28. Sept. 2012 - 11. Jan. 2013: US-Westküste

Die über eintausend Meilen lange Pazifikküste der USA wird von den Staaten Washington, Oregon und Kalifornien gebildet. Die Küste soll sehr schön sein, ist aber auch bekannt für Nebel und gewaltigen Pazifik-Surf, ein Seerevier mit Tücken. Risiko-avers wie wir sind, beschließen wir, nur wenige Stopps entlang der US-Westküste einzulegen. Oregon besuchen wir gar nicht, und Washington eigentlich auch nicht, da wir hier, abgesehen vom Einklarierungshafen, nur einen einzigen weiteren Hafen anlaufen, der in einem Indianer-Reservat liegt. Die meisten Eindrücke unserer Reise stammen aus Kalifornien, dem Sunshine State der USA. Doch bis wir dorthin gelangen, haben wir schon gut was zu berichten.

Port Angeles: Pilot nein Danke und Paté ade

Von Kanada aus reisen wir wieder in die USA ein. In Vancouver hatten wir herausgefunden, dass es dabei für ausländische Yachten (die nicht aus Kanada stammen), ein verzwicktes Hindernis gibt. Von Victoria aus ist der nächste US-Einklarierungshafen Port Angeles in Washington. Washington hat östlich von Port Angeles ausgedehnte, mit kleinen Inseln, Felsen und Untiefen gespickte Wasserflächen, an deren Ende Seattle liegt. Um die fragile Inselwelt vor Umweltkatastrophen zu schützen, verlangt der Staat Washington seit kurzem, dass alle Schiffe für die Befahrung der inländischen Gewässer einen Piloten an Bord haben müssen. Für Schiffe mit weniger als 500 t (Pagena hat 5 t) gibt es eine Ausnahmegenehmigung, die aber stolze 300 USD kostet. Da wir die Inlandsgewässer gar nicht befahren, sondern nur nach Port Angeles einlaufen und Pagena dort vom Zoll und den Einreisebehörden inspizieren lassen wollen, können wir uns nicht vorstellen, dass wir die teure Ausnahmegenehmigung tatsächlich benötigen. Per Definition beginnen die inländischen Gewässer Washingtons aber am äußeren Ende des Wellenbrechers des Hafens und streng genommen befahren wir somit für ein paar Meilen inländische Gewässer wenn wir den riesigen Vorhafen von Port Angeles durchqueren. Ein Anruf bei der Behörde ergibt, dass es keine Ausnahme von der Erfordernis der Ausnahmegenehmigung gibt Dass wir unter diesen Umständen Port Angeles nicht anlaufen wollen, weil uns das zu teuer ist, kann die Dame vom Amt gut verstehen. Auf meine Frage, wo wir denn stattdessen zum Einklarieren hinfahren können, ist sie ratlos. "Einklarieren, das ist Bundesrecht, damit haben wir im Staat Washington nichts zu tun". Ein weiterer Anruf bei der nationalen Behörde bestätigt unsere Befürchtung: "Wenn Sie von Victoria aus in die USA einreisen, müssen Sie den nächstgelegenen Einklarierungshafen anlaufen, das ist für Sie Port Angeles. Nein, Sie können nicht nach San Francisco fahren und sich erst dort melden, selbst wenn sie bis dorthin in internationalen Gewässern fahren." Das Dilemma ist nicht zu lösen, aber es ist offensichtlich, dass niemand im Sinn hat uns einen Piloten an Bord zu setzen, um uns durch den Vorhafen zu schleusen. "Augen zu und durch" sagen wir uns, und "wer viel fragt, kriegt viel Antwort". Wir fahren schnurstracks zum Einklarierungssteg, erledigen den Papierkram, lassen Pagena ordnungsgemäß inspizieren und machen uns wieder vom Acker – ohne Ausnahmegenehmigung versteht sich.

 

Um auf den Bildschirmen der Grenzkontrolleure nicht aufzufallen, schalten wir das AIS nicht ein. Es fühlt sich etwas komisch an, Pagenas Position auf der elektronischen Seekarte nicht zu sehen, und auch kein anderes Schiff, zumal an diesem Morgen dicker Nebel herrscht. Aber früher ging das ja auch und navigatorisch ist die Durchquerung der Juan de Fuca Straße von Victoria nach Port Angeles einfach. Das Radar zeigt potentielle Hindernisse ja an. Dass allerdings ein schnell fahrendes Schiff, das sich uns von der Seite her nähert, erst auf dem Radarbildschirm auftaucht, wenn es schon fast zu spät ist, wird uns schlagartig klar, als ein Pilotboot in hoher Geschwindigkeit auf uns zugerast kommt und ein Pilot uns wild in eine Richtung deutend zuruft, dass sich von dort gerade ein großes Schiff direkt auf uns zubewegt. Rasch ändern wir den Kurs und Minuten später schon taucht der massive Körper eines Kreuzfahrers dicht vor unserem Bug auf. Gleich darauf schluckt ihn der Nebel wieder. "Mann, das hätte schief gehen können! Komm, wir pfeifen auf 300 Dollar, wir machen das AIS sofort an. Wofür haben wir das Gerät denn an Bord, wenn wir es in stark befahrenen Seegebieten wie diesem nicht nutzen? Wie konnten die Seefahrer früher nur ohne AIS auskommen?" sagen bzw. fragen wir uns.

 

Wie vermutet interessiert sich im Hafen von Port Angeles niemand für uns und wir erreichen den Steg von Customs and Immigration direkt hinter der Einfahrt in den Haupthafen ohne Probleme. Während wir dort auf die Ankunft des Inspekteurs warten, werden wir aber nochmal nervös. Direkt vor der Hafeneinfahrt postiert sich ein Coast Guard Schiff. Minutenlang steht es regungslos mitten in der Hafeneinfahrt, wie eine Katze, die ein Mauseloch beobachtet. Uns beschleicht das unangenehme Gefühl, dass wir die Maus sein könnten. Als wir kapieren, dass das Schiff nur geduldig darauf wartet, dass ein Anlegeplatz an der Tankstelle frei wird, die gleich um die Ecke rum liegt, fällt uns ein Stein vom Herzen.

 

Dem Inspekteur von Customs und Border Protection sind wir ein beunruhigendes Rätsel. Es kommen nicht viele ausländische Segler in Port Angeles an, die vorher schon in zwei anderen US Bundesstaaten waren und jetzt, nach der Durchquerung Kanadas, wieder einreisen wollen. Diesmal allerdings nicht in einen abgelegenen US-Inselstaat, sondern auf dem Festland. Auf dem armen Beamten lastet die Bürde, sein Vaterland vor allem Ungemach zu schützen, das wir einschleppen könnten. Aber eigentlich hätten das seine Kollegen in Hawaii und Alaska ja auch schon tun müssen. Ganz genau will er wissen, wie wir dort inspiziert worden sind. Er lässt sich alle Schapps in der Pantry und im Salon zeigen und konfisziert den nicht mehr original verpackten Reis. Mehr Bedenkliches findet er bei der ersten Inspektion nicht. Während wir am Customs and Immigration Steg darauf warten, dass das Coast Guard Schiff die Tankstelle räumt, damit auch wir tanken können, kommt der Beamte unerwartet nochmal zurück. Er hat sich in der Zwischenzeit im Büro schlau gemacht und kommt dieses Mal, um die Wildschwein-Pastete aus Frankreich und die beiden Gläser Jagdwurst aus Deutschland, die er gesehen hat, einzuziehen. Wir protestieren "aber das ist doch Schweinefleisch, das ausdrücklich eingeführt werden darf." Verboten ist offiziell nur die Einfuhr von Rindfleisch, Lamm und Geflügel (und natürlich Eier, Milchprodukte, Zitrusfrüchte,...). "Ja schon, aber in Deutschland gibt es Schweinepest, darüber habe ich mich eben nochmal schlau gemacht. Deshalb dürfen Sie kein aus Europa stammendes Schweinefleisch einführen" erwidert er. Wir sind sicher, dass auch ihm klar ist, dass aus unseren Gläschen keine Schweinepest entweichen und die amerikanischen Mastbestände infizieren kann. Bestimmt wird er sich eines nach dem anderen selbst munden lassen, genau wie wir es eigentlich auch vorhatten. Andererseits: Mit ein paar hundert Gramm Reis und drei Gläschen Kochwurst sind wir doch gut davon gekommen. Tief in der Bilge verbuddelt liegt noch genug Jagdwurst, nur Wildschweinpastete gibt es jetzt leider keine mehr.

Der Schatz von Neah Bay

Von Port Angeles aus motoren wir nach Neah Bay, der letzten amerikanischen Siedlung auf der Olympischen Halbinsel, bevor die Juan de Fuca Strait in den Pazifik mündet. Neah Bay ist eine Siedlung im Reservat der Makah Indianer, die ein bemerkenswertes Museum beheimatet. 1970 legte ein schwerer Sturm die Reste der fünfhundert Jahre zuvor versunkene Makah-Siedlung Ozette in der Nähe von Neah Bay frei. Ein Erdrutsch hatte Ozette komplett im Schlamm versinken lassen. Der Schlamm war ein hervorragendes Konservierungsmittel. Elf Jahre lang legte die Universität Washington über 55.000 Fundstücke frei, einige davon sind über 2.000 Jahre alt. Es ist wirklich beeindruckend, was alles konserviert wurde und nun im Museum zu sehen ist: Handgedrehte Seile, aus Pflanzenfasern geflochtene Matten, aus Tierhaar gewebte Textilien, aus Holz und Knochen filigran geschnitzte und konstruierte Angelhaken und Harpunen, aus Baumstämmen gehöhlte Wal- und Robbenfangboote, aus Tierhäuten hergestellte Schwimmkörper und Behälter. Alles mindestens fünfhundert Jahre alt. Alle indianischen Kulturzeugnisse, die die weißen Eroberer bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit Absicht vernichteten, kamen in Ozette vom Schlamm geschwärzt wieder ans Tageslicht. Es wurde offensichtlich, dass die Makah über Gegenstände verfügten, für deren Herstellung sie nicht die geeigneten Techniken besaßen. Sie mussten also Handel betrieben haben, z.B. mit den Eskimos. Für solche und ähnliche Schlussfolgerungen sind die Funde von Ozette unschätzbar wertvoll. Auch wir freuen uns über die unerwartete Entdeckung auf diesem abgelegenen Landzipfel.

 

Zwar hatten uns schon die Exponate indianischer Kultur im Museum of Anthropology in Vancouver beeindruckt. Aber dort war uns aufgefallen, dass bei keinem der Exponate ein Datum stand. Im Gegenteil, bei genauerem Nachlesen stellte sich heraus, dass eine Reihe der Schnitzereien von einem talentierten indianischen Künstler extra für das Museum hergestellt worden waren. Wir fanden es etwas merkwürdig, so wenig Einblick in die historische Indianer-Kultur zu bekommen. Hier in Neah Bay begreifen wir, dass wirklich kaum noch historische Artefakte indianischer Kultur erhalten sind, so dass das MOA sich anderweitig behelfen musste. In diesem Licht betrachtet, müssten die Funde von Ozette eigentlich einem viel größeren Publikum als den wenigen Besuchern von Neah Bay zugänglich gemacht werden. Aber noch wichtiger ist wahrscheinlich, dass die Makah selbst anhand der Funde die Fertigkeiten ihrer Ahnen wiederentdecken. Wie dem auch sei: Wer sich leidenschaftlich für indianische Kultur interessiert, muss das Makah Museum in Neah Bay mit seinen einmaligen Funden besuchen!

 

Fünf Minuten bevor wir den Anlegesteg des Hafens verlassen, um eine letzte Nacht im Vorhafen zu ankern, bekommen wir Besuch von Andrew von der kanadischen SY Maiatla. Auch er will mit seiner zweiköpfigen Crew von Neah Bay aus nach San Francisco segeln. Schnell tauschen wir Kontaktdaten aus und verabreden, per Funk in Verbindung zu bleiben, sofern das möglich ist.

Oregons berüchtigte Küste: ein zahmes Biest

Am nächsten Morgen verlassen wir ca. eine halbe Stunde hinter Maiatla Neah Bay. Maiatla ist 5 Meter länger als Pagena und läuft daher schneller, nach wenigen Stunden ist sie am Horizont verschwunden. Nach den ersten paar Stunden unter Motor stellt sich vor der Küste schöner Segelwind ein, der drei Tage lang anhält. Alle nordamerikanischen Segler haben uns vor Oregons gefährlicher Küste gewarnt. Bei Westwind prallt die Wucht des Seegangs dort auf eine fast kerzengerade Küste und es bilden sich übelste Grundseen. Die US Coast Guard nutzt die Küste Oregons, um dort mit ausgemusterten Schiffen Durchkentern zu üben. Heißen Achterbahnen auf Englisch nicht "roller-coaster"...?

 

Im Herbst und Winter werden die Häfen Oregons oft wochenlang geschlossen, kein Schiff kann sie verlassen. Keinesfalls sollen wir einen dieser Häfen anlaufen, wird uns von befreundeten Seglern eingebläut. Da wir ohnehin weit draußen auf See, ca. 100 Meilen vor der Küste mit den besten Strömungsbedingungen rechnen, haben wir das auch gar nicht im Sinn. Tatsächlich bekommen wir auf unserer Kurslinie vom Kalifornien-Strom einen zusätzlichen Knoten Fahrt über Grund und kommen flott Richtung Süden voran. Nach drei Tagen auf See stellen wir erstaunt fest, dass wir Maiatla überholt haben. Die Position, die Andrew beim abendlichen Rollcall des Pacific Seafarer-Nets durchgibt, liegt deutlich hinter uns. Unsere Strategie, weit von der Küste entfernt zu segeln, scheint sich ausgezahlt zu haben. Mittlerweile ist der Wind leider weg. Doch der Pazifik präsentiert sich spiegelglatt und ist so durchsichtig, dass sogar das Motoren einigermaßen Spaß macht. Denn wir bekommen Besuch von pfeilschnellen Zwergwalen und von Delfinen, von denen wir durch das glasklare Wasser hindurch ein paar tolle Fotos schießen.

 

Maiatla will wie wir, bevor wir die Golden Gate Bridge, das Tor zur weitläufigen Bucht von San Francisco anlaufen, in Drakes Bay bei Point Reyes ankern. Bekannte aus der Bay Area hatten uns diesen Stopp wärmstens ans Herz gelegt und die Bedingungen sind gut, da die See nach wie vor sehr ruhig ist. Eigentlich wollen wir nur ca. drei Stunden lang einen Ausflug in den Nationalpark machen und dann weiter fahren. Aber Drakes Bay gefällt uns so gut, dass wir spontan den ganzen Tag dort verbringen. Von den Klippen herunter gibt es an mehreren unzugänglichen Stränden Seeelefanten zu sehen, eine große Robbenart mit rüsselartiger Schnauze und auf der Landspitze wandern wenig scheue Hirsche und Rehe durchs hohe trockene Gras. Über den Klippen, die zum Leuchtturm führen, gleiten Adler, Geier und seltene Falken. Letzteres erfahren wir von einer Gruppe Ornithologen, die mit riesigen Ferngläsern zum Leuchtturm gefahren sind und uns auch mal durchschauen lassen. Nachmittags treffen wir Andrew mit seiner Crew auf einem Fußweg des Nationalparks. Wir sind zu müde für ein gemeinsames Bier am Abend, aber wir verabreden, am nächsten Tag gemeinsam nach San Francisco zu segeln, um unterwegs gegenseitig Fotos von unseren Schiffen unter Segeln zu machen.

Die Golden Gate: Wahrlich ein Hot Spot, nicht nur für Fotografen

Tags darauf haben wir super Wind, um die letzten 30 Meilen bis zur Golden Gate zu segeln. Der Tag beginnt leicht dunstig, beschert uns letztlich aber Sonne. Maiatla und Pagena bleiben dicht zusammen, auf beiden Schiffen wird Foto um Foto geschossen. Als der Wind schwächer wird, setzen wir den Genacker als Vorsegel. Kurs und Windstärke sind perfekt dafür geeignet und der große rote Blister ist unser fotogenstes Segel. Andrew lässt sich nicht lumpen und holt prompt seinen bunten Spinnacker raus. Allerdings kommt Maiatla anschließend kein einziges Mal wieder leicht schräg vor Pagena, so dass Andrew und seine Crew kein einziges Bild aus der Perspektive machen, die wir uns eigentlich wünschen. Obwohl wir die Manöver über Funk abstimmen, gelingt es uns nicht, Pagena hinter Maiatla zu bringen. Dann fällt Maiatla auf einmal weit hinter Pagena zurück. Wir kommen der betonnten Zufahrt zur Golden Gate immer näher und Maiatla hat mindestens eine halbe Stunde Abstand. "Was machen die denn nur", fragen wir uns. "Wenn die so weit hinter uns sind wird das nichts mit Fotos von Pagena unter der Golden Gate". Wir nehmen den Genacker runter um langsamer zu werden und kreuzen schließlich vor der Brücke auf und ab, so dass Maiatla aufschließen kann. Als sie endlich ankommt erfahren wir, dass Andrew, Al und Marina Probleme hatten den Spi zu bergen, daher die Verspätung. Mittlerweile ist es schon später Nachmittag und am Südufer der Brücke zieht ein dickes dunkles Wolkenband auf. Die leuchtenden Farben des Nachmittags werden von den stumpfen Farben des frühen Abends abgelöst. Schade, wir waren sehr nah dran, aber unsere erträumten Fotos von Pagena unter der leuchtend roten Brücke bekommen wir letztlich nicht. Direkt nach der Brücke zieht Maiatla an uns vorbei. Andrew will rechts nach in die Marina Pier 39 mitten in San Francisco abbiegen, wir wollen links nach Richardson Bay vor Sausalito, wo man kostenlos ankern kann. Kaum haben wir uns Abschiedsgrüße zugerufen, fährt eine kräftige Bö Pagena ins Segel. Dann noch eine, und noch eine und noch eine. Gischt spritzt über die Reling und Pagena läuft, völlig übertakelt immer wieder aus dem Ruder. Die Dirk löst sich und fliegt wild im Wind umher. Ich kann sie einfangen, befestige sie aber nicht gut genug fest, sie reißt sich wieder los. "Scheiße, so macht Segeln keinen Spaß! Und ankern an einem unbekannten Ort erst recht nicht" Bei diesem Wind das Großsegel bergen wäre abenteuerlich und so wie der Wind genau ins Ankerfeld reinpfeift, wäre Richardson Bay heute wahrscheinlich kein gemütlicher Liegeplatz für die Nacht. Zum Glück habe ich alle Ankerplätze der San Francisco Bay im Kopf und weiß, dass wir es noch vor Einbruch der Dunkelheit schaffen können, in die nahe gelegene Ayala Cove zu kommen, der einzigen in allen Wetterlagen geschützten Bucht. Wir sind schon am Fähranleger von Sausalito vorbei als Joachim Pagena wendet und Kurs auf Ayala Cove nimmt. Dort muss man zwar eine kostenpflichtige Boje nehmen, aber das spielt jetzt keine Rolle. Bis wir Ayala Cove eine Stunde später erreichen, ist der Spuk schon wieder vorbei und wir finden dort erholsamen Schlaf nach dem ereignisreichen Tag.

 

Früh morgens fahren wir zurück nach Richardson Bay, aber es gefällt uns dort nicht. Es liegen so viele verranzte Boote rum, wer weiß, was das für Nachbarn sind. "Komm, wir fahren doch nach Alameda, wie es Michael es uns empfohlen hat, ich habe hier kein gutes Gefühl" sage ich und Joachim stimmt zu. Auf dem Weg nach Alameda kommen wir direkt an Pier 39 vorbei. "Mensch, da liegt doch Maiatla. Wenn wir auch in diese Marina gehen würden, könnten wir in aller Ruhe die Fotos austauschen und lägen außerdem schön zentral mitten in San Francisco. Mal sehen, was das kostet" räsonieren wir. Als wir einlaufen stehen Andrew und seine Freunde zufällig gerade auf der Pier und winken uns erfreut rein. Wir bleiben zwei Nächte und genießen es, Andrew und seine Crew näher kennen zu lernen und zu Fuß die Stadt erkunden zu können. Die Marina ist zwar teurer als andere, dafür müssen wir aber kein Geld für Verkehrsmittel ausgeben. Außerdem gewinnen wir in Andrew einen neuen Freund und wir lernen zufällig Howell kennen.

Howell, einer der vielen liebenswürdigen Amerikaner, denen wir begegnen

Howell ist ein charmanter 75jähriger Herr, der auf seinem Schiff in Pier 39 lebt und uns mit tadellosem Deutsch überrascht. Er hat einige Jahre in München gewohnt. Als er hört, dass wir in Kürze für ein paar Tage in den Yosemite Park fahren wollen und zweifeln, ob Pagena in Richardson Bay gut aufgehoben wäre, aber auch nicht gerne Geld für einen Liegeplatz in einer Marina ausgeben mögen, bietet er Hilfe an. Sein Boot habe lange in Sausalito gelegen und er sähe keinen Grund, warum Richardson Bay nicht sicher für uns sein solle. Ein Platz an einer Boje wäre sicherer als ankern und weniger teuer als eine Marina. "Ich muss sowieso morgen früh nach Sausalito fahren, wir könnten zusammen die Yachtclubs und den Hafenmeister abklappern um eine Boje für Euch zu finden", schlägt er vor. Gesagt, getan. Nach zig Telefonaten und Gesprächen, die Howell für uns führt, landen wir schließlich im gut versteckten Büro von Sausalitos Hafenmeister, der tatsächlich eine freie Mooringboje hat. "Eigentlich kostet die 5 Dollar pro Nacht, aber wenn Ihr nur eine gute Woche bleibt, kann ich sie Euch umsonst geben" bekommen wir erfreut zu hören. Der Hafenmeister mag offensichtlich Fahrtensegler. Er wirft sicher auch einen Blick auf Pagena, wenn wir ein paar Tage nicht an Bord sind.

 

Bei Howell können wir uns für die Vermittlung anschließend direkt mit Hilfe unsererseits bedanken. Er wollte nämlich über Sausalito nach Richmond fahren, um dort eine lange Edelstahlstange abzuholen, die die neue Seereling für sein Boot werden soll. Die Stange passt allerdings nicht in seinen alten Jaguar. Da wir nun zu Dritt unterwegs sind, wird die Stange am einen Ende einfach in einen Lappen gewickelt vorne in die Kerbe zwischen Motorhaube und Kotflügel gelegt und Joachim bekommt den Auftrag, das andere Ende aus dem offenen Fenster heraus festzuhalten. Eine pragmatische Lösung für den etwa halbstündigen Transport. Schließlich tragen wir Howell die Stange noch vom Parkhaus zum Schiff, durch die Touristenhorden hindurch, die Pier 39 besuchen um hier shoppen zu gehen und die Seelöwen-Kolonie zu besichtigen, die einen Teil der Marina okkupiert. Alleine hätte Howell die Stange nicht aufs Schiff bekommen.

 

Mittlerweile, nachdem wir uns etwas besser kennen, erzählt er, warum er so gut Deutsch spricht. Nach Abschluss seines Studiums wurde er von der Armee rekrutiert und ausgebildet um Spione anzuwerben, die den Amerikanern Informationen über Ostdeutschland verschaffen konnten. Früher habe er das natürlich geheim halten müssen, aber jetzt sei das alles so lange her, dass er darüber reden könne. Überhaupt hat Howell viele interessante und amüsante Geschichten zu erzählen, wir mögen ihn. Auf seiner Visitenkarte steht "Autor und Produzent" und in der Tat hat Howell eine ganze Menge Projekte am Laufen.

 

Seine Hilfsbereitschaft ist mit der Boje noch nicht am Ende. Auf unsere Frage hin, ob er einen guten Mechaniker für unseren Motor kenne, der den alten Volvo gründlich inspizieren und warten kann, ruft er sofort seinen Freund Nels an. Der wohnt in der Nähe von Sausalito und ist ein hervorragender Kenner von Bootsmotoren, erzählt Howell. Beim ersten Telefonat will Nels keine Hilfe zusagen, er ist etwas krank. Aber Howell bleibt am Ball und überredet Nels schließlich, sich mit uns zu treffen bevor wir in den Yosemite Park aufbrechen. Nels ist schon 78 Jahre alt und leicht gehbehindert, aber ansonsten noch top fit. Joachim schildert ihm unseren merklich gestiegenen Spritverbrauch, seit er die Motorprobleme in Sitka behoben hat, und Nels stimmt ihm zu, dass wahrscheinlich etwas mit den Einspritzdüsen nicht stimmt, außerdem müssen die Ventile neu eingestellt und ein paar Dichtungen erneuert werden. Die leckende Wasserpumpe kann bei dieser Gelegenheit gleich mit ausgetauscht werden. Die Wartezeit, bis die Ersatzteile eintreffen, bietet sich für uns geradezu für einen Ausflug in Kaliforniens beliebtesten Nationalpark an.

Treffen mit Freunden im Yosemite Park

Zufällig sind nämlich gerade Freunde aus Deutschland in San Francisco eingetroffen, die für ein paar Tage mit einem Wohnmobil in den Yosemite Park fahren wollen. Wir können bei ihnen im Camper übernachten, das ist klasse. Da wir alle das erste Mal in den Nationalpark fahren, verabreden wir nur einen vagen Treffpunkt. Steffens Recherchen zufolge werden unsere Handys im Park funktionieren, so dass wir uns finden können. In der Praxis ist das dann doch mit mehr Schwierigkeiten verbunden, als wir dachten. Steffens SMSe erreichen uns verspätet und unbemerkt, daher fangen Joachim und ich an, die wenigen um diese Jahreszeit noch geöffneten Campingplätze systematisch abzufahren, um unsere Freunde vor Einbruch der Dunkelheit zu finden. Ohne Erfolg. Als wir gerade etwas ratlos auf dem zentralen Besucherparkplatz stehen und überlegen, wo wir ihnen eine Nachricht hinterlassen können, die Chancen hat, gefunden zu werden, erreicht uns ein Anruf Steffens. Er kommt in ein paar Minuten ebenfalls auf dem Parkplatz, alles wird gut. Na ja, fast alles. Sein amerikanischer Kumpel, der schon zigmal im Yosemite Park war, hatte ihm nämlich gesagt, dass man um diese Jahreszeit keinen Stellplatz mehr reservieren müsse. Früher war das vielleicht so, aber heute ist es anders. Man muss in jedem Fall online einen Stellplatz reservieren und das geht nur ab dem Folgetag. Steffens Kumpel reserviert uns von zuhause aus also schnell noch einen Stellplatz für die kommende Nacht, aber diese Nacht müssen wir irgendeine halblegale Lösung finden. "Sollen wir einfach auf dem großen Parkplatz übernachten?", fragen wir uns. "Besser nicht, es stehen doch überall Schilder, dass das todesverboten ist und es ist so einfach zu kontrollieren." "Wie wäre es, wenn wir bei Leuten, die nur ein Zelt dabei haben fragen, ob wir uns dazustellen dürfen?" Schließlich entscheiden wir, uns einfach auf den ab morgen reservierten Platz zu stellen und zu hoffen, dass nicht spät abends noch jemand von einem Ausflug zurückkommt, der ihn für heute Nacht gemietet hat. Die Rechnung geht auf, na also, alles ist gut.

 

Es ist schön mit Steffen, Anja und ihrer zehnjährigen Tochter Julie zu campen. Im Yosemite Park ist Saisonende, in Kürze setzen in den Höhenlagen die ersten Schneefälle ein, aber tagsüber wird es noch angenehm warm. Mit unserem Mietwagen unternehmen wir zu fünft Ausflüge zum Glacier Point, zum Sentinel Dome und zur Mariposa Grove. Die Rundum-Aussicht vom Sentinel Dome ist toll und die Baumriesen der Mariposa Grove gefallen selbst Julie. Die beiden Stars des Yosemite Parks, die Granit-Felsmonolithen "El Capitan" und "Half Dome", die durch die Fotos von Anselm Adams und durch spektakuläre Kletterrouten berühmt geworden sind, sind so zentral gelegen, dass man sie von fast überall im Valley aus unterschiedlichen Perspektiven sehen kann. Die Szenerie im Yosemite Valley ist wirklich grandios.

 

Als Anja, Steffen und Julie nach zwei Nächten aufbrechen, um noch mehr von Kalifornien zu sehen und um Julies Geburtstagsgeschenk, einen Besuch in Disney World in der Nähe von LA einzulösen, bekommen Joachim und ich Gesellschaft von Michael, unserem amerikanischen Seglerfreund, den wir schon in Hawaii und Alaska mehrfach getroffen haben und der mindestens ebenso hilfsbereit und gastfreundlich ist wie Howell. Michael kommt seit Jahrzehnten regelmäßig zum Klettern in den Yosemite Park. Dank ihm entdecken wir den "El Cap" aus der Perspektive der Kletterer. Michael führt uns zu einer Stelle am Fuß des Felsens, wo einige Kletterrouten beginnen. Die fast 1.100 Meter hohe Felswand erhebt sich neben unseren Füßen senkrecht aus dem Boden. Der El Capitan ist der größte freistehende Granit-Monolith der Welt. Als wir die riesige, in der Sonne leuchtende Felswand über uns aufmerksam mit dem Fernglas betrachten, entdecken wir viele kleine Punkte auf der Wand. "Schau mal, da ist einer." "Wo? Ja, jetzt sehe ich ihn auch." "Da drüben, da sind noch zwei, und sieh mal in der Nähe der dunklen Ader da, da sind auch noch welche." Alle kleinen Punkte sind Kletterer, die den El Cap auf verschiedenen Routen bezwingen wollen. Die schnellsten und besten haben es in weniger als einem Tag geschafft, die meisten Kletterer müssen allerdings mehrfach in der Felswand übernachten, klärt uns Michael auf. Und wenn sie oben sind beginnt ein qualvoller Abstieg, denn es gibt keinen bequemen Weg zurück ins Camp. Die müssen verrückt sein so was zu machen– aber das denken andere von uns auch... Auf den über 1.400 Meter hohen Half Dome rauf gäbe es einen knapp 14 km langen Wanderweg, dessen letzte 120 Meter man an einem Stahlseil entlang geht, aber wir machen diese Wanderung nicht.

Mitten im Nichts entdecken wir Lake Convict und Bodie in der Sierra Nevada

Als wir genug vom El Capitan gesehen haben, packt uns Michael in sein Auto und durchquert mit uns auf der Tioga Road den Nationalpark, so dass wir auch noch die in Herbstfarben leuchtenden Tuolumne Wiesenebene zu sehen bekommen. Am östlichen Ausgang des Parks erreichen wir die Vorläufer der Sierra Nevada, die er uns auch gerne zeigen möchte. Hier kommt Michael im Winter gerne für Skitouren her. Das ist schwer vorstellbar, denn um uns herum ist viel Landschaft, aber nirgends ein Haus. Michael selbst betont immer wieder, dass sein Heimatland riesig ist und dass wir in Europa nirgends so wenig besiedelte Flächen hätten. Wir glauben zwar, dass er überrascht wäre, Skandinavien zu entdecken und wahrscheinlich auch von den Pyrenäen (die wir selbst nur vom Hörensagen kennen), aber es stimmt schon, hier ist einfach nichts. Noch nicht mal Bäume wachsen hier, allenfalls etwas mageres Gras oder mickriges trockenes Gestrüpp. Nur wo Wasser ist, entlang eines Flusses oder Sees, stehen Bäume, meist Espen, die in der Herbstsonne in herrlichem Gelb-Orange leuchten. Wir bitten Micheal mit uns zu solchen Bäumen zu fahren. Der Spaziergang rund um den Convict Lake, den er daraufhin ansteuert, beschert uns tolle Aussichten und jede Menge schöner Fotos.

 

Michael hat zwei Zelte mitgebracht, ein winziges für sich selbst und ein bequemes Iglu-Zelt für uns beide, samt fetten Isotherm-Matten und warmen Daunenschlafsäcken. In der Nähe vom Skigebiet Mammoth Mountains schlagen wir auf einem Campingplatz die Zelte auf. Beim Abendessen liefern wir uns eine hitzige Diskussion über Vor- und Nachteile amerikanischer und europäischer Technik – echt spaßig und lehrreich.

 

Anderntags will Michael uns unbedingt Bodie zeigen, eine Geisterstadt. Anfangs sind wir nicht sehr begeistert von diesem Plan. Die Geisterstädte, die wir kennen, fanden wir bislang ziemlich langweilig. Das mag was für Kinder sein, aber für uns? Doch Michael besteht darauf, dass wir so etwas wie Bodie noch nicht gesehen haben können und er behält Recht. Obwohl nur noch 5% der ursprünglichen Gebäude stehen, finden wir Bodie letztlich doch sehenswert. Auf dem weitläufigen Gelände steht noch die Mine (das Minengelände ist allerdings für Besucher gesperrt) sowie ca. vier Dutzend Gebäude: das Schulhaus, die Post, ein Hotel, ein paar Bars und Saloons, die Feuerwache, das Sägewerk, ein Miederwaren-Geschäft, ein Kaufhaus, eine Bank, eine Tankstelle sowie Privathäuser. Die meisten Häuser sind aus Holz, einige auch aus Stein gebaut. Einige sind kurz davor zusammenzubrechen, andere stehen noch ganz gut da. Über das Gelände verteilt stehen verrostete Autos, Laster, Kutschen und diverse Maschinen rum.

 

Bodie war eine Minenstadt, in der Gold geschürft wurde. In den Minen wurden Reichtümer verdient, die Dollars in zahlreichen Saloons, Restaurants und Läden unters Volk gebracht oder in Spielhöllen gleich wieder verloren. In Bodie wurde hemmungslos gesoffen und geprügelt und Schießereien waren an der Tagesordnung. Bodie war weithin berüchtigt. Ein kleines Mädchen, das mit seiner Familie nach Bodie zog schrieb in ihr Tagebuch "Tschüss Gott, ich gehe nach Bodie". Das Tagebuch ist im Museum ausgestellt.

 

Bodie aufzubauen war harte Arbeit. Es gab hier im Westen nichts, alles musste erst einmal von der Ostküste hergeschafft werden – ohne Straßen, ohne Eisenbahn. Die Winter waren extrem kalt, die Sommer dagegen sehr heiß. Findige Ingenieure bauten sechzehn Meilen nördlich von Bodie das erste Wasserkraftwerk Amerikas. Die Leitung von der Turbine bis ins Umspannwerk in der Stadt wurde kerzengerade gelegt, da man sich damals noch nicht sicher war, ob Strom um die Ecke fließen könne. Im November 1892 wurde in Bodie der erste Motor über elektrische Fernkraftleitungen betrieben. Die Kunde über diese technische Errungenschaft verbreitete sich schnell rund um den Globus. Bald schon kamen Anfragen aus Rhodesien und Australien, wo man auch gerne ein solches Wasserkraftwerk haben wollte.

 

Bodie ist für uns eine Reise zurück in die Zeit der Besiedlung des Westens der USA durch Pioniere. Man vergisst heute allzu schnell, dass das noch gar nicht lange her ist. Bodies Boomzeit war von 1878 bis 1881. 1878 lebten zehntausend Menschen in der Minenstadt. Bis in die dreißiger oder vierziger Jahre hinein war Bodie noch spärlich bewohnt, seit 1962 ist die Stadt ein historisches Gesamtdenkmal (ein Historic State Park). Allerdings wird alles original belassen, nichts wird konserviert. Der Zahn der Zeit wird langsam weiter an Bodie nagen, aber im trockenen Klima Kaliforniens wird die Geisterstadt noch viele Besucher empfangen.

Napa / Sonoma Valley: Wo Wein wächst gedeiht Kultur

Als wir von unserem Ausflug in den Yosemite Park und die Sierra Nevada zurückkommen, nutzen wir die Gunst, einen Mietwagen zu haben, auch noch für einen Besuch des besten Weinbaugebiets der USA, das Napa / Sonoma Valley, das nur ca. 30 Meilen nördlich von Sausalito liegt. Aus unserem Reiseführer wissen wir, dass viele Weingüter Weinproben anbieten, die meisten lassen sich die Proben allerdings ganz ordentlich bezahlen. Da wir uns Weine aus dieser Gegend ohnehin nicht leisten können, sind wir vor allem vom Weingut Hess am Mount Veeder in Sonoma Valley angesprochen, das eine kostenlose Führung durchs Weingut selbst und durch die Sammlung moderner Kunst von Donald Hess anbietet.

Auf dem Weg zum Weingut kommen wir uns stellenweise vor wie in Südfrankreich. Eine kleine kurvige Straße führt durch ein romantisches Tal, in dem es vertraut riecht und die Bäume, die ihre Schatten auf die Straße werfen, sehen aus wie Steineichen. Als wir am Weingut ankommen, beginnt in der Tat fünf Minuten später eine Führung. Was wir dadurch über das Weingut Hess erfahren, gefällt uns sehr. Donald Hess, der heutige Besitzer ist ein millionenschwerer Schweizer Unternehmer, der nachhaltigen Weinbau betreibt. Die Lagen am Mount Veeder sind so steil, dass die Reben von Hand geerntet werden müssen. Nur 30% der Flächen, die Hess auf diesem Berg besitzt, sind mit Reben bepflanzt. Er hält es für wichtig, dass andere Pflanzen die Reben umgeben, damit die vielfältigen Aromen dieser Pflanzen die Aromen der Trauben bereichern können. Das Konzept scheint aufzugehen, denn die Hess Collection Winery zählt mittlerweile zu den am höchsten dekorierten Weinkellereien Kaliforniens.

Die Kunstsammlung ist ebenfalls beeindruckend. Donald Hess zeigt den Besuchern seines Weinguts hochkarätige Werke, die er von einigen der bekanntesten Künstlern der Moderne besitzt, darunter Francis Bacon, Frank Stella, Gerhard Richter, Georg Baselitz oder Anselm Kiefer, um nur einige zu nennen, die in namhaften Kunst-Museen auf der ganzen Welt ausgestellt werden. Was für ein tolles Weingut, was für ein beeindruckender Unternehmer!

Ankern im Wildtierpark Richardson Bay und Sausalitos Hausboote

Als wir von unseren Ausflügen zurückkehren, bleiben wir noch ein paar Tage an der Boje in Richardson Bay liegen, denn Nels soll ja noch kommen und Pagenas Motorprobleme lösen. Außerdem finden wir den Ankerplatz, jetzt bei gutem Wetter doch reizvoller als ursprünglich erwartet. Gar nicht satt sehen können wir uns an den vielen Pelikanen, die alle Nase lang ganz in unserer Nähe wie Pfeile, aber mit einem lauten Klatsch ins Wasser tauchen. Ausgiebig studieren wir die verschiedenen Flugphasen. Außer inmitten der Horde Pelikane und unzähligen Wasservögeln liegt Pagena offenbar im Schwimmbecken von drei kleinen Seehunden, die mit ihren großen glänzend schwarzen Knopfaugen immer mal neugierig aus dem Wasser lugen, Pagena aber nicht sehr nahe kommen. Dennoch freuen wir uns stets, wenn sie mal wieder auftauchen.

 

Die vergammelten Boote um uns herum, stören uns jetzt weniger als am Ankunftstag. Es gibt halt viele arme Gestalten, die sich das Leben an Land nicht mehr leisten können und die versuchen, auf einem noch mehr oder weniger schwimmfähigen Kahn auf dem Wasser ihr Leben zu fristen. Wir suchen ihre Gesellschaft nicht, finden sie aber auch nicht bedrohlich und grüßen sie stets freundlich, wenn wir uns auf dem Weg vom oder zum Landgang begegnen.

 

Richardson Bay liegt zwischen Sausalito im Westen und der Tiburon Halbinsel im Osten der Bucht, beides Wohngegenden für gut Betuchte. Sausalito beherbergt zudem die größte Hausboot-Kolonie der USA. Mehrere hundert Häuser stehen auf schwimmenden Plattformen, die über ausgedehnte Steganlagen miteinander verbunden sind. Baustile und Größe der Häuser sind sehr verschieden, die Hausbootsiedlung ist in jeder Hinsicht bunt gemischt. Eines Tages lesen wir ein Schild "Zu verkaufen. Heute Besichtigung." Gerne wollen wir so ein schwimmendes Heim mal von innen sehen, also gehen wir hin.

 

Es ist ein lindgrün gestrichenes Häuschen, das ca. 40 Jahre alt ist. Im Erdgeschoss besteht es aus einem großen Wohnzimmer mit offener Küchenecke und großer Fensterfront, die auf eine kleine schwimmende Terrasse hinausgeht sowie einem kleinen Zimmer mit Duschbad (eine grauenvolle Vollplastik-Kabine). Im ersten Stock liegt ein geräumiges Schlafzimmer, in dem ein großer Ikea-Schrank steht, ein schmuckes Badezimmer mit Whirlwanne sowie eine weitere Terrasse mit schöner Aussicht rüber nach Tiburon. Farblich ist das Häuschen hübsch und es ist schön hell darin. Aber die Bauqualität ist die eines extrem einfachen Ferienhäuschens. Die Böden sind mit PVC belegt, das Holz, das für den Innenausbau verwendet wurde, sind einfache, ungeschliffene Latten und Bretter, die dick lackiert wurden, die Fenster sind einfach verglast. Einige kann man noch nicht mal öffnen, ich frage mich, wie man die putzen soll. Die Elektrizität wurde laut der Maklerin erneuert, aber der vergammelte und abenteuerlich verdrahtete Kabelsalat, der im Sicherungskasten zu finden ist, sieht nicht danach aus. Das Häuschen soll sage und schreibe 400.000 USD kosten. "Sind die vollkommen verrückt?" fragen wir uns nach der Besichtigung – selbst wenn man dasselbe Hausboot neu bauen würde, kann das nicht annähernd so viel kosten. Und mit dem Kaufpreis ist man dann ja noch nicht fertig. Monatlich kommen nochmal 850 USD Liegegebühr hinzu, da ja kein "Grundstück" beim Haus dabei ist. Ob Strom und Wasser darin inklusive sind, oder ob die auch noch drauf kommen, haben wir vergessen. Aber ist es nicht erstaunlich, dass es Leute gibt, die so viel Geld für so wenig Wohnqualität bezahlen? Die Hausboote stehen eines direkt neben dem anderen und zwangsläufig bekommt der halbe Steg mit, ob man gerade zuhause ist, ob man Besuch hat, ob man... Soviel nachbarschaftliche Nähe muss man mögen.

 

Während unserer Besichtigungstour bekommen wir mit, wie eine Nachbarin der Maklerin, die selbst in der Hausboot-Siedlung wohnt, erzählt, dass sie überhaupt keine Lust hat, heute Abend zum Barbecue zu gehen. Die Maklerin rät ihr, dann doch einfach zuhause zu bleiben. Aber Wegbleiben, sich aus der Gemeinschaft ausklinken, geht in so einer Siedlung wohl nicht so einfach. Nee, nee – wir mögen es ja selbst, auf dem Wasser zu leben. Aber wie gut haben wir es doch im Vergleich zu diesen Leuten. Wir haben nicht annähernd so viel Platz und nicht annähernd so viel Komfort wie in einem Hausboot. Dafür haben wir aber meist ganz viel Platz ums Schiff herum und viel mehr Aussicht. Wir können uns unsere Nachbarn aussuchen und wenn es irgendwo nicht mehr gefällt, lichten wir einfach den Anker und fahren weiter. Ohne diese Möglichkeiten würden wir nicht auf dem Wasser wohnen wollen.

Auch SY Muktuk aus Österreich ankert vor Sausalito

An Sausalitos Ufer gibt es nur einen Steg in der Nähe unserer Boje, wo man ein Dingi legal anlanden und liegen lassen darf. Auf unserem Weg zu diesem Steg kommen wir jedes Mal an einer großen Stahlyacht mit österreichischer Flagge vorbei. Meist ist niemand auf dem Schiff zu sehen und meist haben wir an Land eine Verabredung oder wollen einen Bus erwischen, so dass wir nie anhalten. Als wir schließlich, nachdem wir von unseren ausgedehnten Ausflügen zurück sind, doch mal stundenlang Zeit haben, klopfen wir an um Hallo zu sagen. Wenn schon zwei deutschsprachige Boote so nahe beieinander liegen gehört sich das einfach. Freundlich werden wir mit den Worten begrüßt "Ah, Ihr seid's - die Eiligen! Servus, i bin da Koarl. Kommts an Bord, i hob groad aan Kaffee fertig."

 

Karl macht mit seiner Frau und den beiden ca. 6 und 8 Jahre alt

en Söhnen eine abenteuerliche Reise rund um den amerikanischen Kontinent. Letzten Sommer sind sie durch die Nord-West-Passage gefahren, überwintert haben sie in Sitka. "Wow, wie war das denn" wollen wir wissen. In Karls Beschreibung hört sich die ungewöhnliche Route gar nicht so abenteuerlich an, wie man immer denkt, wenn respektvoll von der Nord-West-Passage gesprochen wird. Laut Karl weht dort oben im Sommer kaum Wind. Man fährt unter Motor durch die Eislandschaft und hat ständig Zeitdruck im Nacken, um rechtzeitig durchzukommen, bevor die Pässe wieder zufrieren. So richtig Zeit, um die Umgebung zu genießen, habe man eigentlich nie. Ein Freund habe sich deshalb mit seinem Boot dort oben einfrieren lassen, erzählt er zu unserem grenzenlosen Erstaunen. Versorgen habe er sich in einem einige Meilen entfernt liegenden Eskimodorf können. "Total verrückt", finden wir. - Karl und seine Familie haben die Landschaft, die Tierwelt und die Einsamkeit des extremen Nordens ebenfalls gemocht. Jetzt haben sie keine Eile mehr, jetzt tuckert Muktuk gemütlich Richtung Lateinamerika. Wir würden uns freuen, wenn wir der netten Familie in Mexiko nochmal über den Weg liefen.

San Francisco - ein Phoenix aus der Asche, der regelmäßig im Nebel versinkt

Von unserem Ankerplatz aus sehen wir 9 km entfernt die Skyline San Franciscos liegen. Jedenfalls sehen wir sie, wenn sie nicht vom Nebel verschluckt wird. Ab und zu, vor allem morgens, herrscht dicke Suppe um uns herum, die selbst die Nachbarschiffe verschluckt und nur vom monotonen Hupen einer Heulboje durchdrungen wird. Gegen Mittag lichtet sich der Nebel meist, aber San Francisco ist bekannt dafür, oft nebelig zu sein. Von Sausalito aus gibt es einen Bus, der über die Golden Gate Bridge in die Stadt reinfährt - den nehmen wir, um ein wenig mehr Sightseeing in San Francisco zu unternehmen. Wir wollen mehr von den Cable Cars sehen, die Lombard Street mit ihren acht haarsträubenden Haarnadel-Kurven besichtigen, durch die schicken Wohnviertel in Russian Hill und Nob Hill spazieren und uns in Ruhe durch Chinatown treiben lassen.

 

San Francisco hat Flair. Stellenweise fühle ich mich an Paris erinnert, mit dem im wahrsten Sinne des Wortes "erheblichen" Unterschied, dass Paris flach ist, während San Francisco sich über viele richtig steile Hügel ausdehnt. Geographisch genau genommen überziehen San Franciscos 47 Quadrat-Meilen 43 Hügel. Durch San Francisco zu laufen ist anstrengend, obwohl der Touri-Führer das Gegenteil behauptet. Manche Straßen sind so steil, dass man sich fragt, wie Frauen, die Schuhe mit hohen Absätzen tragen, hier überhaupt laufen können. Geparkt wird stets quer zur Fahrtrichtung und schon das Aufhalten der bergseitigen Tür sieht nach Training für den Bizeps aus.

 

1873 konnte man mit dem ersten Cable Car die Hügel der Stadt erklimmen. Mit dieser Transporthilfe konnte man sie endlich auch bebauen, was bis dahin als unmöglich galt. Ende des 19. Jahrhunderts betrieben acht Firmen einundzwanzig verschiedene Cable Car Linien, das Streckennetz war gut 80 km lang. Das fatale Erdbeben von 1906 und der anschließende Großbrand zerstörten große Teile des Cable-Car-Systems und als die Stadt wieder aufgebaut wurde, wurden nur wenige Linien wieder in Betrieb genommen. Stattdessen wurden Straßenbahnen gebaut.

 

San Franciscos Chinatown wäre dem Erdbeben beinahe ebenfalls zum Opfer gefallen. Einigen Leuten war sehr daran gelegen, das stark zerstörte Stadtviertel endgültig auszulöschen. Ein findiger Geschäftsmann schlug aber vor Chinatown wieder aufzubauen, diesmal allerdings in Disneyland-Manier als Touristen-Magnet konzipiert. Anglo-amerikanische Architekten sollten die Gebäude mit Pagodendächern und drachengeschmückten Säulen entwerfen. Die Stadtväter witterten darin ein gutes Geschäft, dauerhaft gute Steuereinkommen und nahmen den Vorschlag an. San Franciscos Chinatown ist heute die älteste und eine der größten Chinatowns Nordamerikas. Ca. 10.000 der chinesisch-stämmigen Bevölkerung der Stadt leben hier und zum Einkaufen kommen nicht nur Touristen nach China-Town.

 

Interessant war auch von den "Paper Sons" zu lesen. Sämtliche Einwanderungspapiere der Stadt hatten sich im Feuer des Erdbebens in Rauch aufgelöst und viele Chinesen nutzen die Chance, sich einen amerikanischen Pass zu besorgen, indem sie behaupteten, ihr alter wäre im Feuer verbrannt. Damit wurden tausende Chinesen über Nacht zu legalen Amerikanern, ebenso wie viele ihrer Söhne in China, oder "Papier Söhne", falls sie nicht wirklich verwandt waren. Die Stadt versuchte dem durch ein Immigrationszentrum auf der vor der Stadt liegenden Insel Angel Island Einhalt zu gebieten, wo Immigranten über Wochen festgehalten, befragt und ihre Papiere überprüft wurden. Ca. 250.000 Chinesen überstanden die Prozedur und wurden US-Bürger.

 

In Chinatown werden wir von einem Chinesen angesprochen, der uns ein Restaurant empfehlen will. "Wir wollen eigentlich nur eine Kleinigkeit essen, etwas zum Mitnehmen, wir wollen nicht mehr als acht Dollar ausgeben" sagen wir ihm. "Kein Problem", erwidert er, "sind Dim Sum in Ordnung?". Er führt uns zwei Straßen weiter in einen Laden in dem alle Aushänge rein Chinesisch sind und bestellt eine Auswahl gefüllter chinesischer Teigtaschen für uns. Acht dicke Dim Sum kosten sechs Dollar und unser Guide möchte zwei für seine Dienstleistung. Wir finden das ein rundherum faires Geschäft und freuen uns über die exotische Mahlzeit, denn im Leben wären wir nicht ohne ihn zu diesem Essen gekommen.

 

Auf dem nahe gelegenen Portsmouth Square suchen wir uns eine Parkbank und versuchen während des Essens herauszuschmecken, womit die Dim Sum gefüllt sind. Im Park wird Yoga praktiziert, ein chinesisches Orchester spielt und alte Männer singen ellenlange Lieder dazu. Was für Chinesen Musik ist, ist für unsere Ohren schwer gewöhnungsbedürftig. Überhaupt ist vieles in dieser Welt sehr fremd. In der Stockton Street besuchen wir den im vierten Stock eines schmalen, unauffälligen Gebäudes gelegenen Kong Chow Tempel, in dem symbolische Geldgeschenke in einem großen Kaminofen verbrannt werden. Leider ist es verboten in dem fast ausschließlich mit roten Objekten vollgestopften Raum zu fotografieren, an dessen Ende, kaum sichtbar zwischen all den Opfergaben, Blumen, Lampions und mehr der Altar des Tempels steht. Die mit intensivem Duft von Räucherstäbchen gefüllte Luft ist ohnehin nur mit Worten zu beschreiben.

 

In einem Keller in der Nähe des Tempels entdecken wir die Ausstellung eines Fotoclubs. Als wir neugierig die Stufen herunter gehen, werden wir freundlich eingeladen hereinzukommen. Der chinesische Fotoclub aus San Francisco hat Aufnahmen mit einem Club in China getauscht. So bekommen wir eine kleine bildliche Vorstellung eines für uns in jeder Hinsicht fernen Landes. Die Foto-Amateure empfehlen uns ihr Land einmal zu besuchen, das wäre heutzutage gut möglich. China - das wäre auch noch einmal ein Reiseziel...

 

Apropos Fotografie: San Francisco hat eine vitale Kunstszene, die sicherlich Entdeckens wert wäre. Alleine, jedes Mal wenn wir in der Stadt sind, fehlt uns der Antrieb tatsächlich in eines der vielen Museen zu gehen. Auf dem Embarcadero, gegenüber von Pier 39 entdecken wir die Privatgalerie von Rodney Lough Jr., einem amerikanischen Fotografen, der grandiose Naturaufnahmen macht und diese in allen erdenklichen Formaten zum Kauf anbietet. Die Galerie ist riesig, sie hat das Format eines kleinen Museums. Einige der wandgroßen Abzüge gefallen uns mächtig. Zu unserer Begeisterung entdecken wir hier Fotos von mehr als einem Ort, den wir auf dieser Reise auch schon besucht haben. Schade nur, dass wir unsere Digitalfotos niemals in dieser Brillanz auch nur annähernd so groß abziehen können.

 

Auch für San Francisco gilt die alte Regel, dass wo Kunst ist, meist auch gut getafelt wird. San Francisco ist tatsächlich bekannt für besonders gute Küche und viele Restaurants locken Besucher wie Einheimische überall in der Stadt. Nach wie vor gehen wir aber so gut wie nie essen, Essen gehen schmälert unser Reisebudget einfach zu sehr. In North Beach landen wir jedoch zum Aufwärmen in einem italienischen Café und bekommen dort einen, selbst nach strengen italienischen Standards, perfekt zubereiteten Milchcafé serviert. San Francisco wird uns in diesem Augenblick noch ein bisschen sympathischer.

Zwei Kirchen, die uns zu denken geben

Unser Reiseführer bringt uns auf die Idee, die Grace Cathedral in Nob Hill zu besichtigen. Die episkopale Kathedrale birgt zum einen ein von Keith Haring gestaltetes Triptychon und zum anderen zwei Labyrinthe. Gehören Labyrinthe in eine Kirche, ist das nicht eher etwas aus der para-spirituellen Welt? Nein, in der Grace Cathedral erfahren wir, dass 22 von 80 im Mittelalter in Europa gebauten Kathedralen Labyrinthe hatten, das der Grace Cathedral ist eine Kopie des einzigen bis heute erhaltenen Labyrinths Europas, das der Kathedrale von Chartres in Frankreich. In Chartres stehen allerdings, außer zu besonderen Anlässen, immer Stühle darüber, so dass man es kaum bemerkt. Ein Labyrinth zu gehen soll einem zu innerer Einkehr verhelfen. Ich probiere es aus, in dem ich das im Freien neben der Kirche gelegene Labyrinth gehe, kann allerdings keinen Effekt auf meine innere Verfassung feststellen. Über die episkopale Kirche muss ich nachlesen, denn irgendwie scheint sie mit der katholischen Kirche verwandt zu sein, aber die episkopale Kirche San Franciscos hatte auch schon einen weiblichen Bischof und ist schwulen- und lesbenfreundlich. Das Tryptichon Keith Harings (Keith Haring ist der amerikanische Pop-Art Künstler, der mit seinen wimmeligen Strichmännchen-Bildern berühmt wurde) steht in einer kleinen Kapelle, in der auch Teile des AIDS Memorial Quilts ausgestellt sind. Eine Kirche, die Frauen Ordinariatsämter zugesteht und Homosexuelle anerkennt, erscheint uns angenehm liberal und fortschrittlich.

 

Erstaunt sind wir, als wir uns fragen, wie es sein kann, dass diese Kirche im gotischen Stil gebaut wurde, da sie ja kaum älter als hundert Jahre sein kann. Dann bemerken, dass sie gar nicht aus Stein, sondern aus Beton gebaut ist. Was für ein Wahnsinn, all die gotischen Stilelemente, die vielen filigranen Streben und Steinschnitzereien aus Beton zu gießen – wie immer das überhaupt geht. Kein Wunder, dass der Bau der Kathedrale 48 Jahre von 1928 bis 1964 in Anspruch nahm. Dass Beton das Material der Wahl war, um die Kirche erdbebensicher zu bauen, lassen wir uns ja noch gefallen. Aber warum wurde dann mit aller Macht versucht, den Beton wie Naturstein aussehen zu lassen? Zwischen den beiden Materialien liegen Welten. Und warum muss eine neuzeitliche Kirche aussehen wie eine gotische? Schließlich hat diese Kirche San Franciscos Merkmale, die bei einer echten gotischen Kirche undenkbar wären, z.B. eine Tiefgarage...

Ein paar Wochen später entdecken wir rein zufällig in Oakland die Cathe

dral of Christ the Light, die Kathedrale der katholischen Diözese von Oakland. Von außen wirkt sie mit ihrer ungewöhnlichen, fast runden Form aus Beton, Stahl, Holz und Glas und den sich nach oben hin verjüngenden, weit über das Dach hinausragenden Streben, wie ein modernes Museum. Als wir entdeckten, dass es sich um eine Kirche handelt, und welche architektonischen Finessen in diesem Gebäude stecken, sind wir total begeistert. Die Architektur dieser Kathedrale spricht die Sprache des 21. Jahrhunderts und ist gleichzeitig durch und durch mit jahrtausender alter Symbolik durchzogen. Jede verwendete Form, jede Flächenaufteilung und jede Anordnung einzelner Gegenstände hat Bedeutung und jede davon ist gut nachvollziehbar, als wir sie während einer Führung erklärt bekommen. Dieses Kathedrale ist das erste Gebäude das wir kennenlernen, dem es gelingt, eine über 2.000 Jahre alte Kultur mit modernen Stilmitteln in die Neuzeit zu übersetzen. Ein Gebäude, das für Zusammenkünfte von Menschen im Hier und Jetzt gebaut wurde, in dem "Gemeinschaft" sich nach mehr als einer Floskel anhört, das offen, transparent, lichtdurchflutet und einladend ist, ein Gebäude in dem der Geist zur Ruhe kommen und kontemplativ werden kann.

 

Neben dem eigentlichen Kirchengebäude und dem darunter gelegenen Mausoleum umfasst der Kathedralen-Komplex ein Veranstaltungszentrum, ein Café, eine medizinische Hilfsstation, einen Andenkenladen und den bischöflichen Wohnsitz. In San Francisco wirkte die Parkgarage unter der Grace Cathedral unpassend, hier in Oakland ist sie geradezu eine Notwendigkeit. Es würde den Rahmen dieses Reiseberichts sprengen, wenn wir die Details der Kathedrale von Oakland beschreiben würden, aber sie ist für uns eines der unerwartet entdeckten Highlights der Bay Area.

Oakland und Alameda: Wir brauchen Pause und gehen Tanzen

Nachdem unsere kostenfreie Zeit an der Boje in Richardson Bay abgelaufen ist, verlegen wir Pagena nach Alameda, in der East Bay gegenüber von Oakland gelegen. Im von Micheal wärmstens empfohlenen Marina Village Yachtharbor bekommen wir einen erstaunlich günstigen Liegeplatz, der es uns erlaubt, mal ein paar Wochen an einem Fleck zu verbringen. Der Herbst zieht endgültig auch in Kalifornien ein und es wird ganz schön frisch. Eine heiße Dusche zum Aufwärmen, unbegrenzter Strom vom Landanschluss und keine Gefahr, beim Übersetzen im Dingi an Land nass zu werden, sind genau das, was wir jetzt brauchen. Ein großer Supermarkt ist in Laufweite, Busse fahren alle Nase lang rüber nach Oakland und von dort aus gibt es eine Regional-Schnellbahn nach San Francisco und den gesamten Großraum der East Bay, was will man mehr.

 

Anja und Julie sind mittlerweile wieder nach Hause geflogen, aber Steffen ist noch immer beruflich in der Nähe und besucht uns noch zweimal am Wochenende. In Alameda liegt die U.S.S. Hornet, der Flugzeugträger der im Jahr 1969 die Crew der Apollo 11 nach der Rückkehr von der erfolgreichen Mondlandung aus dem Pazifik gefischt hat, den Steffen und Joachim sich anschauen gehen. Jetzt hat Steffen einen Mietwagen, das wird ausgenutzt, auch für Einkäufe. Steffen hat Glück. Bei seinem zweiten Besuch ist das Wetter geradezu perfekt für einen kleinen Segelausflug rüber nach Richardson Bay. In der Bay von San Francisco kann man prima Segeln. Die Wasserfläche ist groß genug und sie bekommt regelmäßig ordentlich Wind.

 

Als auch Steffen nach Deutschland zurückkehrt, erfüllen wir uns einen langgehegten Wunsch, wir gehen mal wieder Salsa tanzen. "Ob wir das überhaupt noch können?" San Francisco ist einer der drei Salsa Hotspots in den USA, mal sehen ob wir hier eine einigermaßen passable Figur machen können. In Alameda gibt ein Lokal, das donnerstags immer Salsamusik auflegt und eine Tanzfläche freiräumt. Das Fireside gefällt uns, die Musik die Donna auflegt ist gut und als José, ihr Partner wissen will, wo wir tanzen gelernt haben, wissen wir, dass es noch einigermaßen klappt, zumindest kubanisch. In San Francisco wird aber überwiegend auf der Linie getanzt. Um da wieder reinzukommen wären ein paar Tanzstunden nicht übel.

 

Wir landen schließlich bei Salsa with Juan in Oakland. Juan und Ruth, die Besitzer der Tanzschule betrachten die Tanzschüler als ihre Familie. Obwohl wir nur als durchreisende Gäste kommen, werden wir sofort herzlich aufgenommen und in den nächsten Wochen werden Ruth und Juan zu persönlichen Freunden, mit denen wir uns auch außerhalb der Tanzkurse treffen. Plötzlich führen wir ein ganz anderes Leben als sonst. An drei bis vier Abenden die Woche gehen wir Tanzen und tagsüber machen wir allerlei Recherchen und Erledigungen. Das einigermaßen geregelte Leben, das weniger als sonst vom Wetter abhängt, tut uns zur Abwechslung richtig gut.

 

Eigentlich müssten wir Anfang November aufbrechen und nach Los Angeles segeln, denn von dort aus haben wir Mitte November einen Flug nach Hause gebucht. Es gefällt uns aber so gut hier und alle Leute bestätigen unisono, dass LA viel teurer ist als die Bay Area, so dass wir letztlich entscheiden, noch ein paar Wochen hierzubleiben, Pagena in der unschlagbar günstigen Marina liegen zu lassen und auf dem Landweg nach LA zu reisen. Joachim gelingt es am Flughafen von Oakland einen Mietwagenverleiher aufzutreiben, der nur 35 Dollar für die Oneway-Fahrt nach LAX (Los Angeles Airport) verlangt. Als wir das Auto abholen wollen, gibt es allerdings ein kleines Problem. Der Mitarbeiter am Ausgabeschalter verlangt unsere Reisepässe. Die haben wir nicht dabei, die liegen auf dem Schiff. "Nein, Ihre ID-Karte reicht uns nicht, ich brauche Ihre Pässe" bekommen wir zu hören. Alles Jammern, dass wir drei verschiedene Busse nehmen mussten, um zum Flughafen zu kommen und vermutlich drei Stunden brauchen, um zurück zur Marina und wieder herzukommen, hilft nichts. Ohne Reisepass kein Auto. "So ein Mist, warum haben die das in ihrem Vertragsbestätigungs-Email nicht erwähnt" ärgern wir uns.

Los Angeles: Stippvisite in Venice Beach, Hollywood und Beverly Hills

Als wir aus Deutschland zurückkommen haben wir noch anderthalb Tage Zeit um uns Los Angeles und Umgebung anzusehen. Im Stadtteil Venice haben wir uns für zwei Nächte ein Privatzimmer gemietet, zufälligerweise bei einem sehr netten Deutschen unseres Alters aus Heilbronn und seiner kanadischen Freundin. Michael gibt uns viele Tipps, was wir uns anschauen sollen, darunter die Lobbies und Dachterrassen einiger Hotels. "Hotels sind die Schlösser der Vereinigten Staaten" erklärt er uns.

 

Wir beginnen mit Venice Beach, zu dem wir es von Michaels Haus aus nicht weit haben. Venice Beach ist ein gigantisch großer, picobello gepflegter Sandstrand, der sich über mehrere Meilen zieht, gesäumt von einer Promenade, die die üblichen Strandgeschäfte beherbergt. Venice Beach ist für die schrägen Paradiesvögel berühmt, die hier regelmäßig zum Schaulaufen herkommen. An einem Montagmorgen im Dezember sind allerdings nur wenige Leute auf der Promenade und am Strand unterwegs, die gestylten Bodybuilder, Rollschuhläufer und Hundeausführer liegen wahrscheinlich alle noch im Bett oder sind bei der Arbeit. Von Venice Beach aus fahren wir ins benachbarte Santa Monica, wo uns Michael den Besuch der Santa Monica Place Shopping Mall empfohlen hat. Das sei eine sehenswerte Outdoor Shopping Mall. Da uns zur Zeit jede Form von Shopping, die nichts mit Bootsteilen zu tun hat, ferner denn je im Leben liegt, wissen wir dort aber nichts mit uns anzufangen und fahren bald weiter zum berühmten Sunset Boulevard, der uns nach Beverly Hills bringt. Gerne hätten wir einen Abstecher zum Getty Center gemacht, aber das hat montags leider Ruhetag.

 

Obwohl man von den Villen der Superstars in Beverly Hills nichts sieht und wir ohnehin keine Ahnung haben, wer hier wohnt, fahren wir durch einige der Seitenstraßen und schauen uns diejenigen prachtvollen Häuser und Gärten an, die sich nicht hinter hohen Hecken oder in weitläufig umzäunten Parks verstecken. Wir sehen elegante bis protzige Villen, die Stilrichtungen reichen vom Schloss, das an der Loire stehen könnte, über Tudor-Stil bis hin zu modernen Flachdachvillen. Die Umgebung ist hügelig und schön grün. Überall sieht man Gärtner und Handwerker arbeiten, die meisten sehen aus wie Lateinamerikaner. Die Spaziergänger auf der Straße sind wohl eher Nannys, Köche und Angestellte als Hauseigentümer.

 

Nach ein paar Runden durch die Straßen haben wir genug von Beverly Hills gesehen und fahren weiter nach Hollywood. Das Zentrum Hollywoods präsentiert sich viel unspektakulärer als erwartet. Wenn nicht die berühmten Inschriften auf dem Walk-of-Fame unzweifelhaft bestätigen würden, dass wir jetzt in Hollywood sind, würden wir es nicht merken, der Straßenzug sieht ziemlich beliebig aus. Irgendwie hatten wir uns das Viertel eindrucksvoller vorgestellt. Eine Führung durch die Filmstudios interessiert uns nicht, daher gibt es in Hollywood nicht viel für uns zu sehen.

Pink’s Hot Dogs: Die teuersten Würstchen unseres Lebens!

Als wir Hunger bekommen, beschließen wir zu einer kulinarischen Institution LA's zu fahren, dem Pink's, wo es seit Jahrzehnten die besten Hot Dogs der Stadt geben soll. Joachim hatte sich vorgestellt, dass das Pink's, das es schon seit 1939 gibt, eines der klassischen, mit viel Chrom glänzenden kalifornischen Lokale wäre. Angesichts der gesichtslosen Straßenbude ist er ziemlich enttäuscht. Wir zögern, ob wir hier wirklich essen wollen und schauen uns die Bude mit ihren Plastik-Terrassenmöbeln im Hinterhof erst Mal aus der Nähe an. Die Auswahl verschiedener Hotdog-Varianten ist groß und die Beschreibungen der Kreationen sind blumig. "Also komm, bevor wir jetzt lange nach einer Alternative suchen probieren wir aus, warum Pink's Hot Dogs so berühmt geworden sind" sage ich. Leider beantwortet das Essen diese Frage nicht wirklich, was wir uns ausgesucht haben schmeckt nicht besonders. Richtig blass werden wir aber erst als wir wieder auf die Straße hinaustreten. Von unserem auf der anderen Seite der breiten Avenue geparkten Autos ist weit und breit keine Spur zu sehen. Wir fragen eine der Hotdog-Bräterinnen, ob dort drüben in den letzten Minuten ein Auto abgeschleppt wurde. "Ja, die haben da eins aufgeladen" bestätigt sie. Leider sehen wir erst jetzt die Schilder, die Pink's für die Kunden angebracht hat, die vor Abschleppen warnen und kostenlose Parkplätze auf dem Hof hinter der Bude anbieten. Obwohl kaum ein Auto auf der achtspurigen Straße zu sehen ist, darf auf der La Brae Avenue ab 16 Uhr nicht mehr geparkt werden. Es ist 16:12 Uhr und unser Auto ist schon weg.

 

Zum Glück kann uns die Dame auch sagen, wo die Autos hingeschleppt werden. Man kann hinlaufen – was im riesigen LA eine Seltenheit ist. Nachdem wir 229 Dollar an den Abschlepp-Unternehmer bezahlt und einen Strafzettel über weitere 163 Dollar in Empfang genommen haben, bekommen wir unseren Mietwagen wieder. Autsch, das war verdammt teuer! Hätten wir den Wagen nicht einfach in der Garage stehen lassen und uns einen neuen mieten sollen? Nach diesem Schreck sind wir durch mit LA, wir wollen nur noch in unsere Unterkunft und am nächsten Tag zurück nach Alameda.

Weihnachten in Alameda

Kurz nachdem wir zurück sind, gelingt es uns endlich, ein Treffen mit allen Segel-Freunden aus der Bay Area zu organisieren, mit denen wir zusammen in Kauai waren. Michaels Schiffe liegen ja ohnehin in derselben Marina wie Pagena, und nach zahlreichen Telefonaten, Emails und SMSen, ist endlich ein Termin gefunden, der Michael und Susan, Eric und Emmy, Tim und uns passt. Michael lädt uns, großzügig wie er ist, alle in den Oakland Yachtclub ein, wo wir fein essen, in Erinnerungen schwelgen, Fotos austauschen und eine winzige Auswahl unserer Reisefotos zeigen. Für Eric und Emmy ist es die erste Gelegenheit, ihr gerade erst erstandenes Auto zu fahren, um von Richmond aus nach Alameda zu kommen. Sie hatten lange kein Auto, da sie fünf Jahre lang im Pazifik segeln waren und zwischendurch in Alaska und auf Palmyra arbeiteten, wo sie keins brauchten. Tim kommt mit seinem ebenfalls gerade erst gekauften Motorboot von Sausalito aus rüber gefahren und bringt seine Tauchausrüstung mit. Er hat sich kürzlich als Taucher selbstständig gemacht und freut sich über jeden Auftrag. Wir sind froh, dass Tim für uns ins kalte Wasser steigt, um Pagenas Unterwasserschiff zu reinigen. Unser armes Schiff hat einen langen grünen Bart, der ihr gar nicht steht. Als Micheal von dieser Gelegenheit hört, schließt er sogleich einen Auftrag an, damit sich die Überfahrt für Tim auch wirklich lohnt. Dieser großartige Zusammenhalt der Fahrtensegler untereinander macht uns wir immer sprachlos. Wahrscheinlich ist er einer der Gründe, warum Fahrtensegeln süchtig macht.

 

Tag für Tag beobachten wir jetzt kritisch das Wettergeschehen zwischen San Francisco und LA. Sobald es geht, brechen wir auf und segeln weiter. Es zieht aber eine Front nach der anderen die Küste runter, die uns in Alameda festhält. Schließlich wird klar, dass wir Alameda vor Weihnachten nicht verlassen werden. Alameda ist ein hübsches Städtchen, dessen Straßenbild von viktorianischen Häusern geprägt wird. Die Thomson Avenue, eine ruhige Wohnstraße am nördlichen Ende der Stadt, verwandelt sich um diese Jahreszeit in "Christmas Lane" und wird zum Besuchermagnet. Fast alle Anwohner schmücken ihre Häuser und Gärten über und über mit Lichterketten und Weihnachts-Deko. Ein Hausbesitzer ist ein Computer-Freak, der riesige Freude daran hat, Light and Soundshows zu programmieren. Alle halbe Stunde startet die mit dem Soundtrack aus dem Film "Nightmare before Christmas" unterlegte Show neu mit der Frage "What's this?", die aus den im Garten aufgestellten Lautsprechern ertönt. Kurzzeitig erlöschen alle Lichter, um anschließend entsprechend des Tempos der Musik partiell zu- und wieder abgeschaltet zu werden oder im Takt zu blinken. Eine Wahnsinnsarbeit, das zu programmieren. Man kann die Christmas Lane zwar einen kitschigen Albtraum finden, doch wenn man in die glänzenden Augen der Kinder guckt, die mit ihren Eltern hier herkommen, weiß man, dass der Kitsch Freude macht. Die gute Laune der Besucher der Straße steckt auch uns an und versetzt uns in Weihnachtsstimmung.

 

Heiligabend nimmt uns Ruth mit zu einer Party, die sie mit ein paar ihrer Salsa-Schüler im Haus einer Freundin veranstaltet. Jeder bringt etwas zu Essen mit. Wir schwanken zwischen schwäbischen Spätzle und Vanille-Kipferln. Zwei Wichtelgeschenke müssen wir auch noch besorgen und Ruth will uns schon am Spätnachmittag abholen, da reicht die Zeit nur für eins von beiden. Da wir nicht so genau wissen, was es zu Essen geben wird und wie viele Leute kommen, entscheiden wir uns für die Vanille-Kipferl.

 

Zur Party kommen neun Leute, ein ziemlich internationaler Haufen. Die größte Gruppe stellen die Mexikaner, die mit vier Leuten vertreten sind – allerdings unterscheiden Mexikaner zwischen Einwanderern, die schon in den USA geboren sind und Einwanderern, die erst später nach USA kamen. Tania und Daniel machen den Eindruck zur ersten Gruppe zu gehören, Arturo und Enrique zur zweiten. Kenny ist ein gebürtiger Chinese, der aber schon ewig in den USA lebt und Jen und Filiz stammen von den Philippinen. Ruth hat als einzige keine Wurzeln in einer anderen Kultur. Ihr Partner Juan, der Guatemalteke ist, ist heute Abend nicht dabei, er ist zu seiner Familie nach LA gefahren. Es wird ein schöner Abend in netter Runde und bergeweise Leckereien auf dem Tisch. Es gibt super zarte Tri-Top Steaks mit grünem Spargel und hausgemachtem Kartoffelpüree sowie Salat. Jen bringt ein philippinisches Reisgericht mit Garnelen mit und Tania, Ruth und ich haben gebacken. Ich bin ein wenig stolz, als meine Vanillekipferl vor allen anderen Süßigkeiten restlos aufgegessen sind, obwohl die Konkurrenz groß ist. Als Höhepunkt des Abends zelebriert Daniel die Verlosung der Wichtelgeschenke. Es wird "White Elephant" gespielt, d.h. wem sein zugelostes Geschenk nicht gefällt, der darf es gegen das Geschenk eines anderen Mitspielers tauschen. Bis zuletzt ist also unsicher, ob man sein Los tatsächlich behalten wird oder doch etwas anderes bekommt. Echt lustig. Am begehrtesten ist ein Set zum Tomaten züchten, das mehrfach den Besitzer wechselt, wer hätte das gedacht. Wir gehen mit einer großen Schachtel Godiva Schokolade und einem USB-Kabel mit Leuchtdioden nach Hause. Dafür, dass wir auf dem Schiff keinen Platz für irgendwelchen Unfug haben, sind das richtig prima Geschenke. Uns gefällt unser ungewöhnliches, sehr fröhliches Weihnachtsfest sehr.

Wir schaffen den Absprung aus der Bay Area doch und segeln weiter gen Süden

Auch nach Weihnachten bleibt das Wetter an der Westküste noch launisch. Fast sind wir geneigt, auch noch Silvester in Alameda zu bleiben, aber dann tut sich kurz vor Jahresende ein Wetterfenster auf, das ein paar ruhige Tage für die Fahrt nach San Diego zu bringen scheint. "Wenn wir diese Chance nicht nutzen kommen wir hier nie weg", sagen wir uns. Außerdem sehnen wir uns nach mehr Wärme, auf dem Weg nach San Diego gibt es noch einiges zu besichtigen, San Diego selbst soll sehr schön sein und für die Baja California in Mexico möchten wir auch noch Zeit haben. Mehr als zwei Monate haben wir in der Bay Area zugebracht, als wir uns am 28. Dezember zum Aufbruch entschließen. Andrew von der SY Maiatla hatte gehofft uns in San Diego wieder zu treffen, ist aber mittlerweile schon in Mexico.

 

Ein letztes Mal ankern wir vor Sausalito, damit wir am nächsten morgen früh mit der letzten halben Stunde des ablaufenden Ebbstroms die Bucht von San Francisco verlassen können. Die meisten Segler aus der Bay Area machen den ersten Stopp in Halfmoon Bay, nur ca. 30 Seemeilen von San Francisco entfernt. Wir spielen mit dem Gedanken, gleich so viel Strecke wie möglich zu machen, doch Michael rät uns eindringlich, erst einmal Halfmoon Bay anzulaufen und danach Monterey. "Ihr wart so lange nicht auf See, ihr habt keine Seebeine mehr" argumentiert er, und damit hat er durchaus Recht. Wir beschließen es einfach auszuprobieren: Wenn der Seegang moderat ist und es uns beiden schon am ersten Tag gut geht (ich werde eigentlich nie seekrank, aber Joachim hat, wie die meisten Segler, die ersten ein oder zwei Tage manchmal etwas zu kämpfen) lassen wir Halfmoon Bay links liegen, ansonsten verbringen wir dort eine Nacht.

 

Das lange Warten auf ein ruhiges Wetterfenster hat sich gelohnt, denn die See ist so ruhig, dass wir keinen Sinn darin sehen, in Halfmoon Bay zu übernachten. Am schlimmsten ist die Dezember-Kälte auf See, und die bringen wir nur hinter uns, in dem wir so schnell wie möglich nach Süden fahren. Auch Monterey laufen wir nicht an, es läuft einfach zu gut. Die größte Hürde, die vor uns liegt, ist Point Conception, das Kap Hoorn des Nordens. Hier nimmt der Wind oft um einiges zu und kann die Passage des Kaps unangenehm machen. Momentan ist das Wetter sehr ruhig und wir wollen die Gunst der Stunde ausnutzen, um Point Conception zu passieren. Dahinter läuft die Küstenlinie ostwärts und zwischen den Channel Island und dem Festland herrscht ein wesentlich freundlicheres Klima. Außerdem bekommt man hinter Point Conception die Stürme, die die Westküste runter ziehen, nicht mehr ab.

Wir passieren das Kap nachts unter Motor bei ziemlich ruhiger See. Überhaupt motoren wir viel und segeln wenig, der Wind reicht meist nicht aus. Eigentlich wollen wir Santa Barbara anlaufen, ein Städtchen, das ausgesprochen hübsch sein soll. Von Santa Barbara aus würden wir es allerdings nicht schaffen, mit nur einem Nachtschlag nach San Diego zu kommen. Als wir feststellen, dass wir es heute bei Tageslicht noch schaffen können, ein Eck weiter Oxnard zu erreichen, und von dort aus San Diego in der gewünschten Reichweite liegt, lassen wir auch Santa Barbara aus und tuckern bis nach Oxnard, wo es einen riesigen Hafen gibt, den Channel Islands Harbor.

 

Hier verbringen wir die Silvesternacht. Der Pacific Corinthian Yachtclub gibt uns netterweise einen kostenlosen Liegeplatz an seinem Gästedock, da er unsere Trans Ocean Papiere als Nachweis der Mitgliedschaft in einem anderen Yachtclub anerkennt (das klappt manchmal, aber nicht immer). Nachdem wir festgemacht haben gehen wir als erstes auf die Suche nach einen Supermarkt, der am Silvesterabend um 18 h noch auf hat. Da wir dachten, dass wir Silvester auf See sein würden, haben wir noch nicht einmal eine Flasche Sekt an Bord. Das ist gar kein Problem, der Supermarkt hat sogar bis 21 h geöffnet. Ein Silvester-Feuerwerk wird es in Oxnard nicht geben, das gibt es nur am 4. Juli, dem Independence Day. Auch privat werden keine Raketen in die Luft gejagt, Silvester wird, wenn überhaupt, hinter geschlossenen Türen gefeiert.

 

Der Yachtclub veranstaltet ein Fest, zu dem die Gäste in Abendkleidung erscheinen. Soweit, uns auch dazu einzuladen, geht die Gastfreundschaft des Yachtclubs dann doch nicht und das ist gut so, denn wir wären nicht in der Lage dem Dresscode zu entsprechend. Es ist schon schräg genug mir in Jeans und Kapuzenpulli auf der Damentoilette die Haare trocken zu fönen, während sich neben mir elegant gekleidete Frauen in gerüschtem Chintz und Seide die Hände waschen. Joachim und ich verbringen also ein extrem ruhiges Silvester zu zweit an Bord von Pagena.

Als wir ein paar Tage später mal wieder ein email von Andrew erhalten und in blumiger Beschreibung von seinen Erlebnissen in Cabo San Lucas lesen, werden wir doch ein klein wenig neidisch. In Cabo gab es ein großes Straßenfest mit Livemusik einer Band, die in Mexico sehr bekannt sein muss, jedenfalls wurde das Konzert auf mehreren Leinwänden die Promenade entlang übertragen. Andrew muss mit seiner Frau und einer Freundin in der Nähe der Bühne gestanden haben, denn die Sängerin wählte zufällig ihn aus und bat ihn auf die Bühne zu kommen, wo er tanzen musste. Andrews Beschreibung zufolge tanzte er mit der Grazie eines Tanzbärs, versuchte aber eine kurze Weile lang, so gut es eben ging, die Hüften im Rhythmus der schnellen Musik zu wiegen. Seine ehrenvollen Bemühungen waren auf allen Leinwänden zu sehen. Er schrieb, dass ihn während des anschließenden Spaziergangs auf der Promenade erstaunlich viele unbekannte Leute zulächelten. Ein großer schwerer Kanadier ist wohl in den nächtlichen Straßen von Cabo San Lucas leicht wiederzuerkennen.

Coronado Island, ein bezaubernder Stadtteil San Diegos

Am 2. Januar erreichen wir San Diego. In San Diego liegt die amerikanische Marineflotte des Pazifiks (jedenfalls die Schiffe, die zur Zeit auf keiner Mission sind – angeblich sind die meisten unterwegs) und es sind hier Überschall-Flugzeuge stationiert, die fast täglich über San Diego hinweg donnern. Trotz der unübersehbaren militärischen Präsenz ist San Diego eine richtig schöne Stadt. Den Seglern bietet die Stadt in der weitläufigen Bucht verschiedene Ankerplätze an, die allerdings nach undurchschaubaren Regeln reglementiert sind. Es gibt eine sogenannte "Cruiser Anchorage" gleich neben dem Flughafen, die ausländischen Booten vorbehalten ist, in der wir bis zu 90 Tag lang liegen dürften. Von Andrew wissen wir aber, dass dieser Ankerplatz nicht besonders schön ist. Außerdem werden die Boote dort von der Hafenpolizei inspiziert, und da wir den vorgeschriebenen Holding Tank nicht haben, sind wir nicht scharf auf offiziellen Besuch an Bord.

 

Die schönste Ankerbucht ist Glorietta Bay vor Coronado Island, einer schicken Wohngegend San Diegos. Dort dürfen bis zu zwanzig Boote jeweils 72 Stunden lang ankern. Es ist kein Problem, eine Genehmigung für diesen Ankerplatz zu erhalten. Um acht Uhr schallt aus der gegenüber liegenden Kaserne Musik zum Morgenapell herüber und abends um siebzehn Uhr gibt's die Nationalhymne zu hören.

 

Coronado Island, eigentlich eine Halbinsel, von der aus eine hohe Brücke rüber nach San Diego führt, gefällt uns außerordentlich gut. Die meist zwei- bis drei stöckigen Häuser an der Hauptstraße sind aus Stein gebaut, mit roten Ziegeln gedeckt und hübsch verputzt. Hinter großen Fenstern liegen auf uns ungewohnt einladend wirkende Restaurants und Weinbars, die Auslagen der Geschäfte sind verführerisch. Schon in San Francisco dachten wir, dass die Stadt für amerikanische Verhältnisse ziemlich europäisch wirkt; in San Diego ist dieser Eindruck noch stärker. Es muss der mexikanische Einfluss sein, der dieser Stadt ein besonders Flair gibt, die uns an Südeuropa erinnert. Irgendwie wirkt Coronado solider und natürlicher als andere amerikanische Orte, und inmitten dieser Solidität fühlen wir uns auffallend wohl. Interessant, wie sehr wir unterbewusst doch Erinnerungen an die Heimat schätzen. Was in Coronado schöner ist als in den meisten europäischen Städten, ist, dass es überall picobello sauber ist und in der ganzen Stadt topp gepflegte Grünflächen die Straßen säumen. Bäume und Rasenkanten sind durchweg akkurat gestutzt, der Rasen ist kräftig und polsterdick und exotische Blumen setzen Farbakzente. Coronado strahlt Wohlstand in Reinkultur aus.

 

Am bekanntesten in Coronado ist das Hotel del Coronado, kurz "Hotel Del" genannt, ein Luxushotel, das mit seinem riesigen roten Ziegeldach und der viktorianischen Zuckerbäcker-Fassade ein weithin sichtbarer Hingucker ist. Das Hotel Del bietet auch Nichtgästen Einiges: von der obligatorischen Ladengalerie, öffentlich zugänglichen Gärten, ausgedehnte Café- und Restaurantterrassen bis hin zu einer winterlichen Eisbahn, die gleich neben dem Swimmingpool und dem Strand liegt. Der Strand vor dem Hotel gilt als schönster Strand der Westküste und tatsächlich hat er durch die kleinen Dünen, die ihn umgeben, und die Behaglichkeit schaffende Hufeisenform viel Charme. Coronado und sein Hotel Del können locker mit den klassischen Seebädern Europas mithalten. An einem solchen Ort vor Anker liegen zu können ist toll.

Ausflug nach Escondido und La Jolla

Von Coronado aus organisieren wir uns einen Ausflug ins 25 Meilen nördlich von San Diego liegende Städtchen Escondido, wo es einen Skulpturen-Garten meiner Lieblingskünstlerin Nicki de Saint Phalle gibt, den Queen Califa's Magical Circle. Ihre phantasievollen, mit bunten Keramikfliesen, Steinen und Spiegeln verzierten Figuren und sonstige Bauten strahlen auf mich Lebensfreude aus und Joachim gefällt, dass die Arbeiten handwerklich gut ausgeführt sind. Der Queen Califa's Magical Circle besteht aus Kunst, die man anfassen mag und die man begehen muss. Die Kinder, die hier herumtoben zeigen, dass man Kunst nicht unbedingt andachtsvoll betrachten muss, sondern dass sie, einfach dadurch dass sie da ist, das Leben bereichern und stimulieren kann.

 

Auf dem Rückweg von Escondido besuchen wir die Städtchen Del Mar und La Jolla, zwei Küstenorte, die herrliche Sandstrände zwischen hohen Sandsteinklippen und einige der besten Wellen zum Surfen haben. Einen Abstecher in San Diegos Balboa Park machen wir auch noch, aber nur um festzustellen, dass wir hier früher am Tag und mit mehr Zeit hinkommen möchten. Abends fahren wir zum Ausgehen nochmal nach San Diego rein. San Diego ist die Bier-Hauptstadt der Vereinigten Staaten und Joachim gefällt die Idee, in einer der Hausbrauereien ein zwei Biere zu probieren. Auf der Bierkarte ist neben dem Alkoholgehalt zu jedem Bier angegeben, wie viel Stammwürze es enthält. Es gibt es sogar ein "Bavarian Hefeweizen", das muss Joachim einfach probieren. Sehr zum Erstaunen wird das Bier gänzlich ohne Schaum serviert, aber es schmeckt trotzdem gut. Danach gehen wir in ein Lokal namens Shout, wo Livemusik auf zwei "sich duellierenden" Pianos gespielt wird.

 

Einen so mitreißenden Abend haben wir lange nicht erlebt, die Musiker und ihre Interaktion mit den Gästen sind genial. Insgesamt sind drei Klavierspieler da, von denen immer zwei am Instrument sitzen und einer Pause hat. Man darf sich bei den Klavierspielern Lieder wünschen, indem man einen Zettel ausfüllt und ihn zusammen mit einem Trinkgeld auf die Bühne bringt. Die Musiker entscheiden, ob sie den Song selbst spielen und singen können oder ob es der Partner am anderen Klavier besser kann. Alle drei sind sehr gute Musiker und haben prima Stimmen. Zwei davon sehen noch so jung aus, dass man sich nur wundern kann, wann in ihrem kurzen Leben sie sich ihr riesiges Repertoire angeeignet haben. Im Laufe des Abends türmen sich erfüllte und unerfüllte Musikwünsche und Dollarnoten auf den Klavieren. Auf dem Wunschzettel muss auch angegeben werden, warum jemand sich heute diesen Song wünscht. Gäste, die Geburtstag, Junggesellenabschied oder sonst was zu feiern haben, werden auf die Bühne gebeten, dem Publikum vorgestellt und zu Posen aufgefordert, die sie meist wenig lustig finden, aber bereitwillig und zur Schadenfreude der anderen mitmachen. Im Laufe des Abends steigt die Stimmung immer höher, bis der Laden nach 23 Uhr beginnt sich zu leeren. Uns wird das Shout in San Diegos Gaslamp Quarter in guter Erinnerung bleiben.

Umzug nach Shelter Island

Am nächsten Morgen, es ist Freitag, ziehen wir um in die La Playa Anchorage bei Shelter Island, da von dort aus ein paar für uns wichtige Bootsbedarfsläden und unser Lieblings-Supermarkt "Trader Joe's" zu Fuß zu erreichen sind und dieser Ankerplatz nur von Freitag- bis Montagmorgen benutzt werden darf. Zwischen San Diegos Shelter Island und Neuseeland werden wir nur noch selten gute Bootsausrüster finden, hier ist die letzte günstige Gelegenheit um Ersatzteile zu besorgen. Stundenlang sind wir damit beschäftigt nochmal alle Schiffsteile durchzugehen und zu überlegen was kaputt gehen könnte, wie wir es reparieren würden und ob wir alle dafür benötigten Teile und Werkzeuge an Bord haben. Eigentlich sind wir schon seit dem Absprung von den Kanaren darauf vorbereitet, uns in allen Lagen selbst helfen zu müssen, aber das eine oder andere Ersatzteil ist schon verbaut und wir haben manches von anderen Seglern hinzugelernt. Unser Dingi zeigt erste Ermüdungserscheinungen und nachdem im letzten Jahr zwei unserer Freunde das Beiboot geklaut wurde, überlegen wir, was wir machen würden, wenn unseres gestohlen würde. Bis Neuseeland werden wir so sehr wie nie zuvor auf unser Dingi angewiesen sein, um an Land zu kommen. Revierführer für Mexico brauchen wir auch noch und einen neuen Kescher zum Angeln. Der alte klappt immer dann, wenn ein schwerer Fisch im Netz zappelt, zusammen. Wir sind also mal wieder gut mit Boots-Shopping beschäftigt.

 

Bezüglich des Dingis kommen wir zu dem Schluss, dass es am besten wäre, wenn wir ein Ersatz-Schlauchboot an Bord hätten. Aber ein gutes Gummiboot ist teuer, eines aus Hypalon mit Aluboden unerschwinglich. Stundenlang durchgraben wir das Internet nach einem attraktiven Angebot. Dann findet Joachim die für uns optimale Lösung. Fußläufig auf Shelter Island gelegen verkauft eine amerikanische Familie just jetzt ein Dingi in der richtigen Größe, mit einem genau wie gewünscht motorisierten Außenborder zu einem fairen Preis. Die Anzeige wurde gestern erst ins Netz gestellt. Am nächsten Tag holen wir das Dingi ab, säubern es gründlich und stellen fest, welche Ersatzteile wir jetzt zusätzlich für den neuen alten Außenborder besorgen müssen. Mittlerweile ist es schon Montag und wir müssen Shelter Island leider verlassen.

San Diegos Balboa Park

Wir ziehen zurück nach Glorietta Bay, weil es uns da so gut gefallen hat und es ohnehin keine andere Alternative gibt, solange wir die Cruisers Anchorage ausschließen. Außerdem kennen wir uns da jetzt mit den Bussen aus und wissen wie wir nach San Diego rüberkommen. Schließlich haben wir von der Stadt selbst noch kaum etwas gesehen und wir müssen ohnehin ins Zentrum, um dort bei Customs and Immigration unsere Ausreisepapiere abzuholen. Die mexikanische Angellizenz lässt sich bei der Gelegenheit ebenfalls besorgen. Das Büro der mexikanischen Fischereibehörde liegt ganz in der Nähe des Balboa Parks, den wir ja auch noch besuchen wollen.

 

Balboa Park ist San Diegos Kulturzentrum und Besucher-Attraktion Nr. 1. Im riesigen Park ziehen uns vor allem die Fassaden der im spanischen Renaissance-Stil gehaltenen Gebäude und überdachten Säulengänge an. Hier residieren die meisten Museen San Diegos, es gibt einen Pavillon, der eine gigantische Orgel für Outdoor-Konzerte enthält, mehrere Theaterhäuser, ein Botanikhaus und diverse Parks. Das Ensemble wurde 1915 für die Panama-California Ausstellung gebaut, was immer das für eine Ausstellung gewesen sein mag. Leider haben wir uns nicht rechtzeitig über das Veranstaltungs-Programm informiert, der Film über die Wale Mexicos ist gerade rum als wir auf dem Info-Bildschirm davon lesen. Für die Besichtigungstour trennen wir uns, denn Joachim mag nicht mit ins Museum der Photographie und ich bin nicht daran interessiert, mir hier einen Film über die Arktis anzuschauen. Letztlich ist Joachim der Eintritt ins Museum, das den Film zeigt, viel zu teuer und ich bin wenig angetan von den Exponaten des Fotomuseums. Der Balboa Park war den Besuch dennoch wert.

 

Tags darauf läuft unsere 72-Stunden Genehmigung für den Ankerplatz aus, jetzt müssen wir San Diego eigentlich verlassen oder wir müssten kostenpflichtig in eine Marina gehen. Man kann innerhalb eines Monats leider nur dreimal einen Ankerplatz reservieren. Aber just heute Nachmittag kommt Starkwind aus Nordwest auf und Glorietta Bay liegt gut geschützt. Die anderen Boote, die am selben Tag angekommen sind wie wir, scheinen dasselbe zu denken wie wir: Einen guten Ankerplatz gibt man bei schlechtem Wetter nicht auf, wir bleiben noch eine Nacht, heute wird uns wohl niemand verscheuchen. Ein Nachbarboot liegt ziemlich dicht an Pagena und die beiden Boote kommen sich manchmal ganz schön nah, als sie nicht immer in die gleiche Richtung schwojen. Bei viel Wind braucht Pagena immer ganz viel Platz und als Fahrtensegler stecken wir mehr Kette, als es die meisten anderen Segler tun. Argwöhnisch beobachten wir den ganzen Nachmittag über, ob alle Anker halten, aber die Sorge ist unbegründet. Wir überstehen auch diese Nacht gut und am nächsten Morgen, am Freitag, den 11. Januar verlassen wir San Diego mit Kurs auf Ensenada, Mexico.

 

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