21. Juni - 7. August 2013: Gesellschaftsinseln

Die Gesellschaftsinseln sind die dritte und letzte Inselgruppe Französisch Polynesiens die wir besuchen, das Herz Französisch Polynesiens. Nach ihrer Entdeckung durch die Europäer wurden die Inseln zu einem bedeutenden Zwischenstopp für Seefahrer aus aller Herren Länder sowie Gegenstand politischer und wirtschaftlicher Auseinandersetzungen. Die Ankunft des Briten Wallis im Jahr 1767 in Tahiti, der größte der insgesamt acht bewohnten Gesellschaftsinseln, stellte den Beginn der Kolonialisierung dar. Ein Jahr nach Wallis erreichte auch der Franzose Bougainville Tahiti und proklamierte die Insel für Frankreich. James Cook stattete Tahiti zwischen 1769 und 1777 gar vier Besuche ab. Wallis, Bougainville, Cook und andere Seefahrer machten Tahiti als Himmel auf Erden bekannt. Außergewöhnliche landschaftliche Schönheit, einfach zugängliche schmackhafte Nahrung und nicht zuletzt das freundliche Wesen der Polynesier, ihre natürliche Anmut, sexuelle Freizügigkeit und exotische Kultur übten magische Faszination auf die Männer aus. 1797 sandte die Londoner Missionarsgesellschaft achtzehn protestantische Missionare zusammen mit ihren Frauen nach Tahiti. 1819 gelang es ihnen, zusammen mit König Pomare II den sogenannten Pomare Code durchzusetzen, der die Ausübung von Sitten und Bräuchen - polynesischer Tanz, Götterverehrung und Tätowierung - untersagte. 1842 wurde Tahiti gegen den Willen von Königin Pomare IV. unter französisches Protektorat gestellt. Als König Pomare V 1880 nach Zusage einer persönlichen Leibrente abdankte, wurde sein Reich schließlich französische Kolonie. Ein Teil der Polynesier widersetzte sich der Kolonialisierung, doch zu Beginn des 20. Jh. legte sich der Widerstand. Trotz des politischen Unmuts gelang es den Kolonialherren die lokale Wirtschaft zeitweise ordentlich zu beleben, vor allem durch den Anbau von Kaffee und Baumwolle. Im 19. und 20. Jh. besuchten viele Schriftsteller Französisch Polynesien und machten die Inseln durch ihre Bücher in Europa und den USA in weiteren Kreisen bekannt. Heute ist Bora-Bora der touristische Star unter den Gesellschaftsinseln und auch Tahitis Name löst noch immer Fernweh aus, Tahitis internationaler Flughafen Faaa (sprich Fa-a-a) ist das Drehkreuz des Insel-Tourismus. Nachbarinseln wie Moorea, Huahine, Tahaa, Raiatea und Maupiti stehen Bora-Boras und Tahitis Reizen nicht nach, sind aber bei Urlaubern weit weniger bekannt, da es dort keine großen Hotels gibt. Wir besuchen vier Inseln: Tahiti, Moorea, Bora-Bora und Maupiti und bekommen damit einen guten Überblick über die Inselgruppe.

Tahiti –Königin der Gesellschaftsinseln

Tahiti ist nicht mehr die Insel, die die Seefahrer vergangener Jahrhunderte kennen lernten und Tahitis Hauptstadt Papeete (sprich Pa-pe-e-te) ist nicht mehr die pittoreske Hafenstadt, in der eine Handvoll Fahrtensegler am zentralen Kai festmachen und sich im Park daneben auf einen Sundowner treffen. Papeete hat sich zu einer - zumindest für pazifische Verhältnisse - Großstadt entwickelt, die kaum noch Charme hat. Meist dreigeschossige Gebäude mit nichtssagenden oder gar hässlichen Fassaden säumen die Straßen und der im Zentrum der Stadt gelegene Quai des Yachtes neben dem Fährhafen ist keine Flaniermeile. Auch eine Fußgängerzone sucht man vergeblich Die vierspurige Hauptverkehrsader durch die Stadt ist zur Zeit großräumig für Erdarbeiten aufgerissen,. Die wenigen hübschen Gebäude entdecken wir nur, wenn wir forciert nach oben schauen und die ablenkende Umgebung ausblenden.

 

Doch Papeete ist ein stark entwickeltes, modernes internationales Zentrum mitten im Pazifik, stark von Frankreich beeinflusst und vermutlich ebenso sehr subventioniert. Junge Leute in Papeete reden vorwiegend Französisch, auch mit Englisch kommt man hier weit, Tahitianisch gerät dafür bei den Jungen in Vergessenheit. In Papeete gibt es Carrefour, Casino und Super U, drei der sechs großen französischen Supermarktketten, sowie Repräsentanten aller möglichen Firmen. Sogar ein Allianz-Schild leuchtet uns entgegen. In Tahiti kann man alles einkaufen was das Herz begehrt und wenn es nicht vorrätig ist, kann es innerhalb weniger Tage aus Europa, den USA oder aus Neuseeland beschafft werden. Kinder und Jugendliche begeistern sich auch hier für i-pad und Co. und belagern stundenlang die Demostücke in den Geschäften, die sie sich vermutlich lange noch nicht leisten können.

 

Unser Herz begehrt vor allem echt französisches Baguette und feinen Käse. Das Brot, saftig und luftig locker innen drin, umhüllt von einer zarten, knackigen Kruste, mmmhh. Und die Käse erst: Reblochon, Tomme de Savoie und Saint Nectaire, alle unsere Lieblingskäse gibt es und ca. 40 weitere Sorten. Eine fette Käseplatte ist uns mehr wert als jeder Restaurant-Besuch. Frisches Baguette, Käse, Trauben und ein paar Oliven - was für ein Genuss für den Gaumen! Weil wir so viel Käse kaufen, müssen wir ebenfalls leckere Paté de Campagne, Koch-Schinken ohne Wasser und ohne Farbstoffe, saftige Rindersteaks und all das schöne Gemüse erst Mal im Regal liegen lassen, wir können ja nicht alles auf einmal essen. Das Beste aus Europa und das Beste aus dem pazifischen Raum vereint zu finden ist herrlich. Die Warnung, dass Französisch Polynesien so waaaahnsinnig teuer sei, die wir so oft gelesen haben und die weiter kolportiert wird, finden wir unzutreffend. Sicher, Wein und Spirituosen sind teuer und amerikanische Importprodukte vermutlich auch. Und für guten Käse wird überall auf der Welt gutes Geld verlangt. Aber ansonsten kosten die Waren im Supermarkt hier kaum mehr als in Frankreich, wir sind angenehm überrascht.

Pagena haben wir in Marina Taina geparkt, dem Fahrtenseglertreff etwas südlich von Papeete. Je nach Geschmack kann man hier umsonst ankern, für einen kleinen Obolus eine Muringboje oder zu moderatem Preis einen Platz am Steg mieten. Wir entscheiden uns für die Boje, da zum Zeitpunkt unseres Eintreffens unglaublich viele Schiffe nach Marina Taina kommen und es im Ankerfeld mancherorts schon ganz schön eng zugeht. Im Bojenfeld sind die Schiffsabstände unveränderlich definiert, auf dem Ankerplatz dagegen kommen sich einige Schiffe für unseren Geschmack zu nah. Anfang Juli kreuzen sich in Tahiti diverse Fahrtenseglerrouten. Die, die von den Marquesas und aus den Tuamotus kommen und nach Fiji, Neuseeland oder Australien weiter wollen, die, die aus Neuseeland oder von Fiji nach Tahiti kommen und die, die von Hawaii nach Tahiti kommen. Alle Schiffe, die an einem der Außenposten Französisch Polynesiens einklariert haben, müssen binnen drei Monaten in Tahiti erscheinen um hier die restlichen Formalitäten zu erledigen. Die meisten Amerikaner haben nur drei Monate Aufenthaltsrecht und müssen Französisch Polynesien bis ca. Ende Juli verlassen. Zudem findet in der ersten Juli-Hälfte das bekannte Heiva statt – ein Festival mit Wettbewerben in traditionellen Sportarten, Tanzwettbewerben und Gesang, das ein Besuchermagnet ist, sowie das von der Tourismus-Behörde veranstaltete Sailing Rendez-Vous, das von den Machern der amerikanischen Seglerzeitschrift Latitude 38 als Abschluss-Party für die Teilnehmer am Pacific Puddle Jump genutzt wird. Es gibt also zig gute Gründe genau jetzt in Tahiti einzutreffen. Ken, der junge Yachtmaster, der alle Ein- und Ausklarierungen bearbeitet, hat alle Hände voll zu tun. Dennoch ist er unglaublich freundlich, nimmt sich für jede Crew die nötige Zeit und versorgt sie mit allem notwendigen Wissen für ihren Aufenthalt in Tahiti. Sein Anliegen ist spürbar, dass alle Besucher einen möglichst positiven Eindruck von Tahiti mitnehmen.

 

Einige unserer Freunde sind auch in Tahiti, die Elfrun, die Felice, die Onyx und die Orca Suite, neue Bekannte kommen hinzu. Die erste Woche in Marina Taina vergeht mit täglichen Besuchen und Gegenbesuchen wie im Flug. Mit allen Crews werden Geschichten und Erlebnisse ausgetauscht, ebenso wie ausgelesene Bücher und festplattenweise Musik und Filme. Abwechslung vom Gewohnten ist allen ein willkommenes Geschenk. Bei jedem Gang durch die Marina und bei jedem Supermarktbesuch laufen wir Bekannten über den Weg, oft wird ein vermeintlich kurzer Plausch doch zu einem ausgedehnten. Dieser und jener sind auch angekommen, wisst Ihr, wo man gut dies und das bekommt, geht Ihr auch da oder da hin, wie lange bleibt Ihr, wo wollt Ihr zur Typhoon Season sein? Mit dem Dingi zur Marina übersetzen und anketten – in Tahiti werden begehrte Dinge angeblich ab und zu geklaut – rasch zum ca. 1 km entfernten Supermarkt laufen um frisches Brot zu holen und auf dem Rückweg ein Abstecher unter die Dusche machen plus ein oder zwei kurze Schwätzchen halten verschlingt alles in allem regelmäßig zwei Stunden oder mehr. Auch die zweite Woche geht rum wie nix.

Mit Bill und Belinda von Orca Suite mieten wir einen Tag lang ein Auto und fahren rund um Tahiti Nui um mehr von der Insel kennenzulernen als die Bus-Strecke von Punaauia, wo Marina Taina liegt, nach Papeete und zurück. Tahiti besteht aus Tahiti Nui, der großen Insel im Norden und aus Tahiti Iti, dem kleinen Anhängsel im Süden. Rund um Tahiti Nui herum sind es gut 100 km zu fahren, alle 10 bis 15 km gibt es einen Grund anzuhalten. Die meisten Sehenswürdigkeiten haben mit Wasser zu tun: Drei wassergefüllte Grotten, einen Wassergarten, ein Wasserfall, ein Blowhole, eine besonders schöne Ankerbucht, ein Surferstrand. Fast alle Attraktionen liegen direkt an der Straße, manchmal ist ein kurzer Spaziergang erforderlich. Genau zum Sonnenuntergang erreichen wir gerade noch den Belvedere, einen Aussichtspunkt oberhalb von Arue. Mooreas hübsches Profil sowie Papeetes Lichter in der Ferne sind schöne letzte Eindrücke am Ende eines langen Ausflugstages.

 

In Tahiti haben wir beide mal wieder Geburtstag. Selten hatte dieser Tag weniger Bedeutung für uns als dieses Jahr. Geschenke interessieren uns nicht, wir haben kaum offene Wünsche. Die gesamte Reise ist ein einziges großes Geschenk, das wir uns machen, was wollen wir mehr? Ja, wir hätten gerne Fahrräder an Bord, für die haben wir aber keinen Platz. Ein kleines Kanu zum rumpaddeln wäre auch schön, aber die regulären Verkaufpreise erscheinen mir total überteuert, genauso wie ein Flug zur Osterinsel, der von Tahiti aus zwar einfach zu organisieren wäre, sich allerdings als wesentlich kostspieliger als angenommen entpuppt. Klar, die Schulferien haben gerade begonnen und die Osterinsel ist eines der bevorzugten Reiseziele der Tahitianer.

Fast wäre es uns gelungen auf einer unbewirtschafteten Berghütte mit Hans von der Onyx zusammen klammheimlich in meinen Geburtstag hineinzufeiern. Allerdings nur fast, denn aufgrund aufziehendem schlechten Wetters, erheblicher Rutschgefahr und konditioneller Schwäche meinerseits brechen wir die eigentlich auf zwei Tagesetappen geplante Wanderung auf den Aorai, den mit 2.066 Metern zweithöchsten Berg Tahitis, ab. Die Sohle meiner Wanderschuhe ist im Laufe der Jahre steinhart geworden, mehrmals bin ich mit dem großen Rucksack auf dem Rücken im Laufe der Morgens schon ins Rutschen gekommen. Der Wanderweg ist nur mannsbreit, meist läuft er eine steile Bergflanke entlang oder über einen schmalen Grat. Häufig geht es direkt neben dem Weg steil in die Tiefe. Wer hier abstürzt darf kaum mit Rettung rechnen. Als wir mittags die erste Schutzhütte erreichen und dort von entgegenkommenden Wanderern hören, dass die nächste Etappe fast vollständig im Nebel liegt, der Boden daher besonders feucht und rutschig ist, es noch steiler und ausgesetzter wird und wir wirklich vorsichtig sein sollen, verstärkt sich mein ohnehin schon vorhandenes Muffensausen. Zwar sind die ganzen Vorbereitungen, die wir für eine mehrtägige Wanderung treffen mussten für die Katz wenn wir umkehren und ich bringe die beiden Männer um das Erlebnis der Gipfeltour, aber ich mag das Risiko weiterzuwandern nicht eingehen. Da es oben ohnehin keine gute Aussicht gegeben hätte und da die beiden rücksichtsvolle Genossen sind, beschließen wir zu dritt nach einer Jause auf der Hütte umzukehren. Wenigstens haben wir's probiert. Und 800 Höhenmeter mit knapp 20 kg auf dem Rücken unter tropischer Sonne sind ja auch schon was.

 

An meinem Geburtstag regnet es, ein ganz und gar ungewohntes Erlebnis für mich. Ausgerechnet hier, in der Südsee. Andererseits hat es für uns schon so lange nicht mehr geregnet, ein wenig Nass vom Himmel ist schon o.k. Tags drauf fegt gar Sturm durch Marina Taina. In Spitzen erreicht der Wind 45 Knoten, das hält nicht jeder Anker aus. Einige Boote gehen auf Drift. Unser Nachbarboot löst sich von seiner Muringboje, kann jedoch eingefangen werden, bevor es aufs Riff läuft. Ein kleines Schiff aus der Anchorage entgeht diesem Schicksal nicht. Ein schweres dänisches Fahrtenschiff treibt gar unbemannt durch das Ankerfeld und gefährdet andere Yachten. Auf Kanal 16 und den Sprechkanälen herrscht helle Aufregung. Alle an Bord befindlichen Segler verfolgen mehr oder weniger besorgt das Geschehen und halten sich reaktionsbereit für den Notfall. Vor allem im Ankerfeld herrscht Action. Boote müssen die Maschine anwerfen und ausweichen, Segler in Dingis versuchen driftende Schiffe aufzuhalten und helfen anderen Seglern beim Umankern. Auch wir stauen unsere schweren Cockpittische weg und zurren alles Lose fest, so dass wir jederzeit die Maschine starten und navigieren könnten. Von unserer Muringboje aus schauen wir dem Naturspektakel jedoch vergleichsweise gelassen zu.

 

Dann hat Joachim Geburtstag. Zur Feier des Tages gehen wir ins fußläufig gelegene Hotel Interconti und gönnen uns in der schönen Bar sündhaft teure Eisbecher. Von der Bar aus hat man prima Ausblick auf die Freifläche vor der Pool-Landschaft, wo dreimal pro Woche polynesische Tanzshows gegeben werden. Auf Nachfrage bekommen wir einen superguten Tisch direkt vor der Tanzfläche. Gäste des Restaurants, die das Dinner-Buffet zur Show gebucht haben, bezahlen 120 USD, von uns werden pro Nase 50 Polynesische Francs Zuschlag für die Show verlangt, gerade mal 8 Euro. Da ist doch glatt auch noch ein Cocktail drin. Dieser Abend bleibt nicht unser einziger Besuch dieser Hotelbar. Wir gehen noch zwei Mal zum Salsa-Tanzen hin und zusammen mit anderen Seglern zu einer weiteren Tanzshow.

Eines der beiden touristischen Highlight unseres Aufenthalts in Tahiti wird schließlich der Besuch der Wettkämpfe in traditionellen Sportarten im Rahmen des Heiva-Festivals. Im weitläufigen Park um das Musee de Tahiti herum werden Wettkämpfe in den Sportarten Mannschafts-Speerwurf, Steineheben, Zeitklettern auf Kokospalmen und Kopra-Machen ausgetragen. Auch hier treten zwei Tanzgruppen auf und es herrscht die ausgelassene Stimmung eines Volksfestes. Vor allem Tahitianer aller Altersklassen besuchen die Sportwettkämpfe des Heiva. Beim Speerwerfen muss eine in ca. 5 Metern Höhe aufgestellte Kokosnuss getroffen werden, beim Steinheben wird ein sehr schwerer Stein innerhalb von 30 Sekunden auf die Schulter befördert und einhändig gehalten – wenn's denn klappt – der schwerste Stein wiegt sage und schreibe 168 kg und nicht jeder Teilnehmer am Wettbewerb schafft es ihn zu heben. Beim Kokosnusspalmenklettern wird die Zeit gemessen, die die Teilnehmer brauchen um eine Markierung am Stamm mit den Füssen zu erreichen. Der mit Abstand beliebteste Wettbewerb der Zuschauer ist jedoch das Kopra-Machen. Jeder Teilnehmer muss 120 Kokosnüsse spalten, das Fruchtfleisch herausschälen, aus den leeren Schalen einen sauberen Haufen bilden und schließlich das Fruchtfleisch, die Kopra, in Säcke verpacken. Wenn alles fertig ist, wird die Zeit gestoppt. In unglaublicher Schnelle wird Nuss um Nuss geöffnet, der Boden mit Kokosnusswasser getränkt. Dann bohren fliegende Hände mit einem extrem scharfen schuhlöffelartig geformten Messer das Fruchtfleisch aus der harten Schale. Der schnellste Teilnehmer ist in weniger als 20 Minuten fertig. Er kommt von den Tuamotus, wo Kopra-Machen die Haupt-Beschäftigung darstellt.

Das zweite touristische Highlight wird eine organisierte Safari ins Papeno'o-Tal mit Teiva. Teivas Familie stammt aus diesem Tal und Teiva weiß alles über tahitianische und polynesische Kultur. Er hat riesige Freude daran, sein Wissen an jeden, der sich dafür interessiert, weiterzugeben, in diesem Fall eine Gruppe von sieben Seglern aus Deutschland, Großbritannien und den USA. Im Gegensatz zu anderen Touristenführern, die ihre Gäste eher wortfaul zu einer Handvoll Aussichtspunkten bringen, ein paar Fotos knipsen lassen und dann weiterfahren, versiegt Teivas Lust am Erklären und Zeigen niemals. Nein, hier am Fluss seht Ihr nicht nur einen schönen Wasserfall, hier wachsen auch polynesische Champignons. "Ihr seht keine Pilze? Hier, nimm, beiß mal auf diese kleinen blauen Blüten und sag mir was Du schmeckst. Die Blüten schmecken wie Champignons, nicht wahr? Wir legen sie als Gewürz beim Grillen aufs Fleisch, das gibt ein herrliches Aroma." Oder Teiva stoppt mitten auf der Straße und pflückt ein Farnblatt, das er sich auf den Oberarm legt. Dann klatscht er einmal kräftig mit der flachen Hand darauf und zieht das Farnblatt ab. Zurück bleibt ein hübsches weißes Tatoo des Farns auf seiner dunklen Haut. "Seht Ihr, das sind abwaschbare Tatoos, die wir uns mit Hilfe des Silberfarns machen." Ein paar hundert Meter weiter stoppt er den Wagen schon wieder, diesmal um Hibiskusblüten zu pflücken. Jede Frau an Bord seines Wagens bekommt eine rote Blüte, um sie sich als Schmuck hinters Ohr zu stecken. "Wenn Ihr die Blüte links tragt, signalisiert ihr damit, dass Euer Herz bereits vergeben ist. Wenn Ihr sie rechts tragt, heißt dass, dass Ihr auf der Suche nach Eurem Herzblatt seid", erklärt Teiva. Die rotgelben Hibiskusblüten sind besonders vielseitig einsetzbar, lernen wir dann. Den Blütenstempel muss man entfernen, damit man keinen Blütenstaub auf die Kleidung bekommt, wenn man sich mit der Blüte schmückt. Teiva reibt den Stempel auf seinem Handrücken und zeigt uns den dunkelrosafarbenen Strich, den er damit erzeugt. "Das hier ist polynesischer Lippenstift. Ich schenke einer Frau also nicht nur eine Blüte, mit der sie sich schmücken kann, sondern auch noch den passenden Lippenstift. Und wenn sie sich am Ende des Abends abschminken will, kann sie das ebenfalls mit Hilfe der Blüte tun. Seht her, ich falte die Blütenblätter, drücke sie ein wenig und reibe damit über den roten Strich. Seht her, er ist wieder rückstandlos weg. Make-up-Entferner liefere ich der Dame meiner Wahl also auch noch mit." So charmant umgarnt zu werden, kommt bei polynesischen Frauen sicher gut an. Auch uns Damen umgarnt Teiva weiterhin kräftig, als nächstes bekommen wir alle einen traditionellen Kranz aus Farnblättern geflochten. Der trägt sich erstaunlich angenehm als Sonnenschutz, wir tragen den Kranz alle für den Rest des Tages.

 

Teivas Tour führt schließlich über ein bekanntes Bergrestaurant bis zum Rand des alten Vulkankraters, durch den hindurch ein kleiner Tunnel führt. Auf der anderen Seite des Tunnels geht es eine abenteuerlich steile Schotterpiste runter bis zum Vaihiria Lake. Dort oben ist es wolkenverhangen und immer mal wieder regnet es. Vielleicht liegt es daran, dass ich den See als relativ unspektakulär empfinde. Vielleicht war auch vor allem der Weg das Ziel, denn wie wild die Landschaft im Inneren Tahitis ist, wird allen, die nicht schon eine Bergwanderung unternommen haben, vermutlich erst hier klar. Auf dem Rückweg zeigt Teiva uns noch ein Marae, eine Kultstätte und versorgt uns mit Sternfrüchten aus seinem Garten. Am Rand des Flusses finden wir einen Seevogel, der sich offensichtlich verflogen hat. Teiva hebt das verängstigte Tier auf und gibt es Joachim, der den Vogel bis zur Küste im Schoß hält. Der Vogel findet nur im Salzwasser Nahrung, dorthin bringen wir ihn zurück. Während der Fahrt macht das Tier einen ziemlich matten Eindruck und wir befürchten, dass er mit seinen gelegentlichen Fluchtversuchen seine letzten Energiereserven aufbraucht. Als Teiva den Vogel an der Küste schließlich freilässt, kann er jedoch plötzlich wieder fliegen. Seine Überlebenschancen sind durch die Taxifahrt erheblich gestiegen. Mit diesem schönen Gefühl geht dieser eindrucksvolle Ausflugstag schließlich zu Ende.

 

Kurz darauf verlassen wir Tahiti. Wir haben 26 Tage auf dieser Insel verbracht, die vergingen wie im Nu. Wer hätte das bei der Ankunft gedacht.

Moorea – ungeküsste Prinzessin der Gesellschaftsinseln

Weiter geht's nach Moorea, Tahitis nur 8 Seemeilen entfernte Schwesterinsel. Das markante Profil von Mooreas Gipfeln stellt für Urlauber und Bewohner im Westen Tahitis eine attraktive Kulisse dar. Sonnenuntergang hinter Moorea ist sicher ein Motiv, das täglich vielfach geschossen wird. Trotz der Nähe und trotz regem Fährverkehr zwischen den beiden Inseln ist Moorea touristisch bislang wenig entwickelt. Doch in Tahiti werden große Pläne für die Nachbarinsel geschmiedet, man sieht großes Potential in Moorea schlummern.

 

Den Hauptort Mooreas, Vaiare, wo die Fähre anlegt, besuchen wir nicht, wir segeln direkt in die Opunohu Bay. Moorea hat grob gesagt die Form eines Herzens. Zwei große Buchten schneiden tief in die Nordküste ein, die Cooks Bay und die Opunohu Bay. Lustigerweise war Captain Cook gar nicht in der nach ihm benannten, sondern in der Nachbarbucht, deren Namen wir erst ein paar Mal üben müssen, bis er uns flüssig über die Lippen geht.

 

Kürzlich ist mir mal wieder ein Bericht über die schönsten Plätze der Welt in die Hände gefallen, verfasst von einem Segler, der seit seiner Kindheit ausgedehnte Schiffsreisen auf den Weltmeeren macht und der nach über 60 Jahren auf See resümiert, wo es ihm am Besten gefallen hat. Die Opunohu Bucht auf Moorea war einer seiner Favoriten.

 

Bevor wir Pagena jedoch tief in diese Bucht hinein lenken, biegen wir hinter dem Riff nach rechts ab und fahren in sehr flachem, hellblauen Wasser, stets dicht an schwarz-weißen Pfählen entlang, die eine ausgedehnte Korallenlandschaft links von uns markieren, eine Meile nach Westen. Ziel ist ein kleiner Ankerplatz, der nahe des Ortes liegt, wo es wild lebende "Streichelrochen" gibt. Der Ankerplatz kurz hinter dem Örtchen Papetoai ist ein einem unserer Revierführer genau beschrieben und die See ist ruhig, so dass wir ihn für unbedenklich halten, doch kein anderes Schiff liegt dort, wie sich vom Pass aus unschwer erkennen lässt. Der Platz entpuppt sich als traumhaft schön und wir verstehen nicht, warum wir auf der anderen Seite des Passes 14 Masten zählen und hier keinen. Aber sei's drum, gerade weil wir den Platz alleine für uns haben, ist er doppelt attraktiv.

Früh am nächsten Morgen ziehen wir mit einer Dose Sardinen im Gepäck los zum Rochenfütterplatz. Wir haben eine ungefähre Beschreibung wo er liegt, vorbei am Hotel Interconti und dann auf halbem Weg zum nächsten Motu, dort wo eine große Sandfläche ist, auf der man brusthoch stehen kann. Dort kommen jeden Morgen Stachelrochen hin, die sich gerne ein paar von Menschenhand gereichte Fischhäppchen abholen. Danach sind sie so begierig, dass sie von sich aus Körperkontakt mit den Futterverteilern aufnehmen und sich auch anfassen lassen. Tourboote zeigen den Besuchern Mooreas die Tiere. Den meisten reicht es, sich die kreisrunden grauen Rochen, deren Körper etwa 1 Meter Durchmesser hat, vom Boot aus anzusehen und zu fotografieren, wie der Guide sie füttert. Da dies keine Veranstaltung im Zoo ist, wo die Tiere keine Wahl haben, sondern da es frei lebende Rochen sind, die nur das bequeme Nahrungsangebot anlockt, haben wir keine Bedenken uns daran zu beteiligen. Es ist lange her, dass ich in einem sizilianischen Restaurant mal Rochenflügel bestellt habe. Seit ich beim Tauchen und Schnorcheln die großen sanften Tiere in aller Pracht gesehen habe, möchte ich nie wieder Rochen essen. Heute werden wir sie füttern.

 

Aber wie füttert man unter Wasser, wo einem alles, was man sich auf die flache Hand legt, augenblicklich wegschwimmt? Den ersten Fischhappen halte ich daher unbeholfen zwischen Daumen und Zeigefinger. Keine gute Idee, denn der Rochen, der sich den Happen augenblicklich holen will, beißt mir kräftig auf den Finger. Zum Glück haben die keine Zähne, nur eine feste Gaumenplatte. Der Rochen hat mir also nichts getan, ich merke nur, dass ich noch nicht die richtige Technik gefunden habe. Jetzt ist mir aber klar, wo sich das Maul des Rochens befindet, an seiner Unterseite. Ab jetzt nehme ich den Fischhappen erst dann unter Wasser, wenn ein Rochen mir schon ganz nahe ist. Den schiebe ich ihm quasi direkt ins Maul, das klappt prima. Joachim will auch, wir tauschen Unterwasserkamera und Sardinen. An ihm klettern die Rochen geradezu hoch, manchmal zwei gleichzeitig. Es ist unglaublich. Mittlerweile sind mehrere Tourboote und auch andere Segler mit ihren Dingis gekommen, es wird voll im Wasser. Seit unsere Dose leer ist sind wir für die Rochen eh uninteressant geworden, sie wenden sich neuen Futterquellen zu. Wir plauschen kurz mit Andy und Sue von Spruce und mit Ronald und Christine von der Gypsy IV und bekommen ein paar Infos zu den beiden anderen Ankerplätzen, dann machen wir uns auf den Rückweg.

 

Wir trauen unseren Augen kaum, als wir sage und schreibe sechs andere Schiffe an unserem heute morgen noch einsamen Ankerplatz vorfinden. Das "The spot Syndrom" hat mal wieder bewirkt, dass unser Mast andere Skipper ermutigt hat es uns nachzutun, aber das kennen wir ja schon. Die Romantik des Platzes ist damit dahin, jetzt können wir getrost in die Opunohu Bucht hinein umziehen. Durch die anderen Schiffe auf dem Ankerplatz können wir unserem Track, auf dem wir schadlos an allen Korallen vorbei gekommen sind, nicht mehr folgen. Prompt touchiere ich zwischen all den Booten, ihren Ketten und ihren Ankern mit dem Ruder einen Korallenkopf, der auch Joachim, der am Bug steht, erst auffällt, als wir ihm nicht mehr ausweichen können. Die Besitzer eines Kielbootes hätten jetzt große (begründete) Sorge. Als Besitzer einer Ovni pumpen wir das Ruder einfach wieder nach unten, das durch den kurzen Widerstand hoch gedrückt wurde und alles ist gut. Ovnis sind einfach geniale Boote, wir können es nur immer wieder wiederholen!

Eine weitere Unternehmung, die wir uns für Moorea vorgenommen haben, ist die kleine Wanderung hoch zum Belvedere, einem Aussichtspunkt von dem aus man beide Buchten sehen kann. Zwei andere Segler, Rolf und Jin von der Oradel, ein schwedisch-chinesisches Paar, schließt sich an. Zu viert haben wir viel Spaß, auch wenn wir unser Ziel beim ersten Anlauf nicht erreichen. Die morgens am Himmel schon sichtbaren Wolken lösen sich nicht wie erwartet auf, sondern ziehen sich zu und bescheren uns kräftige Schauer. Eine Weile lang ignorieren wir sie, wenn es gar zu sehr regnet, stellen wir uns unter einem Baum unter, der notdürftigen Schutz bietet. Wo sind nur die Elefantenblätter, die Teiva uns auf Tahiti gezeigt hatte und die einen so guten Regenschutz abgeben würden? Noch nicht Mal die hübschen samtartig flauschigen Blätter der eingeschleppten Pflanze, sind zu finden, von der Teiva berichtete, dass sie eine echte Katastrophe für die Inseln sei, da ihr flaches Wurzelwerk die Haftung der Erde untergräbt und zu kleinen Erdrutschen führt. Die Pflanze ist so verbreitet, dass ihre Ausrottung unvorstellbar ist. Aber hier, wie gesagt, auch von dieser Pflanze weit und breit keine Spur. Typisch, ausgerechnet dann, wenn man sie gebrauchen könnte. Geschätzt nur einen Kilometer vor dem Aussichtspunkt kehren wir um, von oben würden wir unter diesen Bedingungen keinen schönen Ausblick haben, da können wir uns auch gleich dem Thema "Eis" zuwenden.

 

Auf halbem Weg zurück liegt nämlich die Landwirtschaftsschule und diese bietet Besuchern hausgemachtes Eis, Sorbets und Getränke an, die allenthalben gelobt werden. Jeder Inselbesucher, der eine organisierte Tour rund um Moorea bucht, wird garantiert hierher gebracht. Hier und am Ankerplatz spürt man, dass Moorea doch schon etwas Tourismus hat: Alle Nase lang röhren ein paar Quads auf der Straße an uns vorbei, die Pendants zu den Jetskis, die durch die Lagune Mooreas heizen. Wir sind froh zu Fuß unterwegs zu sein, bei Regen macht Quadfahren sicher wenig Spaß. Am nächsten Morgen werden wir von blauem Himmel begrüßt und ziehen ein zweites Mal mit Jin und Rolf zusammen los auf die Mini-Wanderung. Diesmal erreichen wir den Belvedere bei Sonnenschein und haben von hier aus sowohl die Opunohu als auch die Cooks Bucht im Blick. Ein schöner Ausklang für den Kurzbesuch Mooreas, den Jin noch mit einer Einladung zu chinesischem Essen an Bord von Oradel toppt.

Bora-Bora – glamouröse Perle der Gesellschaftsinseln

Unser nächstes Ziel ist Bora-Bora. Über diese Insel hört man viel Kontroverses auf den Ankerplätzen. Die einen finden sie viel zu touristisch und die Leute hier seien weniger nett als auf den anderen Inseln, andere loben Bora-Bora in höchsten Tönen. Es mag sein, dass Bora-Bora ein Urlaubsort für VIPs, Promis, Reiche und Sternchen ist. Für uns ist es einfach eine Insel, die günstig auf dem Weg liegt, von der wir uns ein eigenes Bild machen möchten. Die Postkarten-Motive aus Bora-Bora, die in jedem Kartenständer Französisch Polynesiens zu sehen sind, sehen jedenfalls vielversprechend aus.

 

Wir erreichen den Teavanui-Pass im Westen Bora-Boras 2 Tage nach unserer Abfahrt aus Moorea am späten Nachmittag, eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit. In Frage kommen drei Anlaufstellen, von denen wir uns gleich für eine entscheiden müssen: Gehen wir ins Ankerfeld gleich rechts vom Pass hinter einem größeren Motu, an eine der teuren Muringbojen des Bora-Bora Yachtclubs oder an eine Bojen der Maikai Marina in der Nähe der Ortschaft Vaitape? Vaitape ist am wenigsten geschützt und ich bin skeptisch, ob dort um diese Uhrzeit noch eine Boje frei ist. Ob die Befürchtung begründet ist oder nicht, lässt sich nur herausfinden indem wir hinfahren und Joachim möchte in der Nähe des Ortes liegen, also ist die Entscheidung klar. Zur Not könnten wir hinter dem Bojenfeld auch noch einen Ankerplatz finden. Doch wir haben Dusel. Gerade als wir zwischen den ersten an den Bojen vertäuten Booten hindurchfahren verlässt ein Katamaran seine Boje. Als ob er auf uns gewartet hätte, die Boje wird zum perfekten Zeitpunkt frei für uns. Weil starker Wind weht ist das Wasser aufgewühlt und wir müssen damit rechnen, beim Aufstoppen schnell abgetrieben zu werden. Aber auch diesbezüglich haben wir Glück. Bootsnachbarn springen hilfsbereit ins Dingi und helfen uns, indem sie Pagenas beiden Festmacherleinen fix durch die Öse der Boje fädeln und uns die Enden zurück an Bord geben. Am 21. Juli 2013 kommen wir in Bora-Bora an.

 

Das Wetter ist weiterhin nicht so, wie man sich Südsee-Wetter gemeinhin vorstellt. Der Himmel ist grau und bedeckt, die Windböen erreichen Starkwindstärke, jede Fahrt mit dem Dingi, egal wie kurz sie ist, wird zu einem nassen Ritt. Gut dass es hier exzellente Internetverbindung an Bord gibt. Und da der Windgenerator Tag und Nacht auf Hochtouren läuft, haben wir sogar Strom in Hülle und Fülle. Endlich mal perfekte Bedingungen um in den Blogs unserer Segelfreunde rumzustöbern und alle möglichen Infos einzuholen, die wir in den kommenden Wochen und Monaten brauchen werden.

 

Die Maikai-Marina beherbergt ein schickes Restaurant, eine Tauchbasis und einen Perlenladen. In ca. 20 Minuten laufen wir von hier aus ins Dorf, an einer geteerten Straße entlang, an deren Rand allerhand Unrat liegt. Die Häuser der Einwohner Bora-Boras sehen wie ganz normale einfache polynesische Häuschen aus, wir haben nicht den Eindruck, dass hier viel Geld von den betuchten Besuchern ankommt. Eine Tankstelle, ein Supermarkt, eine Bank, ein Restaurant, eine Wäscherei, eine Turnhalle und ein Festplatz liegen auf dem Weg ins Dorf. Im Dorf selbst gibt's einen Ramschladen, noch einen Supermarkt, noch eine Bank, eine zweite Tankstelle, Perlenlädchen, einen Zeitschriften- und Souvenirladen, eine Kirche, eine Polizeistation, eine Post, das Bürgermeisteramt, eine Touristen-Information, ein Air Tahiti Büro, ein Büro für Helikopterausflüge sowie zwei Lädchen, wo es Flip-Flops und Pareus (die großen bunten Tücher, aus denen Polynesierinnen sich jedes beliebige Kleidungsstück wickeln) zu kaufen gibt und ein kleines Hafenbecken. Fast alle Geschäfte bis auf die beiden Supermärkte stecken in kleinen Buden. Die Ortschaft Vaitape ist erstaunlich banal, von Glamour keine Spur. In einer halben Stunde haben wir alles gesehen. Auf der Straße herrscht allerdings Betrieb, die Autos schaffen es selbst in diesem Nest Stau zu produzieren. Die Frauen, die am Straßenrand Obst und Gemüse aus ihren Gärten anbieten, schauen gelassen zu.

Die meisten Besucher erhält Vaitape von den Kreuzfahrtschiffen, die hier regelmäßig anlegen. Wenn kein Kreuzfahrer da ist, sind wenig Touristen in Vaitape unterwegs. Segler und Nicht-Segler kann man unschwer an ihren Outfits und den Einkaufstüten unterscheiden. Die Mehrzahl der Besucher Bora-Boras kommt wahrscheinlich nie nach Vaitape. Bora-Bora hat die Hotels nämlich zum größten Teil auf die die Lagune umgebenden Motus ausgelagert. Auch der Flughafen befindet sich auf einem Motu. Von dort werden Gäste per Boot direkt zu ihrem Hotel gefahren - sofern sie nicht Helikopter-Service gebucht haben. Die Hauptinsel zu besuchen bedeutet einen Bootsausflug zu machen. Jedes Hotel hat hier einen eigenen Anleger, von wo aus die Shuttle-Boote fahren. So werden auf Bora-Bora die Einheimischen, die Segler und die Gäste verschiedener Hotels fein säuberlich getrennt. Man kommt sich gegenseitig nicht in die Quere und erzielt für alle ein Maximalmaß an Privatsphäre. Das Konzept ist grundsätzlich nicht schlecht, finden wir, auch wenn wir uns ja bekanntermaßen gerne unter die Einheimischen mischen.

 

Zufällig sind wir wieder einmal zur rechten Zeit am rechten Ort, denn gerade jetzt feiert Bora-Bora sein Heiva-Festival. Von Sonntag bis Mittwoch treten jeden Abend zwei Tanzgruppen aus Bora-Bora und von den umliegenden Inseln auf. Kurz überlegen wir, ob wir hingehen. Doch wir haben in den letzten Wochen schon so viele Tanzveranstaltungen besucht, der Reiz noch eine anzuschauen hält sich in Grenzen. An einem mal nicht regnerischen Tag marschieren wir los zur Inselerkundung, ohne bestimmtes Ziel. Wir laufen Richtung Norden, wo der Bora-Bora Yachtclub liegt. Unterwegs kommt uns die Idee, dass wir zu einem in unserer Karte eingezeichneten Aussichtspunkt hochlaufen könnten. "Das hier könnte die richtige Kreuzung sein, wo wir abbiegen müssen, oder?" Nach hundert Metern auf der breiten betonierten Nebenstraße, auf der Hunde streunen und Kinder mit ihren Fahrrädern herumtollen sehen wir einen kleinen Bretterverschlag, wo jemand "Croutes jambon fromage" verkauft – Getoastetes Baguette mit Käse und Schinken. Da unser Ausflug verspricht länger als gedacht zu werden, bestellen wir uns zwei Croutes und als wir Schokoladenkuchen entdecken, gleich noch zwei Stück dazu. Der Laden gehört einer jungen gutaussehenden Frau, die aus Ua Pou auf den Marquesas stammt, erfahren wir. "Da waren wir auch schon, schöne Insel", können wir Teua (sprich Te-u-a) berichten. Das freut sie natürlich und sie will genau wissen, wo wir schon überall waren. "Ihr seid die ersten Touristen die bei mir einkaufen" begeistert Teua sich schließlich für uns und bittet ihre Tochter ein Foto von uns zu machen zu dürfen. Zum Abschied bekommen wir sogar noch zwei Korallenketten von ihr geschenkt. – Da sagen die Segler, die Leute hier wären nicht nett, so ein Quatsch! Außerdem erfahren wir von Teua, dass noch gar nicht an der Kreuzung sind, wo es zum Aussichtspunkt geht. "Der ist noch ein ganzes Stück weiter die Bucht hoch."

 

Zu Fuß wird das ganz schön weit, daher kommt uns das Angebot des nahe gelegenen Bora-Bora Yachtclubs Fahrräder auszuleihen, gerade recht. Kurz darauf treten wir zum ersten Mal seit unserer Abfahrt vor über zwei Jahren in Wiesbaden mal wieder in die Pedale. Huch, ist das ungewohnt! Aber schööön. Per Pedales kommt man doch gleich viel flotter vorwärts. "Du warte mal, ich will sehen was die vielen Bündel aus Palmblättern da drüben zu bedeuten haben", rufe ich Joachim nach nicht einmal zwei Kilometern zu und quere die Straße. Neugierig luge ich einen Hof, der ein wenig nach Bauhof aussieht. Hinter dem Haus arbeitet ein Mann, der eine Mütze auf dem Kopf hat. Er winkt uns heran, wir sollen ruhig reinkommen. Er ist zusammen mit einer alten Frau damit beschäftigt, die traditionelle Dachbedeckung aus Palmblättern herzustellen. Blatt für Blatt wird um ein ca. 1 Meter langes Stöckchen gelegt und mit zwei Bambusspießen festgesteckt. Eine Anzahl der so entstandenen Matten werden zu einem dicken Bündel aufeinander gelegt, die Blätter werden in zwei dicke Zöpfe zusammengebunden. Pro Woche schaffen sie es, ca. 100 solche Bündel herzustellen, die für 25 Euros das Stück verkauft werden, erfahren wir auf Nachfrage. Kein schlechtes Einkommen finden wir, auch wenn der junge Mann erzählt, dass keiner von den Jugendlichen diese Arbeit mehr tun mag. "Sie arbeiten lieber direkt in den Hotels, als Dachbedeckungen für die Hotels herzustellen" erzählt er weiter. Dem Bürgermeister von Bora-Bora ist es zu verdanken, dass dieses Handwerk noch ausgeübt wird. Denn er schreibt vor, dass die Hoteldächer alle in traditioneller Art und mit Naturmaterialien gedeckt werden, nachgeahmte Plastikdächer, wie wir sie auf den Marquesas gesehen haben, kommen ihm nicht auf die Insel. Der Bürgermeister scheint ein kluger Mann zu sein.

Den Aussichtspunkt haben wir mittlerweile aufgegeben. Jetzt zieht uns ein Weg an, der über einen kleinen Bergrücken den Weg von der Ostseite der Insel auf die Westseite rüber gut abzukürzen scheint. Dazwischen liegt nur ein kleiner Bergrücken, der nicht allzu hoch aussieht. Bald schieben wir die Räder eine rumpelige steile Straße hoch, die dann in einen groben Schotterweg übergeht. Unterwegs gibt es den Bunker einer alten amerikanischen Militärstellung zu sehen. Bald stehen wir ratlos an einer unbeschilderten Weggabelung. Keiner der beiden Wege sieht so aus, als würde er in absehbarer Zeit den Bergrücken erreichen und sich für eine Fahrradtour eignen. Wir entscheiden uns für den bequemeren Weg und schieben ein Stück weiter, denn es ist einfach schön hier oben. Grün und bergig, schauen wir mal, wie weit wir kommen und wo dieser Weg hinführt. Nirgends, der Weg entpuppt sich als Sackgasse, die bei einem Feld endet. Der zweite Weg bringt uns zum Anwesen einer Künstlerin, die Pareus von Hand bemalt. Von ihrem Grundstück aus hat man wunderbare Aussicht über den Nordteil der Insel. Nach mehrfachem lauten Rufen erscheint sie und erlaubt uns, uns auf dem Grundstück umzusehen. Ihre Hündin namens Fanfan freut sich über die unerwartete Gesellschaft und begleitet uns. Als Spielzeug schleppt sie eine Kokosnuss mit sich rum, um die wir immer wieder mir ihr kämpfen sollen. Schließlich zerlegt sie fachgerecht die äußere Schale der Kokosnuss, indem sie sich mit den Pfoten draufstellt und mit den Zähnen Strang um Strang von der Nuss schält. Die freigelegte Kokosnuss kann sie allerdings kaum noch tragen, denn in die harte Schale kann sie nirgends reinbeißen. Die Hündin, die ihre Kokosnuss an einen Stein gelehnt parkt und anwinselt, amüsiert uns köstlich. Wir denken, dass sie an das Wasser in der Nuss ran will und Joachim hilft ihr schließlich, indem er ihr die Nuss mit einem großen Stein zerschlägt. Das war zwar gut gemeint, ist aber offensichtlich nicht das, was Fanfan wollte, denn auf einmal ist die Kokosnuss uninteressant für sie. Das Wasser ist ohnehin sofort im Boden versickert und Kokosfleisch interessiert sie nicht. Nein, wahrscheinlich war das Geräusch, dass das Wasser in der Nuss gemacht hat, das, was den Hund so fasziniert hat. Zum Glück liegen noch viele Kokosnüsse auf dem Grundstück rum.

 

Den Plan die Abkürzung über den Hügelrücken auf die andere Inselseite rüber zu nehmen, lassen wir fallen und schieben dieselbe Strecke zurück, die wir gekommen sind. Mit einem Rad mit Nabenbremse die rumpelige Schotterpiste runterzufahren wäre lebensgefährlich. Auf der geteerten Straße geht's dann wieder. Also fahren wir halt doch so weit wir kommen auf der Küstenstraße um die Insel rum. Gelegentlich müssen wir kräftig gegen den Wind antreten, doch es ist herrlich. Wir beschließen uns zukünftig viel öfter Fahrräder leihen. Als wir ca. um die halbe Insel rum sind, kehren wir um. Auf der zweiten Hälfte hätten wir mit sehr viel Gegenwind zu rechnen und nach Einbruch der Dunkelheit wollen wir runter von der unbeleuchteten Straße sein. Zumal wir ja von Vaitape aus nochmal zum Yachtclub hoch müssten, um die Räder wieder abzugeben. Da wo wir vorher gegen den Wind kämpfen mussten, haben wir jetzt Rückenwind.

Noch einmal fällt mir unterwegs etwas ins Auge, das uns zum Anhalten bringt. Diesmal ist es ein kleines Modell eines Ausleger-Kanus, das auf einem Gartenzaun thront. Im warmen Licht der Abendsonne ein schönes Fotomotiv. Sogleich kommt der Hersteller des Kanus aus seiner Hütte. "Wartet, ich habe auch noch größere und die Modelle schwimmen prima, ich zeig's Euch" begrüßt uns Edwin. Schon geht er mit einem größeren Modell in der Hand über die Straße und läuft ins Wasser. Wir folgen ihm auf den Schritt, aber er ruft uns zu: "Nein, nicht hier, Ihr müsst da drüben hingehen, da wo das Kanu hinsegelt." Wir tun wie uns geheißen und schon flitzt das Kanu auf uns zu. Es ist vollständig aus natürlichem Material gebaut. Die Rümpfe sind aus Hibiskus-Holz, das leicht wie Balsaholz ist, die Ausleger aus irgendwelchen Stöckchen, das Segel aus der faserigen Matte vom Stamm einer Kokospalme und die Seile schließlich aus selbst gedrehter Kokosnussfaser. Die Verarbeitung könnte schöner sein, aber das Kanu ist perfekt ausbalanciert, toll! Er habe gerade erst damit angefangen diese Kanus herzustellen, erzählt Edwin. Als wir ihm unsere Bootskarte übergeben, schreibt er uns seinen Namen auf mein Notizblöckchen, das ich stets mit mir rumtrage. Dazu schreibt er eine Nummer. "Ist das Deine Telefonnummer?" will ich wissen. "Nein, mein Geburtsdatum." Edwin ist Jahrgang 1973, wir hätten ihn aufgrund seiner schlechten Zähne für älter gehalten.

 

Als wir die Räder wieder abgegeben haben, steht uns noch eine letzte Überraschung bevor. Mittlerweile ist es dunkel und wir laufen die Straße entlang zur Maikai Marina zurück, als ein kleines Auto uns überholt und schließlich etwas vor uns am Straßenrand anhält. Die Fahrerin ist eine alte Frau, die uns fragt: "Wollt Ihr mitfahren? Ich habe Euch aus dem Yachtclub kommen sehen, ich wohne gegenüber." – "Ja gerne, warum nicht" antworten wir und steigen überrascht von so viel Gastfreundschaft ins Auto ein. Zügig fährt die Dame Richtung Vaitape, sie will zum Heiva-Festival. Als ich Ihr an der Maikai Marina vorbeifahren und ich ihr sage, dass hier unser Boot liegt und dass wir hier aussteigen möchten, ist sie sehr verduzt. Ach so – jetzt verstehe ich. Sie dachte unser Boot läge im Yachtclub und wir würden wie sie selbst zum Heiva-Festival gehen wollen. Da müssen wir sei leider enttäuschen, unser toller Ausflugstag geht heute hier zu Ende. Was für ein Tag! Bora-Bora ist eine tolle Insel, sollen die anderen sagen was sie wollen.

 

Als das Wetter endgültig aufklart verlegen wir Pagena auf einen Ankerplatz auf der Südostseite der Lagune und hier bekommen wir das Gefühl, auf einer Postkarte zu leben. Das Wasser auf dieser Seite der Lagune ist größtenteils sehr flach und leuchtet uns über hunderte von Metern in verlockend schillerndem Türkisblau entgegen. Türkisblau mit hellen gelben Reflexen von der Sonne ist Balsam fürs Auge und für die Seele und hat Suchtpotential. Für uns Segler ist diese Wasserfarbe genauso ungewöhnlich wie für die Gäste der Overwater-Bungalows, deren Stege von den Motus aus ins Wasser ragen. Das Wasser ist kristallklar, hat kaum Kräuselwellen und lädt förmlich zum Baden ein. Baden können wir aber erst, wenn Pagena vor Anker liegt.

Der Weg zu unserem Ankerplatz gestaltet sich leicht abenteuerlich, denn aus der tiefen Fahrrinne, die um die Nordspitze Bora-Boras herumführt, müssen wir irgendwann ins flache Wasser abbiegen, um bis ganz in den Süden runter zu kommen. Über die Farbkante zu fahren kostet ein wenig Überwindung. "Bist Du ganz sicher, dass es hier lang geht?" "Ja, laut Seekarte und den Tonnen da vorne schon." Die Fahrwassertonnen bilden zusammen mit ein paar Kardinalzeichen einen wilden Zickzack-Kurs, der sich erst bei genauem Studium der Seekarte erschließt. Wir haben jedoch Spaß an dieser Strecke, die wir unter Motor zurücklegen. Segeln geht hier nicht, man könnte sein Schiff auf gleich aufs Riff setzen. Schließlich sind wir durch und erreichen einen riesigen Ankerplatz am Ende des Motus Piti Aau, dessen Sandfläche keinen einzigen Korallenkopf beherbergt und an dem bislang kein anderes Boot liegt. Der Blick auf das Riff vor uns, das Motu neben uns und das scharfzackige Profil des 727 Meter hohen Berges Otemanu hinter uns ist grandios. Ruckzuck haben wir die Badesachen an und springen ins kühle Nass, das sich als kühler entpuppt, als wir dachten. Zu sehen gibt's hier im Wasser allerdings nichts, um Fische zu sehen müssen wir irgendwo ans Riff.

 

Die Fische, die am meisten Faszination auf uns ausüben sind Manta-Rochen, die es in der Lagune von Bora-Bora gibt. Eine Stelle, die die Mantas regelmäßig aufsuchen, liegt gut 5 km nördlich, unweit davon kann man ebenfalls ankern. Direkt vor dem Lagoonarium und zwischen den Overwater-Bungalows des St. Regis und des Le Meridien Hotels. Wer einen solchen Luxus-Bungalow mietet, wird dafür um mehrere hundert Euro pro Nacht erleichert. Wir haben dieselbe Aussicht – aber umsonst! Von außen betrachtet finden wir die Bungalows des Le Meridien noch nicht einmal sonderlich attraktiv. Sie sind blechverkleidet, wirken ziemlich klein und haben noch dazu eine spärlich bemessene Terrasse. Wir sehen auch niemanden auf seiner Terrasse sitzen. Was mich als Gast hier am meisten stören würde, ist das Reihenhaus-Gefühl, das die dicht an dicht nebeneinander gereihten Bungalows in mir erzeugen. In einem Hotel nimmt man die Zimmer der anderen Gäste nicht mehr wahr, sobald man seine Zimmertür geschlossen hat. Hier blickt jeder seinem Nachbarn auf die Terrasse. Oder stört das keinen, da eh alle drinnen hocken und durchs Glasbodenfenster ins Wasser gucken? Ich kann mir das kaum vorstellen, denn wie gesagt, auf den Sandflächen gibt es kaum Fische zu sehen und erst recht nicht die bunten. Aber wahrscheinlich sind die meisten Gäste tagsüber mit Aktivitäten beschäftigt: Tauchen gehen, einen Jet-Ski-Ausflug oder einen Inselrundflug mit dem Helikopter machen, Sport treiben, sich eine Massage geben oder sich frisieren lassen, Schmuck aus schwarzen Perlen als Andenken kaufen etc. pp. Wem das zu viel Action ist, der lümmelt wahrscheinlich in seinem schön gekühlten Bungalow mit einem Buch auf dem Bett und starrt ab und zu gedankenverloren durch den Glasboden ins Wasser. Bora-Bora ist eine Insel, auf der man definitiv entschleunigen kann.

Was den Overwater-Bungalow-Bewohnern definitiv fehlt, ist ein Dingi, mit dem sie mal eben an die Fahrrinne vorfahren könnten, denn da treiben sich die Mantas rum. Wir müssen jedoch auch etwa eine halbe Stunde im Wasser warten, bis einer dieser bizarren, riesigen Fische tief unter uns auftaucht. Er schwimmt in ca. 10 Meter Wassertiefe an uns vorüber. Im stark durchströmten Kanal sind viele Schwebstoffe – vermutlich die Nährstoffe, deretwegen der Manta herkommt – was zu ziemlich vermurksten Unterwasserfotos führt. Egal, wir haben beim Schnorcheln einen Manta gesehen! Wieder ein Punkt, der von der Bucket-List gestrichen werden kann.

 

Ein paar Tage später unternehmen wir am Südende des Motus Toopua einen weiteren Versuch Mantas zu sehen. Hier ist der Spot, wo alle Tauchschulen ihre Gäste hinbringen, die beim Tauchen Mantas sehen möchten. Bei uns sind die Gypsy IV und die Felice, zusammen bilden wir ein deutsches Eck. Auch hier gibt es einen tiefen Wasserkanal mit viel Strömung. Zusammen mit Ronald von der Gypsy gehen wir früh morgens auf Dingi-Schnorchel-Drift, sprich wir lassen uns mit unseren Dingis an einer langen Leine durch den Kanal treiben. Mantas sehen wir heute keine, dafür finden wir eine Gruppe von etwa fünfzig Adlerrochen, ebenfalls sehr schöne Tiere. Leider sind die hübsch getupften Rochen alle weit unter uns, so dass wir sie nur schemenhaft erkennen können. Ronald und Joachim tauchen ein paar Mal runter, aber als Schnorchler haben sie nicht allzu viel Luft um lange unter Wasser bleiben zu können. Trotzdem kommen wir alle drei zufrieden von diesem Schnorchelgang zurück. Abends treffen wir uns zum Sundowner auf der Felice. Wir unterhalten uns prächtig und als wir schließlich Hunger haben, entschließen wir uns spontan dazu zusammen zu kochen. Wir spendieren vorgekochte Bolognese-Sauce aus Pagenas Vorratskiste sowie eben auf Bora-Bora erstandene Spätzle zu Connys Gulasch. Ja, auf Bora-Bora haben wir zufällig im Super U Spätzle entdeckt, was für eine Delikatesse. Die gab es seit wir Deutschland verlassen haben noch nirgends. Spätzle finden die anderen vier auch entsprechend prima ebenso wie die spontane Kochaktion. Ja, die wahren Freuden des Lebens können ganz einfach sein...

 

Schließlich beenden wir unsere Tour durch die Lagune Bora-Boras mit einem kurzen Blick auf den Ankerplatz vor der Matira Bucht, am Südwestende der Insel, wo es den schönsten Strand geben soll und ankern selbst hinter dem Motu Toopua, ebenfalls ein ausgesprochen schöner Ankerplatz, den wir uns mit etwa zehn anderen Schiffen teilen, die sich teils östlich, teils westlich der Fahrrinne niedergelassen haben. Die Gypsy IV ist ein recht großes Schiff und so laden Ronald und Christine gleich vier Crews gleichzeitig zu einem Sundowner ein. Wieder wird es ein äußerst lustiger Abend, der sich lange über den Sonnenuntergang hinauszieht. Diesmal sind außer uns paar Deutschen und Christine, die Österreicherin ist, das schwedisch-chinesische Paar und ein deutsch-isländisches Paar mit von der Partie, sozusagen Vereinte Nationen an Bord von Gypsy IV. Das goldene Verdienstkreuz verdient sich Conny, als sie zwischendurch zur Felice zurück fährt und mit frisch gebackenen Pizzastückchen zurück kommt, die eigentlich ihr und Wolfgangs Abendessen werden sollten. Das müsste ihr eigentlich selbst im Nachhinein noch jemand basteln.

 

Nach einem letzten Abstecher in die Maikai-Marina zieht es Joachim und mich weiter. Bora-Bora hat uns tolle Erlebnisse beschert, wir sind froh, hergekommen zu sein. Jetzt erwartet uns eine Schwachwindperiode, die perfekt für einen Besuch Maupitis geeignet ist.

Maupiti – Orchidee der Gesellschaftsinseln

Maupiti, die letzte der Gesellschaftsinseln, die wir besuchen, könnte man als Miniatur-Ausgabe Bora-Boras bezeichnen. Die Inseln ähneln einander, aber in Maupiti ist alles kleiner, überschaubarer und schneller erreichbar. Unter Seglern ist Maupiti vor allem für zwei Dinge bekannt: seine Manta-Rochen und seinen kleinen, manchmal gefährlichen Pass. Maupitis Onoiau Pass in die Lagune hinein ist relativ schmal und nur bei ruhigem Wetter gut passierbar. In allen Revierführern stehen entsprechende Warnungen und Hinweise. Keiner unserer Freunde mag mitkommen. Die zwanzig Meilen von Bora-Bora nach Maupiti müssen wir Motor-Segeln. Ca. 20 Minuten eher als wir geht eine vor uns segelnde Yacht durch den Pass. Wir können genau beobachten, wie das Wasser links und rechts des Schiffes brodelt, es aber problemlos sein Ziel erreicht. Als wir uns selbst in der Ansteuerung des Passes befinden, ist uns trotz aller detaillierten Beschreibungen des optimalen Kurses und trotz der Beobachtung des anderen Seglers ein wenig mulmig zumute. Das Hirn kann sich einfach schlecht über das, was die Augen melden, hinwegsetzen. Aus dem schrägen Winkel der Ansteuerung heraus sehen wir weit und breit nur Wellen, die sich auf dem Riff auftürmen und sich schließlich wild weiß schäumend brechen. Die schmale ruhige Einfahrt in den Pass hinein erkennen wir wirklich erst, als wir die Peillinie von Ober- und Unterfeuer gefunden haben. Ab da ist alles ein Kinderspiel, es ist ein perfekt ruhiger Tag für diese Ansteuerung und wir sind zum richtigen Zeitpunkt da. Eine Besonderheit der Gesellschaftsinseln ist nämlich, dass die Tide hier nicht mond- sondern sonnenabhängig ist. Jeden Tag um Mittag herrscht Hochwasser. In Mauptits Pass, aus dem das Wasser immer ausströmt, herrscht jetzt die geringste Strömungsgeschwindigkeit.

 

Nach wir wohlbehalten durch den Pass durch sind folgen wir dem Lauf der Wasserrinne in die Lagune rein. Hinter dem Motu, das den Pass im Westen begrenzt, ankern drei Katamarane. Das muss der Platz sein, von dem aus sich in Maupiti besonders gut Manta-Rochen beobachten lassen. Wir verlassen das dunkelblaue Fahrwasser und lenken Pagena ebenfalls in die Zone wo das Wasser hellblau leuchtet. Auf 4 Metern Wassertiefe werfen wir Anker. Obwohl wir in Bora-Bora ja schon einen Rochen gesehen haben, möchten wir doch noch mal so richtig lange mit Manta-Rochen schnorcheln und die Tiere aus weniger Distanz sehen. Gelegenheit dazu hätte es schon auf den Marquesas gegeben, die haben wir allerdings versäumt. Früh am nächsten Morgen setzen wir uns ins Dingi und fahren eine kurze Distanz bis zu zwei Bojen, an denen offensichtlich Exkursionsboote festmachen. Dort gleiten wir ins Wasser, binden uns in gewohnter Manier das Dingi am Körper fest und lassen uns von der Strömung mitziehen. Nach nur wenigen Minuten kommt ein Manta neugierig auf uns zugeschwommen, begutachtet unseren komischen Anblick und zieht mit kaum merklichen Flügelschlägen behände weiter in die Lagune hinein. Wir wiederholen das Manöver einige Male und jedes Mal sehen wir ein paar Mantas. Die wie Raumschiffe durchs Wasser gleitenden Giganten des Meeres, die immer urplötzlich aus dem Nichts heranschweben bringen es ausgewachsen auf bis zu fünf Meter Spannweite. Die Tiere, die wir hier sehen, schätzen wir auf etwa 3 Meter Spannweite. Besonders interessant finden wir die "Hörner", die die Mantas rechts und links vom breiten Maul haben. Beim Gleiten sind sie stets kompakt eingerollt, wenn Plankton im Wasser ist und der Manta fressen will, werden sie ausgerollt und wie Schaufeln ums Maul gelegt. Den Glanz, den die Haut des Mantas im Wasser erzeugt, wenn Sonnenstrahlen auf sie treffen, finden wir erstaunlich. Manta-Rochen sind faszinierende Tiere! Nach ca. einer Stunde im Wasser sind wir kaputt und durchgefroren und wollen zurück aufs Boot. Außerdem sind jetzt fünf Tourboote da, deren ca. 40 Gäste alle munter im Wasser planschen. Das ist uns zu viel Trubel, wir ziehen uns zurück, sehr zufrieden mit dem Auftakt, den Maupiti uns an diesem Morgen geboten hat.

Am nächsten Morgen wiederholen wir den Spaß des ersten Tages und wieder sehen wir einige Mantas, die es nicht zu stören scheint, dass Menschen sich an ihrem Anblick erfreuen. Mittags verlegen wir Pagena auf den Ankerplatz vor dem Dorf, denn es ist ein klarer, wolkenfreier Tag, der sich bestens für die Wanderung auf den 380 Meter hohen Gipfel Maupitis eignet. Unweit des Anlegers führt eine auffällige Betontreppe den Hang hoch, das ist der Einstieg. Dahinter führt ein schmaler Pfad durch lichten Wald auf eine erste Anhöhe, die bereits tollen Ausblick auf die Lagune vom Ankerplatz bis zum Pass bietet. Danach geht's weiter durch angenehm schattigen Wald, steil bergauf, über Wurzeln und Felsen, die erklommen werden müssen. Ab und an sind Halteseile gelegt, gut sichtbare orangefarbene Markierungen aus Sprühfarbe weisen den Weg. Spaßeshalber mault Joachim "Wer ist denn auf die bescheuerte Idee gekommen, dass wir hier hochlaufen müssen." Zwar ist der Weg anstrengend, aber wir kommen dem Blau des Himmels schnell entgegen, weit kann der Gipfel gar nicht sein. Ein letzter großer Felsbrocken, dann stehen wir ganz oben und staunen mit offenen Augen. Der ganze südliche Teil der Lagune ist zu sehen, die Farben und Formen sind schlichtweg wunderbar. Das wolkenlose Blau des Himmels, darunter das tiefblaue Meer, auf dem kleine Wellen tanzen. Dann der schmale weiße Kranz, den die sich auf dem Riff brechenden Wellen bilden, gefolgt von Motus mit ihren in der Sonne goldgelb leuchtenden Stränden und grünen Palmwäldern. Davor das fast unwirkliche Türkis der riesigen flachen Wasserflächen der Lagune. Unser Boot darin ist als winziger Punkt erkennbar. Wie viel größer der Katamaran in Pagenas Nähe ist, erkennen wir von hier oben in aller Deutlichkeit. Kurz vor der Insel dann schließlich das dunkelblaue Wasser der tieferen Wasserrinne, die in einer S-Kurve zum Pass hinaus führt. Am rechten Rand des Blickfeldes haben Korallen ein bizarres wabenartiges Muster in die Lagune gezaubert, das sich nur aus der Höhe erkennen lässt. So eine Wasserlandschaft haben wir noch nie gesehen. Schließlich richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf zwei Schiffe, deren Einlaufen in den Pass wir in aller Ruhe aus der Vogelperspektive beobachten können. Unsere Vermutung, dass die Skipper keinen guten Zeitpunkt für das Vorhaben gewählt haben, bestätigt sich, als das erste Schiff im Pass fast eine Viertelstunde lang auf der Stelle steht. Der Katamaran hinter ihm scheint besser motorisiert zu sein, er kann die Yacht locker überholen. Schließlich hat sie sich jedoch auch Meter um Meter gegen die starke Strömung in die Lagune hinein gekämpft und fährt dem Kat hinterher hoch zum Dorf. Wir schießen mal wieder bergeweise Fotos, jede Nuance des einmaligen Ausblicks, den wir von hier oben haben, wollen wir festhalten. Schließlich siegt die Vernunft, die uns sagt, dass wir uns auf den Abstieg machen müssen, denn die steilen Passagen bergab sind schwieriger zu bewältigen als bergauf und der Tag neigt sich schon wieder dem Ende zu.

Am dritten Morgen in Maupiti stehen wir noch früher auf als an beiden Morgen zuvor, denn bevor wir die Lagune um die Mittagszeit herum verlassen, wollen wir nochmals am Manta-Schnorchelplatz ankern und wir wollen schon deutlich vor Ankunft der Ausflugsboote im Wasser sein. Wir wundern uns überhaupt über die Anzahl der Ausflugsboote, die Tag für Tag an den Schnorchelplatz kommen, denn in Maupiti gibt es nur wenige Unterkünfte für Urlauber. Wir haben den Eindruck, dass auch viele Polynesier unter den Gästen der Ausflugsboote sind. Vielleicht liegt es daran, dass Polynesien gerade Schulferien hat. Unser dritter Morgen mit den Mantas wird der beste. Dieses Mal gehen wir nicht mit dem Dingi driften sondern fahren es nur bis zu den Bojen und schwimmen von dort aus gegen leichte Strömung in die Lagune zurück. Dabei begegnen uns mehrere Mantas, die wir länger als die beiden Tage zuvor und auf niedrigeren Wassertiefen als die Tage zuvor, in aller Seelenruhe beobachten können. Fast unbemerkt schwimmen wir dabei an Pagena vorbei. Wir hätten heute also gar kein Dingi gebraucht, wir hätten einfach vom Boot aus losschnorcheln können. Hier hinten in der Lagune ist die Strömung viel schwächer als weiter vorne und wir haben die Mantas ganz für uns alleine. Wir sind ganz aus dem Häuschen, so schön ist das!

 

Wir könnten noch eine Weile lang hierbleiben und den fantastischen Ort auskosten, doch der Wind frischt wieder auf und falls er auf Süd dreht, würden wir in Maupiti festliegen. Der Pass würde dann unpassierbar. Besser wir verlassen Maupiti jetzt und nehmen die nächste Etappe in Angriff, ca. 1.000 Meilen nach Westen Richtung Beveridge Reef oder Niue. Nach fast vier Monaten, in denen wir insgesamt 12 Inseln bzw. Atolle besucht und an 22 verschiedenen Plätzen geankert haben, verlassen wir Französisch Polynesien, um eine Vielzahl beindruckender Erlebnissen und unvergesslicher Begegnungen reicher.

 

Zur Bildergalerie