8. - 17. März 2012: San Blas Inseln

Reisebericht San Blas Inseln, 10. Bis 17. März 2012

Kuna Yala, wie die indigene Bevölkerung die San Blas Inseln nennt, ist ein außergewöhnliches Gebiet. In die Kultur der Kuna Indianer mussten wir uns selbst erst mal einlesen. Allen Seglern sei der "Panama Cruising Guide" von Eric Bauhaus empfohlen, der die besten verfügbaren Seekarten enthält, aber auch einiges über die Geschichte und die Kultur der Kuna erzählt. Die San-Blas-Inseln werden von etwa 50.000 Kuna, einer indigenen Ethnie Panamas bewohnt und selbst verwaltet.

 

Je nachdem welcher Quelle man glaubt, besteht das San Blas Archipel aus 365 oder ca. 340 kleinen Inselchen, überwiegend mehr oder weniger kleinen "Sandhaufen mit Palmen drauf" und oft mit Korallenriffen drum herum. Wir erklären uns die Differenz der verschiedenen Angaben einerseits damit, dass 365 Inseln – eine für jeden Tag – natürlich eine charmante Beschreibung ist, die dazu verleitet nicht 100%ig genau zu zählen und andererseits damit, dass durch den ansteigenden Wasserpegel bereits einige Inseln im wahrsten Sinne der Wortes untergegangen sind. Wir haben zwar schon gehört und gelesen, dass im Pazifik die Bewohner einiger Inseln befürchten, dass ihre Heimat von der Landkarte verschwindet; aber die erschreckende Erkenntnis, wie real das Abschmelzen der Gletscher das Leben dieser Menschen bedroht, war bei weitem nicht so alarmierend wie in Kuna Yala, wo wir sehen, wie nah der Wasserpegel vielen Häusern kommt. Ein französisches Seglerpaar, das bereits ein ganzes Jahr in den San Blas Inseln verbracht hat, berichtet uns, dass sie eine Insel kennen, in der das Wasser bereits in den Häusern der Bewohner steht, und dass viele Kinder dort deshalb unter Hautkrankheiten zu leiden hätten. Eric Bauhaus schreibt, dass wann immer er eine Neuauflage seines Revierführers herausgibt und die Seekarten überprüft, er einige Inseln von den Karten entfernen muss, die jetzt nur noch eine Untiefe sind.

 

In Kuna Häusern stehen nur ganz wenige Möbel: ein Tisch, ein paar Plastikstühle und vielleicht ein Herd zum Kochen. Geschlafen wird in Hängematten, Schränke gibt es nicht. Die Kleidung hängt über einer Leine oder frisch gewaschen auf dem Gartenzaun. So jedenfalls sehen wir es bei "John", einem netten alten Kuna, der mit seinem "dugout", seinem Einbaum-Holzboot zu Pagena gepaddelt kommt, als wir vor Carti Sugdup ankern, einer der am stärksten von Touristen besuchten Insel.

 

Wir haben uns Carti Sugdup als eine der ersten Inseln, die wir besuchen ausgesucht, weil es hier ein kleines Kuna-Museum gibt, das uns interessiert und da wir uns anfangs noch so fremd in der Welt der Kuna fühlen, dass wir denken, dass wir dort, wo viele weiße Touristen hinkommen für den Anfang vielleicht am besten aufgehoben sind.

 

Der Anker hat den Grund vor Carti Sugdup noch nicht recht erreicht, da kommt schon die erste Mola-Verkäuferin angepaddelt. Ungeduldig wartet sie, bis wir fertig sind, dann kommt sie höchst selbstbewusst an Bord und beginnt ihre Molas auszupacken. Diese kunstvolle Form der Applikations-Stickerei entwickelte sich zu Beginn des 20 Jahrhunderts. Ursprünglich trugen die Ureinwohner der San-Blas-Inseln kaum Kleidung und schmückten ihre Körper mit bunten Verzierungen. Missionare animierten sie dann aber dazu, Kleidung zu tragen, so dass sie schließlich ihre Kleidung, die Molas, mit den Mustern ihrer Körperbemalungen gestalteten. An kunstvollen Molas wird bis zu sechs Monate gearbeitet. Solche Arbeiten sind für den Durchschnittstouristen natürlich unerschwinglich. Weil Molas einer der beliebtesten Souvenirartikel Panamas sind, gibt es auch weit weniger aufwendig gearbeitete Molas, deren Design sich ausschließlich am Gefallen der Touristen orientiert und nichts mehr mit den Traditionen zu tun hat.

 

Kaum sind wir in Kuna Yala angekommen, finden wir uns also in einer Zwickmühle wieder: Natürlich gehört es zu den Pflichten der Besucher, Geschäfte mit den Kuna zu machen. Da man als Segler weitgehend autonom ist und außer Nahrungsmitteln kaum etwas braucht, liegt der Kauf eines gut transportierbaren Souvenirs wie einer Mola nahe. Ich möchte gerne eine oder mehrere Molas kaufen, Joachim ist sich unsicher. Beide wissen wir noch nicht worauf wir zu achten haben und was angemessene Preise sind. Wir möchten heute noch nichts kaufen, auch wenn das unserer Besucherin überhaupt nicht gefällt. Während sie versucht, uns mit kleinen Preisnachlässen zum Kauf zu überreden kommt John angepaddelt, den sie offensichtlich gar nicht gerne sehen mag. Auch er kommt einfach an Bord und setzt sich zu uns. John fragt sie auf Spanisch, so dass wir es verstehen können, wie viel sie denn für eine Mola verlangt habe. Er übersetzt ihr auch gerne, dass wir heute noch nichts kaufen möchten. Es ist ihm anzumerken, dass er uns vom Kauf bei dieser Anbieterin abraten möchte.

 

Nachdem wir ihr ein T-Shirt und eine Hose für ihre Kinder mitgegeben haben, zieht sie schließlich, immer noch unzufrieden, von dannen. John bietet den Steg vor seinem Haus als Dock für unser Dingi an und erzählt irgendetwas von einem Restaurant und von Langusten für sechzig Dollar. Wir befürchten schon, ihm nachher erklären zu müssen, dass wir, auch wenn wir seinen Anlegesteg gerne nutzen, nicht für so viel Geld bei ihm essen können. Und wir sind uns sicher, dass er uns zu einer Mola-Verkäuferin an Land führen wird, die zu seiner Familie gehört. Doch damit tuen wir ihm unrecht.

 

Als wir eine Stunde später bei ihm ankommen, führt er uns einfach durch sein Haus hindurch raus auf die Straße und ins Innere der Insel. Er läuft mit uns durch die wenigen Gassen, die es auf Carti Sugdup gibt, zeigt uns den Anlegesteg für die Touristenboote, die täglich mehrfach zwischen dem Festland und der Insel hin und her pendeln, den Einkaufsladen, das Museum, das jedoch gerade geschlossen ist, die Polizeistation und den Versammlungsraum der Gemeinde, den "Congresso".

 

Der fast jeden Abend in dieser Hütte abgehaltene "Congresso" ist eine interessante Sache. In der Mitte der Hütte hängen drei Hängematten, in denen die drei Dorfobersten, die Sailas schaukeln. Meistens singen sie alte spirituelle Lieder, über die sie Kenntnis über Geschichte und Traditionen von Generation zu Generation weitergeben. Um die weisen Sailas herum sitzen die "Agrars", die die Weisheit der Sailas interpretieren und auf gegenwärtige Ereignisse hin anwenden. Um die Agrars herum sitzen auf Holzbänken die Dorfbewohner. Jeder darf Beschwerden vorbringen und Vorschläge machen, auf die die Sailas indirekt reagieren. In der Regel geben sie keine direkten Anweisungen sondern lassen die Agrars sprechen. Die sich auf diese Weise entspinnenden Diskussionen können sich lange hinziehen und auch die Geduld der Kunas über Gebühr strapazieren. Im Crusing Guide von Eric Bauhaus, dem auch das vorangegangen geschilderte entstammt, wird von einem dem Congresso vorgetragenen Fall berichtet, in dem einem Mann vorgeworfen wird, seine Frau geschlagen zu haben. Als Strafe wird ihm von den Sailas auferlegt, zehn Fässer Korallenschutt zu sammeln, der auf allen bewohnten Inseln zur Landgewinnung benötigt wird. Der Mann beschwert sich über dieses Urteil und sagt, dass seine Frau ihn zuvor provoziert habe. Daraufhin verhängt der Congresso dieselbe Strafe auch für die Frau. Diese Art von Weisheit würden wir uns manches Mal auch in unserer westlichen Gesellschaft wünschen, oder nicht? Am Rande sei übrigens bemerkt, dass Kunas im Matriarchat leben. Frauen haben in der Kuna-Gesellschaft das Sagen und verwalten das Geld. Männer heiraten in die Familie der Frau ein und häufig suchen sich die Frauen ihre Männer aus. Doch zurück zu unserer kleinen Tour mit John.

 

Am Uferrand fallen uns auf Stelzen gebaute Toiletten-Häuschen auf. So funktioniert das also hier, wo es keine Kanalisation gibt. Frischwasser gibt es aber, es wird in Leitungen vom Festland an eine zentrale Wasserholstelle gepumpt. Hier holt sicher jeder so viel Wasser wie er braucht und tragen kann. Die Wege und Plätze im Inselinneren und auch die Häuser sind sauber. Manche Hütten haben richtige Gärten, in denen Bananenstauden, Palmen, Bougainvillen oder irgendwelche Bäume wachsen Aber dass es ein Müllproblem in Kuna Yala gibt ist trotzdem offensichtlich. Der Müll wird einfach hinter die Häuser in Richtung Wasser geworfen und türmt sich dort schon in beträchtlichen Schichten. Wie schade, das trübt das Bild. Nur Pfandglas und Getränkedosen werden gesammelt.

 

Wir beobachten, dass die Wände der Hütten aus Bambusrohr gebaut werden und die Dächer entweder traditionell mit Palmwedeln oder modern mit Wellblech gedeckt werden. Der Boden der Hütten besteht aus festgetretenem Sand. Traditionelle Molas tragen fast nur noch die älteren Frauen als Teil ihrer Tracht. Ihre Arme und Beine schmücken sie mit Unmengen bunter Perlenbändchen, in der Nase tragen sie einen kleinen Goldring, auf dem Kopf meist ein rotes Baumwolltuch mit gelbem Muster. Die so gekleideten Frauen sind eine wahre Pracht für Fotografen. Da wir jedoch wissen, dass die Kuna bzw. die Kunafrauen sich nicht gerne fotografieren lassen, sind wir recht scheu, was die Fotoaufnahmen angeht.

 

Die Jugendlichen spielen Domino und Volleyball und grüßen die Besucher herzlich. Viele der Jugendlichen haben Handys oder gar PDAs. Wie überall auf der Welt sind sie auch hier schwer damit beschäftigt in Kontakt mit ihrer Community zu bleiben und unterbrechen egal welche Tätigkeit, um schnell mal ein SMS zu schreiben.

 

Das alles beobachten wir während unseres kleinen Spaziergangs mit John. Erstaunlicherweise führt er uns zu niemandem, um irgendetwas zu kaufen und er hat auch kein Restaurant, das haben wir offensichtlich missverstanden. Er scheint sich einfach zu freuen, dass so viele Leute seine Insel besuchen und ihm Gelegenheit geben, aus gutem Grund seine Hütte zu verlassen. Natürlich bekommt er ein paar Dollar für die Führung und die Nutzung seines Steges.

Richtig bewohnt sind nur etwa fünfzig der dreihundertvierzig Inseln. Diese fünfzig Inseln platzen allerdings förmlich aus den Nähten. Viele Häuser am Uferrand stehen zumindest teilweise auf Stelzen im Wasser. Immer wieder versuchen die Kuna mittels Aufschütten von Korallenschutt dem Wasser ein Stück Land abzuringen. Die meisten Kuna leben von der Landwirtschaft, die sie im Dschungel am Festland betreiben. Dort ist die Moskitoplage aber so groß, dass die Kuna zum Wohnen auf die nahe am Festland gelegenen Inseln flüchten. Die abgelegenen Inseln sind eigentlich unbewohnt.

 

Wir schreiben bewusst „eigentlich", da der Rückschluss, dass man noch ganz einsame Inseln finden kann, wie es in so vielen Segelbüchern beschrieben wird, heute nicht mehr zutreffend ist. Heutzutage steht auf jeder Insel, jedenfalls auf jeder, die nicht allzu weit von der Hauptinsel Porvenir entfernt ist, mindestens eine Hütte, in der eine Kuna-Familie in der Trockenzeit übernachtet und jeder schöne Ankerplatz zieht unweigerlich eine ganze Gruppe von Yachten an, schnell auch mal zehn bis zwanzig Boote. Es gibt keine Abgeschiedenheit mehr. Das Robinson Crusoe Feeling in den San Blas Inseln ist passé, wir kommen ein paar Jahre zu spät.

 

Am Ankerplatz vor der kleinen Insel "Gunboat Island" werden wir recht unwirsch von einer Mutter und ihren Söhnen aufgefordert, fünf Dollar für das Ankern vor ihrer Insel zu bezahlen. Da wir schon die Unsumme von einhundertdreiundneunzig Dollar für die Reiseerlaubnis für Panama einschließlich der gesamten San Blas Inseln, dreißig Dollar für die Immigration plus vierundzwanzig Dollar Besuchersteuer für Kuna Yala auf El Porvenir bezahlt haben, sehen wir das nicht ein und weigern uns. Am nächsten Morgen können wir aufgrund der kleinen Auseinandersetzung den Ort jedoch nicht mehr recht genießen und brechen früh auf Richtung Rio Azucar und Green Island. Zum zweiten Mal bringen uns die Kuna in einen Gewissenskonflikt: Hätten wir ihnen die geforderten fünf Dollar geben sollen, einfach um des lieben Frieden willens? Wenn uns das auf jeder Insel passieren würde, wo würde das hinführen. Wie viel darf man sich gefallen lassen und wo muss man Nein sagen? Letzten Endes ist unsere Flucht aus dem Riff um Gunboat Island herum schade, denn die Insel besaß ein ausgesprochen schönes Korallenriff, das ich gerne noch mit Schorchel und Kamera näher erkundet hätte. Einziger Trost: Das Wetter war sehr trüb, man hätte bei diesem Licht ohnehin beim Schnorcheln wenig gesehen und erst recht keine schönen Fotos machen können.

 

Da wir insgesamt nur noch eine Woche Zeit für die San Blas Inseln haben, was definitiv zu wenig ist, um uns ein objektives Bild von der eigenartigen Inselwelt zu verschaffen, fragen wir nach unserem Besuch andere Segler, die alle mehrere Jahre in dieser Inselwelt verbracht haben, ob sich das Archipel in dieser Zeit verändert hat oder nicht. Alle Crews bezeugen eine gewaltige Veränderung. Das Robinson Crusoe Feeling soll es bis vor ca. vier Jahren gegeben haben. Seitdem sei die Anzahl der Yachten in den San Blas Inseln sprunghaft gestiegen und seitdem ist der Tourismus zu einer der bedeutendsten Einnahmequellen der Kuna geworden. Auch der Fischreichtum scheint abgenommen zu haben. Jedenfalls ist es weit schwieriger einen Fisch zu ergattern als eine Mola. Tagelang kommt kein einziger Fischer vorbei um seinen Fang zum Kauf anzubieten. In Rio Azucar kaufen wir schließlich Fisch – tiefgefroren. Murphies law bewirkt, dass am selben Nachmittag Fischer vor Green Island den frischen Fang des Tages zum Kaufen anbieten. Mist, was heißt "Danke, wir haben schon" auf Spanisch?

 

Auch die folgenden Tage bleibt das Wetter grau und verhangen. Langsam geht uns das auf die Nerven, aber unser Abreisetermin rückt schnell näher. Noch einmal müssen wir nach El Povenir fahren, um aus Kuna Yala auszuklarieren. Von Porvenir aus sind es nur noch ca. siebzig Seemeilen nach Colon, Panama. Da wir ausnahmsweise einmal eine Küste entlang segeln, nutzen wir die Gelegenheit, um diese Strecke in zwei kurzen Tagesetappen zu fahren. Auf dem Weg nach Colon übernachten wir in der sehr geschützten Bucht hinter der Isla Linton. Sieht auch nicht übel aus hier. Und auch hier sind ganz schön viele Yachten. Wir entdecken, dass Panama offensichtlich mehr zu bieten hat als die San Blas Inseln und den berühmten Kanal. Wenn wir doch nur Zeit hätten, uns auch hier ein wenig umzusehen ...

 

Aber unsere wichtigstes Ziel sind ja die Inseln des Südpazifik, das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Um dorthin zu kommen müssen wir zügig weiter in die Shelter Bay Marina in Colon, um dort Pagenas Unterwasseranstrich vor der Kanalpassage zu erneuern und um diese schnellstmöglich zu beantragen. Colon, der Kanal und Panama City werden ein Abenteuer für sich.

 

Zur Bildergalerie

Zu den Unterwasserbildern