angelegten Weg für die Versorgung der in Hokianga lebenden Missionare und Holzfäller sowie zum Abtransport von Kauriholz und -harz. Hokianga Harbour ist ein 30 km ins Land hineinragender Wasserarm, ein hervorragender Schutzhafen an der rauen Westküste Neuseelands.

 

Der Legende nach soll Kupe, der erste Maori Seefahrer um das Jahr 925 herum von Hawaiki aus im Kanu nach Neuseeland gesegelt und in Hokianga gelandet sein. Ein starkes vom Berg " Te Ramaroa" zurückgeworfenes Licht leitete ihn zur Einfahrt in den Wasserarm, weshalb Kupe die neue Heimat fortan als "Quelle der Welt des Lichts" bezeichnete, was zur ersten Ortsbezeichnung für Hokianga wurde. Als Kupe am Lebensende die Rückkehr nach Hawaiki antrat, sagte er, dass er nicht an diesen Ort zurückzukehren werde. "Hokianga", Ort der Rückkehr, wurde fortan der neue Ortsname. Der Überlieferung zufolge kehrte ein anderer Maori-Seefahrer in Kupes Kanu nach Hokianga zurück, begleitet durch ein weiteres Kanu. Wer mehr Details zu dieser und anderer Maori-Geschichten erfahren möchte, wird hier fündig: http://www.teara.govt.nz/en/ngapuhi

 

Eine andere schöne Geschichte entdeckt Joachim auf einer der in Hokianga aufgestellten Infotafeln: Kapitän John Martin, der 1827 Hokianga erreichte, wurde durch ein schönes Maori-Mädchen vor Unbillen bewahrt. Als Kiriora von möglichen Schwierigkeiten für die Neuankömmlinge hörte, schwamm sie zu Johns Schiff, der Governor Macquarie, und warnte ihn. Er blieb unbeschadet und fortan verband die beiden eine innige Beziehung. Sie blieben für den Rest des Lebens zusammen, zogen drei Kinder groß und gründeten die Signalstelle, die entscheidend dazu beitrug, dass viele weitere Seefahrer aus der wilden See heraus den Hafen sicher erreichten.

Im Hokianga Gebiet liegt auch der Waipoua Forest, der letzte größere verbliebene Kauri-Wald Neuseelands. Kauris sind die größte in Neuseeland heimische Baumart und kommen nur in Neuseeland vor. Der extrem langsam wachsende immergrüne Baum mit kerzengeradem Stamm wird heute meist 30 bis 50 m hoch und erreicht Stammdurchmesser von 1 bis 4 m. In historischer Zeit gefällte Exemplare waren erheblich dicker. Laut einem Bericht aus dem Jahr 1919 hatte der größte Kauri, der 1870 noch lebte, einen Stammdurchmesser von 8,54 m und einen Umfang von 26,83 m. Um Euch diese Größen zu vergegenwärtigen, stellt Euch den Blick vom 5-Meter-Spurngturm und vom 10-Meter-Sprungturm auf die Wasseroberfläche im Schwimmbecken vor. Und jetzt stellt Euch vor, dass ihr nicht vom Turm sondern von einem liegenden Baumstamm springt. – Ja genau: so unglaublich dick können diese Bäume werden! Mit Beginn der Besiedlung Neuseelands durch europäische Siedler wurde der Bestand an Kauri-Wäldern stark dezimiert. Die Bäume eigneten sich wegen des hohen Astansatzes und ihrer Festigkeit hervorragend für den Schiffbau. Daneben wurde das Holz zum Bau von Häusern, für Fußböden, Möbel und Wandvertäfelungen, als Bauholz, für Fässer, Bottiche, Eisenbahnschwellen, Abstützungen, Zäune, Schnitzereien und Drechselarbeiten verwendet. Viel Wissenswertes über Kauris steht in diesem Artikel: http://www.neuseeland-news.com/Kauri_Neuseeland.htm

 

Kauris allgemein, vor allem aber einige besondere Exemplare, spielen in der Mythologie der Maori eine wichtige Rolle und genau darum geht es in der 4stündigen Footprints Waipoua Twilight Encounter Tour, an der Joachim teilnimmt. "Tretet ein in unsere Welt und lasst Euch von unseren einheimischen Führern auf eine unvergessliche Zeitreise durch die Evolutionsgeschichte der Natur mitnehmen, während das Leben im Wald mythologisch und interaktiv erklärt wird.", werben die Veranstalter. Lonlely Planet bezeichnet diese Natur-Führung als eine der weltweit besten 82 Ökologie-Erfahrungen.

Maori-Führer zeigen den Teilnehmern ihre markantesten Bäume: den mächtigen "Te Matua Ngahere" mit 16 m Stammumfang, den "Vater des Waldes", dessen Alter auf 2.500 bis 3.000 Jahre geschätzt wird, die "Vier Schwestern" eine anmutige Formation von vier Kauribäumen, die in geschwisterlicher Nähe sehr nah beieinander gewachsen sind und nicht zuletzt "Tane Mahuta", der "Herr des Waldes", der beeindruckende 51 m hoch ist.

Tane, der Gott des Waldes, ist im Māori-Kosmos der Sohn von Rangi und Papa, dem Himmelsvater und der Mutter Erde. Tane drückte seine Eltern auseinander, die in Liebe eng umschlungen waren und damit die Erde in Finsternis ließen. Dadurch brachte Tane Licht und Raum zwischen Himmel und Erde sowie Luft zum Atmen an die Erde. Tane ist diesem Mythos nach der Lebensbringer, alle lebenden Kreaturen sind seine Kinder.

 

Von diesem Mythos und weiteren Legenden handeln die hypnotisierenden Lieder und Darbietungen der beiden Maori, die bei Einbruch der Dunkelheit auf der Naturbühne des Waldes gegeben werden. Vorher erklären sie Wachstum und Fortpflanzung des Baumes und reichen Harzbrocken mit kleinen organischen Einschlüssen herum, die optisch an Bernstein erinnern. Das Harz fand bei den Maori vielseitige Verwendung: mit Pflanzensaft vermischt, wurde es zur Pflege der Zähne gekaut; zu Pulver zerrieben und mit einem Öl versetzt diente es als Antiseptikum zur Wundbehandlung und als Rauch wurde es als Insektenschutzmittel benutzt. Leider können weder die Maori noch wir heute auf diese Naturmittel zurückgreifen, denn es gibt kaum noch Kauris und kaum noch Kauriharz. Von 1853 bis 1970 wurden in Neuseeland mehr als 100.000 Tonnen subfossiles Kauri-Harz aus der Erde gegraben. Größtenteils wurde es nach England und in die USA exportiert, wo der Rohstoff in der Produktion von Lacken und Firnissen eingesetzt wurde. Als in der Erde kein Harz mehr gefunden wurde, begann man, die an den Stämmen haftenden Harzbrocken abzuschlagen. Als auch diese erschöpft waren, begann man die Bäume anzuritzen, die mit dem Harz ihre Wunden verschlossen. Das Anritzen führte jedoch zum Absterben der Kauris, was außer dem Holzschlag ihre Zahl noch schneller dezimierte.

Im 225 km² großen Waipoua Forest wachsen heute drei Viertel der erhalten gebliebenen Kauribäume Neuseelands. Kauris stehen unter Naturschutz und nur von Maori dürfen noch einzelne Exemplare für rituelle Zwecke geschlagen werden. Hier und da wird versucht, die wertvollen Bäume wieder aufzuforsten, doch das wird viele, viele hundert Jahre in Anspruch nehmen. Der Baum wächst extrem langsam, und da die sich flach ausbreitenden Wurzeln der Bäume sehr empfindlich sind, überleben lange nicht alle angepflanzten Schösslinge. Die Kauris sind ein mahnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn Menschen die Natur über Gebühr ausbeuten, ohne sich über die Konsequenzen ihres Handelns im Klaren zu sein.

Das Beispiel sollte uns auch nachdenklich stimmen, bezüglich der heutzutage vorherrschenden Meinung, dass Holz ein nachwachsender und vollständig biologisch abbaubarer Rohstoff ist, dessen Nutzung uneingeschränkt empfehlenswert ist. Offensichtlich ist dies nicht immer der Fall. Es kommt stets darauf an, wie schnell die Natur das, was wir uns nehmen, wieder herstellen kann, ob Balance zwischen der Nutzungsdauer und der Reproduktionszeit herrscht oder nicht. Es gibt keine Instanz, die darüber wacht, dass diese Balance eingehalten wird.

 

Dies ist ein Reisebericht und keine ökologische Aufklärungsschrift. Dennoch möchten wir auch solche Gedanken und Erlebnisse, die wir von hier mitnehmen, mit unseren Lesern teilen - denn ja, wir werden fast täglich noch ein wenig nachdenklicher und kritischer hinsichtlich dessen, was wir der Nachwelt hinterlassen. Wer Joachim, mich und einen Teil unserer Freunde kennt, weiß, dass wir uns auch vor der Reise schon mit solchen Gedanken auseinander gesetzt haben. Aber dieser Ort, der Waipoua Forest im hohen Norden Neuseelands, lehrt uns so eindrücklich wie wenig anderes, dass wir und die Gesellschaft, der wir uns zugehörig fühlen, uns auf dem Holzweg befinden. Und dass die Völker dieser Erde, die wir meist als "Naturvölker" bezeichnen, welche sich mit weniger zufrieden geben, die Reichtum und Besitz nur bedingt erstrebenswert finden, aber meist in ausgeprägtem Respekt für ihre natürliche Umgebung leben, ein sinnvolleres Wertegerüst haben als wir. Wir hoffen Ihr könnt unseren Gedanken folgen und beginnt auch, einige der Werte, die Eure Ansichten leiten, infrage zu stellen.

 

Unserer Meinung nach sollte jeder Neuseelandbesucher zu Beginn seiner Reise, die wenigen verbliebenen Baumriesen im Waipoua Forest besuchen und die dabei gewonnenen Eindrücke während der weiteren Reise auf sich wirken lassen. Noch mehr gewinnt man, wenn man sich direkt im Anschluss an einen ruhigen Ort zurückzuzieht, an dem man seinen Gedanken nachhängen und diese aufschreiben kann. Ein dafür gut geeigneter Ort ist z.B. die kleine "Endless Summer Lodge" in Ahipara. Sie liegt am Fuße des Ninety Mile Beach, der sich von Ahipara fast hoch bis nach Kap Reinga zieht.

Kap Reinga ist der nordwestlichste Punkt der Nordinsel. Vor dem Kap treffen die Wassermassen des Pazifiks im Osten und der Tasmansee im Westen zusammen. Bei Sturm bildet sich hier schnell üble See. Da wir mit dem Gedanken liebäugeln, eventuell auf die Südinsel zu segeln, und noch nicht wissen, ob wir den kürzeren Weg die Westküste runter oder den längeren, aber durch Landabdeckung geschützteren Weg die Ostküste runter nehmen wollen, gilt Joachims Augenmerk unter anderem der Erkundung der Küste hinsichtlich Ankerplätzen, die wir im Falle eines unerwarteten Sturms anlaufen könnten.

 

Für die Maori hat Kap Reinga besondere Bedeutung: Von hier aus begeben sich die Seelen der Toten auf den langen Pilgerweg zurück nach Hawaiki. Auf dem hübsch angelegten Wanderweg rum ums Kap und den Leuchtturm herum wimmelt es nur so von Touristen. Vor allem Deutsche scheinen sich vom Kap angezogen zu fühlen. Joachim findet es bei ruhigem Wetter, abgesehen vom Inhalt der Hinweistafeln, nach dem viel intensiveren Erlebnis im Waipoua Forest, etwas langweilig.

 

Etwa 10 km südwestlich von Kap Reinga befindet sich das Kap Maria van Diemen, in dessen Nähe bis zu 50 Meter hohe, wandernde Sanddünen liegen, die größten Sanddünen Neuseelands. Viele Leute machen sich den Spaß, die Sandberge auf kleinen Plastikschlitten runter zu rutschen. Der Weg zurück nach Opua führt Joachim über den kleinen Fischerort Mangonui nach Whangaroa Harbour, eine tief ins Landinnere reichende Meeresbucht, die sich durch großen Fischreichtum und landschaftliche Schönheit auszeichnet.

Rotorua

 

Als ich wieder in Neuseeland bin, erkunden wir gemeinsam in zwei Touren die Mitte und den Süden der Nordinsel. In Tauranga werfen wir einen kurzen Blick in den Hafen, dann geht es weiter nach Rotorua im Landesinneren. In Rotorua riecht es überall leicht schwefelig, denn es gibt es heiße Quellen, permanent vor sich hin blubbernde Schlammlöcher und Geysire.

Das markanteste Gebäude des Städtchens ist die ehemalige Badeanstalt, die heute verschiedene Ausstellungen beherbergt. Auf der einen Seite die Geschichte der Badeanstalt, auf der anderen Seite ein Museum über – was wohl – Maori-Kultur. Wir haben die beiden Ausstellungen in dieser Reihenfolge besucht und das letztlich bedauert. Denn wir hätten uns viel mehr Zeit für die Maori-Ausstellung gewünscht, die viel besser war, als wir angenommen hatten. Viele interaktive Displays lassen einen Zeitzeugen und ihre Geschichten kennenlernen, die durch Videos und Tondokumente lebendig werden.

Etwas weniger beeindruckt als angenommen sind wir vom Kulturzentrum "Te Puia". Dort besichtigen wir ein traditionelles Maori-Versammlungshaus, sehen wie Maori früher ihre Nahrungsvorräte vor Verderb und Diebstahl sicherten, lernen in einer Show, wie Maori früher unbekannte Ankömmlinge begrüßten (mit abschreckenden Gesten und Lauten, so lange bis klar war, dass die Besucher mit friedlicher Absicht kamen, dann folgte das "Hongi", das Nasen-Aneinanderlegen, durch das man symbolisch den Atem teilt) und Tänze der Männer mit Speeren sowie Tänze der Frauen mit Pois, an einem langen Band hängenden Kugeln. Das ist ganz nett, bleibt aber recht oberflächlich. Vollkommen nichtssagend ist das sogenannte Maori-Dorf, ein paar vom Zahn der Zeit schon schwer angenagte leere Hütten mit Strohdach. Tief Luft holen muss die Führerin, als sie, bevor sie uns zum Kiwi-Gehege-Haus bringt, den längsten Ortsnamen der Welt vorsagt, nämlich "Taumatawhakatangihangakoauauotamateapokaiwhenuakitanatahu", was wohl "der Platz, an dem Taumata, der Mann mit den dicken Knien, der Berge runterrutschte, hochkletterte und verschlang, auch "Landesser" genannt, seiner Geliebten Flöte vorspielte" bedeutet.

 

Im Kiwihaus bekommen wir zwei lebendige Kiwis zu Gesicht. Die Vögel sind nachtaktiv und sehr empfindlich was Geräusche und Licht angeht. Daher ist das Kiwihaus fast vollständig dunkel, nur das Gehege ist ganz schwach beleuchtet, damit man die beiden dort gehaltenen Vögel sehen kann, während die ganze Gruppe in Stille als Menschenschlange am Gehege vorbei geschleust wird. Fotografieren ist verboten, selbst ohne Blitz (weil vieler Leute Kamera unabsichtlich doch blitzen, sprich, weil die komplex und unverständlich gewordene Technik mittlerweile uns beherrscht und nicht mehr wir die Technik…) – aber auch wegen dem Lämpchen vom Auto-Focus.

 

Seit die ersten Maori-Siedler Neuseeland erreichten, wurden Kiwis von ihnen gejagt. Schon die Maori verdrängten Kiwis aus zahlreichen Regionen und schufen inselhaft zerrissene Verbreitungsgebiete. Das Aussterben des Zwergkiwis auf der Nordinsel wurde durch Maori verursacht, die am Fleisch und an den Federn interessiert waren. Als die weißen Siedler Neuseeland erreichten, verschlechterte sich die Situation für die Laufvögel nochmals. Im 19. Jahrhundert wurden Kiwi-Federn sogar für modische Zier nach Europa exportiert. Zudem erfreuten sich ausgestopfte Kiwis einer wachsenden Beliebtheit bei Sammlern. Am schlimmsten war jedoch der Jagddruck, den die von den Weißen mitgebrachten Hunde, Katzen und Wiesel erzeugten, dem die Vögel kaum gewachsen waren. So wurden Kiwis in küstennahen Regionen der Nordinsel und im Osten sowie Norden der Südinsel vollends ausgerottet.

 

1896 wurde die Jagd auf Kiwis verboten, seit 1921 stehen sie unter Schutz. Von Menschen droht Kiwis heute keine direkte Gefahr mehr, wohl aber noch immer durch die Landschaftszerstörung und vor allem durch die eingeschleppten Tiere. In den 1990ern tötete ein einziger entlaufener Schäferhund im Wald von Waitangi innerhalb weniger Tage 500 Kiwis, was mehr als die Hälfte der dortigen Population war. Es wird geschätzt, dass auf dem Festland 94 Prozent der jungen Kiwis von Katzen oder Wieseln getötet werden, bevor sie 100 Tage alt werden. In Te Puias Gehege gelingt es jedes Jahr ca. 3 Kiwi-Küken zu züchten, die ausgewildert werden. So hofft man dazu beizutragen, der Kiwi-Population wieder zu Wachstum zu verhelfen. Diese geringe Zahl wird zwar kaum Wirkung entfalten, aber es ist besser als nichts.

 

Die Aktivität der beiden Geysire lässt sich nicht wie die der Kiwis manipulieren, es ist nicht vorhersehbar, wann sie das nächste Mal ausbrechen und ob die Fontänen ihre Maximalhöhen erreichen werden oder nicht. Wir sehen zwei Geysire ausbrechen, allerdings sind zum Zeitpunkt unseres Te Puia Besuchs beide nicht in Topform. Noch dazu ist der Himmel bewölkt und das Licht zum Fotografieren ist ziemlich schlecht. Egal, wir können nicht überall vom Glück verwöhnt werden.

Sehr gut gefällt uns in Te Puia die Werkstatt der Holzschnitzer. Dort werden junge Maori in traditioneller Schnitzkunst unterwiesen und Besucher können das live miterleben. Wir unterhalten uns lange mit dem Meister, denn wir wollen genau wissen, wie man vom Entwurf zum fertigen Werk kommt. Der Meister, der ein T-Shirt mit deutscher Aufschrift trägt, deutsches Bier mag und schon mal in München war, freut sich über das Interesse und am Ende beschenkt er uns mit einem Stück rohem Kauriholz. Vielleicht können wir eine Holzschale daraus machen?

Napier & Hastings

 

Als nächstes Ziel steht Napier in der weitläufigen Hawks Bay auf unserer Besuchsliste. Napier wurde im Jahr 1930 fast vollständig durch ein Erdbeben zerstört und danach in kurzer Zeit im Art Deco Stil wieder aufgebaut. Art Deco ruft Heimatgefühle in uns wach und nach den vielen Maori-Geschichten steht uns der Sinn durchaus mal wieder nach Kultur, mit der wir uns vertraut fühlen. Was Napier an einem gewöhnlichen Wochentag zu bieten hat, imponiert uns allerdings wenig. Wahrscheinlich liegt’s daran, dass wir aus Wiesbaden kommen.

 

Im ganzen Land berühmt ist Napier für sein Kostümfest, das jedes Jahr im Februar ein ganzes Wochenende lang gefeiert wird. Dann ziehen sich die Damen Charleston-Kleider an, kämmen sich die Haare an den Kopf und stülpen glitzernde Stirnbänder darüber, während die Männer Strohhüte aufsetzen und Hosenträger an den Hosenbund klippen. Die Kinder fahren Seifenkistenrennen, die Eltern fahren prächtige Oldtimer spazieren, überall spielt Musik und es wird getanzt. Unsere im Nachbarort Hastings wohnende Air BnB Vermieterin Cara freut sich schon lange auf dieses Wochenende. In unseren Zeitplan passt das Wochenende des Festivals allerdings nicht rein.

 

Caras Freund Mike macht uns eine ganz andere, unvergessliche Freude, als er uns das Restaurant vom Weingut Vidals empfiehlt. Da können wir von Caras Haus aus hinlaufen und das Essen ist exzellent. Joachim schwärmt noch heute von seiner Vorspeise, Muscheln in Safransauce. Generell haben wir festgestellt, dass man in Neuseeland am besten selber kocht, oder, wenn man schon in ein Restaurant geht, besser etwas tiefer in Tasche greift. Zwar kostet es jedes Mal Überwindung, an einem Abend so viel auszugeben, wie sonst fast der ganze Wocheneinkauf kostet, aber es lohnt sich und macht den Restaurantbesuch schließlich zu einer besonderen Erinnerung.

 

Wir hatten vor der Ankunft in Neuseeland übrigens in Berichten anderer Segler gelesen, dass in Neuseeland alles so teuer sein soll und hatten schon Sorge, ob wir uns den Aufenthalt hier leisten können. Wir können bis jetzt nicht nachvollziehen, wie die anderen Segler das so empfinden konnten. Wir finden eher, dass die meisten Sachen hier endlich wieder ganz normale Preise haben, v.a. wenn man sich daran gewöhnt hat, Angebote zu kaufen, die es jede Woche in Hülle und Fülle gibt. Das kann gewaltige Unterschied machen: Unser bevorzugter Orangensaft kostet in der 2,5 Liter Flasche beispielsweise zum Normalpreis 6 bis 7 Neuseeland-Dollar, also € 3,60 bis € 4,20. Zu dem Preis kaufen wir ihn jedoch nie, denn häufig gibt es ihn für 4 NZD im Angebot und kürzlich gab es sogar für nur 10 Dollar gleich vier Flaschen. Ob es daran liegt, dass in Neuseeland gerade die Orangen reif und billig werden? Vermutlich.

 

Manchmal gibt es Promotions, wo man für einen Einkauf von NZD 200 einen Tankgutschein erhält, der einem an der Tankstelle 40 Cent Preisnachlass pro Liter beschert. Wenn der Tank leer ist, sind das für uns immer 20 bis 25 Dollar Ersparnis. Generell stellen wir nur fest dass Käse, Sahne, Joghurt und Quark teuer sind, und häufig (aber nicht immer) Schinken sowie Schokolade. Letzteres ist ein klarer Minuspunkt auf der Neuseeland-Beliebtheits-Punkteskala!

Glühwürmchen

 

Eine winzige Touristen-Attraktion, für die im ganzen Land geworben wird, sind die in feuchten Höhlen lebenden Glühwürmchen. In allen Reiseführern wird über die Waitomo-Höhle berichtet, in der das Glühwürmchen-Erlebnis besonders beeindruckend sein soll. Einer unserer beiden Neuseelandführer verrät aber auch, dass man die Glühwürmchen auch ganz unbezahlt nachts im Wald sehen kann. In der Nähe der Aranui-Höhle führt ein gut angelegter kleiner Rundweg an den Ufern einer Schlucht entlang zu einer Brücke, an deren beiden Enden tausende Glühwürmchen in den Büschen hängen und dort nachts um die Wette leuchten, um kleine Insekten als Futter anzulocken. Wir gehen den Weg nachmittags bei Tageslicht schon mal ab und kehren bei Einbruch der Dunkelheit zurück, zwar mit Stirnlampen ausgerüstet, aber ohne sie zu benutzen. Nachts mit nur etwas schwachem Mondlicht durch den Wald zu laufen ist großartig und es stimmt, die Glühwürmchen stellen sich auch hier zur Schau. Wir laufen sogar nochmal bis zur Höhle hoch, wo wir uns allerdings über ein anderes Paar ärgern, die die Höhle mit ihrer starken Taschenlampe ableuchten. Das killt nicht nur die Magie des Ortes bei Nacht sondern veranlasst auch die Glühwürmchen ihr Licht abzuschalten.

Windy Welli

 

Jetzt sind wir auf Wellington gespannt, Neuseelands Hauptstadt am Südende der Nordinsel. Wellington liegt direkt an der Cook Strait, der Wasserstraße, die die Nord- und die Südinsel trennt, die bei westlichen Winden wie ein Nadelöhr für die Luftmasse wirkt und den Wind manchmal kräftig stärkt. 30 bis 35 Knoten Wind sind in der Cook Strait keine Seltenheit, dazu setzt kräftiger Tidenstrom. Wenn Strom gegen Wind steht wird die See rau. Zudem kann kalter Südwind mit polarer Luft ohne Aufwärmung an Land auf Wellington treffen, so dass es in Wellington häufig ziemlich kalt ist. Das ist auch der Fall, als wir die Stadt im Hochsommer besuchen. Meist gehen wir mit drei Lagen Kleidung am Leib aus dem Haus. An sonnigen windgeschützten Plätzen legen wir zwar früher oder später eine Lage ab, aber die nächste kühle Brise kommt mit Sicherheit noch bevor wir wieder in unserem Air BnB Heim sind.

Sara, eine Architektin und Danny, ein Theaterregisseur, offerieren zwei Zimmer in ihrem fantastisch gelegenen Haus im Ortsteil Kilbirnie. Aus dem Esszimmer heraus überblickt man sowohl Evans Bay auf der Stadtseite als auch Lyall Bay auf der der Cook Strait zugewandten Seite. Hier können wir es stundenlang aushalten. Nach Ausflügen ins Zentrum, wo wir das Nationalmuseum Te Papa besuchen, mit der historischen Zahnradbahn hoch zum Botanical Garden fahren, durch Geschäftsstraßen schlendern und einige Behördengänge erledigen, kommen wir immer wieder gerne zu Sara und Danny zurück und genießen bei einer heißen Tasse Kaffee oder Tee die herrliche Aussicht aus dem warmen Haus heraus.

 

Zufälligerweise hat Danny gerade eine Premiere und schenkt uns die letzten beiden verbliebenen Plätze. So kommen wir unverhofft in den Genuss, eine neuseeländische Komödie im angesehenen Circa-Theater zu sehen, in der zwei in Neuseeland sehr bekannte Darsteller auftreten. Wir verstehen zwar nicht alle Gags, können der Handlung aber folgen und erfahren auf heitere Art und Weise für uns neue Aspekte der Sozialkritik. Wellington macht einen trendigeren und dynamischeren Eindruck auf uns als Auckland. Liegt es an den Hochhäusern, die die Innenstadt prägen, oder an der Kleidung der Menschen, die uns auf der Straße ins Auge fallen? Wir können es nicht mit Sicherheit bestimmen. Wenn es hier nicht so kalt wäre, würde es uns hier gefallen. Aber es ist kalt, selbst im Hochsommer. Zu kalt!