Erstaunlich: Aus alten Fischernetzen werden neue erstklassige Rucksäcke, Teppich-Fliesen und vieles mehr

Entlang der Westküste der USA und Kanadas erfuhren wir von Häfen, die Fischern anboten, kostenlos gebrauchte Netze und Angelleinen anzunehmen und diese zu Recyclingbetrieben zu bringen. Wir fragten uns, was aus alten Fischernetzen werden kann. In Vancouver trafen wir Paul King, einen Textilien-Händler, dessen Firma Kendor Textiles bestrebt ist, mehr nachhaltig hergestellte Textilien in den Markt zu bringen. Kendor Textiles beliefert seine Kunden u.a. mit Geweben aus recyceltem Nylon. Fischernetze bestehen häufig aus Nylon. Uns fehlten nur noch ein paar Informations-Brocken, um den Weg vom alten Fischernetz zu einem neuwertigen Gebrauchsgegenstand zu verstehen. Unser Entdecker-Instinkt war geweckt, wo immer wir konnten stellten wir ein paar Recherchen an und entdeckten faszinierende Fakten und Firmen.

Steve Hendrickson mit einem aus recycelten Stellnetzen hergestellten Fahrradsattel Steve Hendrickson mit einem aus recycelten Stellnetzen hergestellten Fahrradsattel (© PSMFC)

Entlang unserer Reiseroute fiel uns auf, dass es an Nordamerikas Westküste Recycling-Programme speziell für Fischernetze und Angelleinen gibt. Sie stellen eine besonders große direkte Gefahr für Meerestiere sowie für die Schifffahrt dar und stehen deshalb im Fokus der Meeresschützer Nordamerikas. Die meisten Fischernetze sind aus Nylon oder aus HDPE. Amerikanische Studien haben ergeben, dass Fischernetze aus Nylon und HDPE sich auch bei längerem Verbleib im Salzwasser ihre Materialbeschaffenheit nicht ändern und im Prinzip gut recycelbar sind. Nylonnetze sind manchmal mit anderen Substanzen, z.B. Teer überzogen, die aber meist unkritisch für Recycling sind. Schwimmende Angelleinen, die für Krabbenfallen und Teile von Netzen verwendet werden, bestehen dagegen meist aus PP und erfahren durch Salzwasser und Sonneneinstrahlung molekulare Veränderungen, welche Probleme beim Recycling aufwerfen. Fischernetze aus Nylon sind prinzipiell gut recycelbar, da Nylon ein Thermoplast ist, der sich einschmelzen lässt. Problematisch für das Recycling von Fischernetzen ist lediglich, dass

  • die großen schweren Netze nicht leicht einsammelbar und transportierbar sind und oft hohe Transportkosten entstehen, um sie zu einem Recyclingbetrieb zu bringen
  • die Netze Schwimmkörper, Bleikörper, Bleileinen u. ä. enthalten, die entfernt werden müssen
  • die Netze feinfaserig und widerstandsfähig sind zunächst mit speziellen Geräten klein gehäckselt werden müssen um weiterverarbeitet werden zu können
  • es verschiedene Sorten Nylon gibt, die nur getrennt voneinander recycelt werden können (im Fall von Fischernetzten meist Nylon 6 und Nylon 66)
  • Nylon dem Recycling-Betrieb in großen Mengen einer einzigen Qualität vorliegen muss, z.B. Nylon 6 sowie
  • dass Netze, die lange ungenutzt im Wasser getrieben haben oft nicht mehr recycelbar sind, da sie stark mit organischen Verschmutzungen durchwoben sind, z.B. Algen und Muscheln, welche allesamt mühselig entfernt werden müssten, um die Netze recycelbar zu machen.
Arnold Alfred, Paul Jenson und Clint Teeluk vom unteren Yukon in Alaska laden gesammelte Stellnetze zum Verschiffen in einen Container Arnold Alfred, Paul Jenson und Clint Teeluk vom unteren Yukon in Alaska laden gesammelte Stellnetze zum Verschiffen in einen Container (© PSMFC & Kwik'pak Fisheries LLC)

Dennoch hat die Pacific States Marine Fisheries Commission (PSMFC) mit Fischergemeinden und indianischen Stammesführern gearbeitet und gut koordinierte Programme ins Leben gerufen, die an verschiedenen Stellen gebrauchte Nylon-Fischernetze ein-sammeln und sie zu einem zentralen Recycler in Seattle bringen, der als Zwischenhändler fungiert. Skagit River Steel and Recycling erhält gebrauchte Fischernetze aus Cordova, Dillingham, Naknek, Kenai, Juneau und vom Yukon in Alaska, aus Seattle und Bellingham in Washington sowie aus Astoria, Oregon. Die Firma sortiert die Netze entsprechend ihrer Qualität, verpackt sie zu Ballen und vermarktet sie in 20 Tonnen Chargen. Abnehmer wurden in den letzten Jahren in Vietnam, Korea, und China gefunden.

 

In Asien werden diese alten Fischernetze eingeschmolzen, nachdem sie gewaschen, kleingeschnitten und zu Pellets verarbeitet wurden. Das recycelte Nylon hat dieselben Produkteigenschaften wie aus Rohöl hergestelltes neues Nylon. Dinge, die aus recyceltem Nylon hergestellt werden sind z.B. Fahrradsitze, Stuhl- und Kofferrollen, Werkzeuggriffe, Autoteile, Elektronikteile und vieles mehr. Neuerdings werden gebrauchte Fischernetze auch zu strapazierfähigen Teppichen und Textilien verarbeitet.

Klättermusens preisgekrönter Rucksack “Gna” aus recyceltem Nylon Klättermusens preisgekrönter Rucksack “Gna” aus recyceltem Nylon (© Klättermusen)

Eine führende Rolle kommt dabei dem weltweit größten Hersteller von Nylon-6-Fasern und Polyester zu, der koreanischen Firma Hyosung. Hyosung hat erkannt, dass Kunden zunehmend Textilien nachfragen, die aus recycelten Gütern hergestellt werden und Mipan regen entwickelt. Mipan regen ist ein neuartiges Nylon, für dessen Herstellung post-industrielle Abfallprodukte genutzt werden, wie z.B. Fischernetze aus Nylon, BFC-Teppiche und Nylon-Stoff. Regen ist übrigens die Abkürzung für "regenerated", wiedergewonnen. Mipan regen ist GRS, Global Recycled Standard, zertifiziert. Ein Verwender von Mipan regen ist z.B. der schwedische Outdoor-Ausrüster Klättermusen, der die meisten seiner Rucksäcke sowie Hosen der Serie Fenrir aus Mipan Regen herstellt. Klättermusen lobt das Gewebe als besonders robust und anschmiegsam, das jahrelangen anspruchsvollen Einsatz schadlos übersteht, gut aussieht und sich prima anfühlt.

Eine andere Firma, die sich ihrer ökologischen Verantwortung seit langem bewusst ist, ist Interface, der weltgrößte Designer und Hersteller von Teppichfliesen. Interface tat sich kürzlich mit der Zoological Society of London (ZSL) zusammen, um das wachsende Problem ausrangierter Fischernetze in einigen der weltweit ärmsten Küstenregionen anzugehen. Die sogenannte Net‐Works‐Partnerschaft startet mit einem Pilotprojekt in Danajon Bank auf den Philippinen. Auf neuartige Art und Weise wird hier einem wichtigen Umweltproblem so begegnet, dass es gleichzeitig sozialen und wirtschaftlichen Nutzen erzeugt. Ziel ist, gemeinschaftliche Lieferketten für alte Fischer-netze einzurichten, um die Lebensbedingungen der Fischer zu verbessern. Gleichzeitig erschließt sich Interface eine innovative Quelle für Recyclingmaterialen zur Herstellung von Teppichfliesen.

 

Die Netze unterliegen hohem Verschleiß und werden häufig ersetzt. In Entwicklungsländern lassen Fischer die Netze oft an Stränden oder im Meer zurück, wo sie quasi für die Ewigkeit verbleiben. In Danajon Bank ist dieses Problem besonders akut, die jährlich aus-sortierten Netze übersteigen die Uferlänge schätzungsweise um das 400‐fache. Die Fischer leben meist unter schwersten Bedingungen und sehen sich mit sinkenden Fischbeständen konfrontiert. Für sie gibt es kaum Wege den Kreislauf aus Armut und Umweltzerstörung zu durchbrechen.

 

Nigel Stansfield, Interface Chief Innovation Officer, erklärt: "Das Ziel unserer Mission Zero ist, unsere negativen Umwelteinflüsse auf die Erde bis 2020 zu beseitigen und uns im Zuge dessen von Primärrohstoffen unabhängig zu machen. Der Zusammenschluss mit ZSL und anderen Experten verfolgt das Ziel, Umweltabfälle, wie in diesem Fall alte Fischernetze, in Rohstoffe für unsere eigene Produktion umzuwandeln. Das wirklich Besondere daran ist, dass wir so die Chance haben, in einigen der weltweit ärmsten und häufig nicht beachteten Küstenregionen bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Das ist ein tolles Beispiel dafür, wie Organisationen unterschiedlicher Branchen gemeinsam Grenzen verschieben können – indem sie zusammen ein Projekt umsetzen, das sich positiv auf die Umwelt, die Gesellschaft und den wirtschaftlichen Erfolg auswirken kann."

 

Die Net‐Works genannte Initiative erfährt zunächst eine sechs-monatige Pilotphase in Danajon Bank. Hier befindet sich laut Interface eine der weltweit fischartenreichsten Küstenregionen und gleichzeitig eines der am stärksten zerstörten Korallenriffe. Im Rahmen des Pilotprojekts wird Net‐Works mit lokalen Experten, Fischereigemeinschaften und der Project Seahorse Foundation zusammenarbeiten, um zukunftsfähige Lieferketten für alte Fischernetze zu etablieren. Gemeinschaftlich gebildete Gruppen werden vor Ort für Abholung, Aufbereitung und Transport der Netze verantwortlich sein, im Gegenzug kommt die finanzielle Vergütung Programmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen zugute.

 

Dr. Nick Hill von der ZSL sagt: "Wir wissen, dass es herausfordernd ist, dieses Geschäftsmodell umzusetzen. Aber wir hoffen zeigen zu können, wie positiv es sich auswirken kann, wenn Fachleute aus Wirtschaft, Umweltschutz und Entwicklung ihre Expertise gemeinsam einsetzen. Wir sind bestrebt ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln, das ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen schafft sowie auf andere Regionen der Philippinen und darüber hinaus übertragbar ist."

 

Das Geschäftsmodell von Interface entspricht genau den wegweisenden Beispielen, die wir mit COPLARE während unseres Reiseverlaufs aufspüren und bekannt machen möchten: Interface zeigt, dass man drängenden Umweltproblemen so begegnen kann, dass gleichzeitig sozialer und wirtschaftlicher Nutzen erzeugt wird. Auch die koreanische Firma Hyusong, die schwedische Firma Klättermusen sowie der kanadische Textilhändler Kendor Textiles, tragen in vorbildlicher Weise dazu bei, dass sich die Lebens-bedingungen weltweit ein Stück weit verbessern, indem sie ihren Kunden Zugang zu Textilien verschaffen, die aus recycelten Materialien hergestellt werden.

 

COPLARE ist sicher, dass die zukunftsweisenden Engagements dieser Firmen honoriert werden werden und wir ermutigen alle Industriefirmen und Händler zur Nachahmung! Die unseren Reiseerlebnissen gewidmete Aufmerksamkeit stellen wir gerne zur Bekanntmachung dieser und ähnlicher Beispiele zur Verfügung.