Viel oder wenig Plastikmüll?
Plastikmüll auf dem Wasserweg vom Rhein ins Mittelmeer, Juli 2011
War es jetzt viel oder wenig Plastikmüll, den wir unterwegs während unserer Flussfahrt bis in den Hafen von Port St. Louis gesehen haben? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Gefühlsmäßig ist die Flusswelt in Deutschland und Frankreich noch relativ wenig von der Verschmutzung mit Plastik betroffen. Der Abfall wird ja auch von den Kommunen in regelmäßigen Abständen beseitigt und wer wirft seinen Abfall schon achtlos weg?
Aber wenn wir genauer resümieren, was genau wir gesehen - und wenn es möglich war, auch fotografiert haben - war es doch Einiges. Leider war es oft unmöglich, ein brauchbares Foto zu machen. Häufig war das Plastik zu weit vom Boot weg, um es gut erkennbar fotografieren zu können, trieb die Strömung es in eine ungünstige Richtung oder das Wasser spiegelte zu sehr, so dass das Plastik auf dem Foto optisch untergegangen wäre. Manchmal war gerade in dem Moment, in dem das es ins Sichtfeld kam, keine Kamera zur Hand oder wir mussten uns in dem Moment am Steuer bleiben. Viele im Wasser gesichtete Plastikteile die wir sahen, wurden also nicht dokumentiert.
Wir legten ca. 1300 Fluss-Kilometer zurück und schätzen, dass wir im Durchschnitt alle 1-5 km mindestens ein Teil treibenden Plastikabfall sahen. Das wären insgesamt ca. 200 bis 300 Teile, die die voraussichtlich die nächsten 400 bis 450 Jahre im Wasser oder irgendwo am Ufer verbleiben, sofern sie nicht irgendjemand aus dem Wasser fischt. Uns wurde während der Flussfahrt auch klar, dass es gar nicht so einfach wäre, es einzusammeln. Oft hängt es an schwer zugänglichen Orten und man müsste kräftig rudern oder viel Sprit verfahren, um überhaupt z.B. mit Käschern an das Treibgut dran zu kommen.
An manchen Stellen würde man auch Gefahr laufen, dabei selbst andere Schäden zu verursachen, gerade die Uferzonen sind oft sensible Biotope.
Am häufigsten sichteten wir PET Getränkeflaschen, aber auch Plastiktüten,
Folienverpackungen, Eimer, Shampoo-Flaschen, Joghurtbecher, Kanister, Plastikschlappen und Styropor-Reste sowie Plastikfragmente, deren Ursprung nicht erkennbar war. Auf dem Canal des Voges schwammen z.B. in einem Schleusenabschnitt Fragmente, die aussahen wie Teile von den harten Prospekthüllen, die in deutschen Büros oft eingesetzt werden. Prospekthüllen werden es wohl kaum gewesen sein, was wir gesehen haben; aber irgendjemand war es egal, dass sein Plastikabfall jetzt den Kanal verschmutzt, was immer es auch war.
In der Saône bereitete uns ein Stück Plastik ein Problem beim Ankern: Aus unerklärlichem Grund slippte unser schwerer starker Anker und fand einfach keinen Halt. Als wir ihn aufholten, hing ein großes Stück Plastikfolie dran, das auf den Grund gesunken war. Die kräftige Folie hinderte den Anker am Eingraben in den Grund. Wir schnappten uns eine Mülltüte und holten das Ding samt allem Schlamm der dranhing raus. Lecker… Auch in einem Seitenarm der Mosel, der nach Nancy führte, fischten wir einen halben Sack voll Plastikmüll aus einem kleinen Hafenbecken. An dieser Stelle war es leicht einzusammeln und so viel, dass sich die Mühe wirklich lohnte.
Insgesamt müssen wir feststellen, dass wir unsere gesamte Zeit damit verbringen könnten, Müll aufzuheben. Es ist so viel, dass man das Gefühl hat, dass es sinnlos wäre, ein, zwei drei oder zehn Teile aufzuheben, aber doch so wenig, dass es außer uns „Sensibilisierten“ noch niemanden wirklich zu stören scheint. Stellt sich also wieder die Eingangsfrage: Ist es viel oder wenig Müll, den wir tagtäglich im Wasser oder auf den Straßen sehen? Jeder Leser möge sich seine eigenen Gedanken darüber machen und bei Gelegenheit seine Freunde, die Kinder oder … dazu befragen.