17. August - 5. September 2011: Balearen

Am Nachmittag des 16. August laufen wir in die Cala Fornells auf Menorca ein. Unsere Seekarte sagt, dass ankern hier verboten sei, dem Revierführer zufolge darf man ankern, nur nicht in Seegrasfeldern. In solchen Fällen hilft nur eins: Hinfahren und nachschauen. Tatsächlich ankern viele Schiffe in der riesigen Bucht, die sich hinter der schmalen Einfahrt öffnet. Na also! Das weiße Fischerdorf Fornells und die den Ort umgebende Bucht wird für die nächste Woche unsere Heimat, wir fühlen uns hier richtig wohl. Das Schiff liegt sicher, die Bucht ist malerisch und der Ort bietet alles was wir brauchen. Glasklares und angenehm temperiertes Wasser lädt zum Schnorcheln ein. Susanne: „Ich nehme jetzt meist die kleine Lumix-Kamera mit zum Schnorcheln und versuche Fische zu fotografieren. Zwar kommen noch selten gute Fotos dabei raus, aber mit Hilfe der Aufnahmen können wir viel besser bestimmen, welche Fische wir sehen. Mir macht das riesigen Spaß!"

 

Fornells hat weder eine große Hotelanlage noch eine Disco. Es gibt nur ein paar Restaurants und Bars sowie kleine Ladengeschäfte mit hübschen Auslagen. Man kommt hier her um Wassersport zu betreiben, die Bucht bietet optimale Bedingungen: Keine Strömung, kaum Wellen aber tagsüber oft guten Wind. Windsurfer und kleine Katamarane fetzen übers Wasser, auf Lasern und Optimisten lernen Jung und Alt Segeln. Segler und Motorbootfahrer, die auf den Balearen unterwegs sind bleiben meist für einige Tage hier.

 

Mit dem Bus machen wir einen Ausflug in die Inselhauptstadt Mahon, auf den lokalen Straßenschildern steht „Maó". Als wir morgens auf dem Weg zur Bushaltestelle in unser Dingi steigen, liegt dicker Nebel über der gesamten Bucht. Wir müssen etwa 500 Meter quer durch die Bucht fahren um nach Fornells zu gelangen. Aber wo ist Fornells? Im Nebel verliert man jegliche Orientierung. Nur gut, dass wir von Susannes Kollegen eine Armbanduhr mit Kompass geschenkt bekommen haben, die uns den Weg weist. Unterwegs kreuzt ein anderes Dingi unseren Weg, das offensichtlich den Ort verfehlen wird. Wir rufen rüber, dass sie uns folgen sollen. Ein paar Minuten nach uns trifft das Dingi am Dingidock ein. Die Besatzung bedankt sich herzlich für den Tipp.

 

Der Inselbus fährt alle umliegenden Siedlungen zwischen Fornells und Mahon an, und beschert uns ca. 50 km Strecke über Land, die uns einen Eindruck von der Landschaft im Inselinneren geben. Menorcas Hügel werden von immergrünen Bäumen und Sträuchern bewachsen, die Felder sind von Steinmauern gesäumt. Auf wenigen bewässerten Feldern wächst Mais, auf kargen Weiden stehen Pferde, Kühe und Ziegen, dazwischen liegen Pinienwälder.

 

Mahon hat ein paar hübsche Altstadtgassen, hinterlässt aber nur wenig bleibende Eindrücke bei uns. Vielleicht ist es anders, wenn man per Schiff in die Stadt kommt, deren Hafen am Ende einer 5 km langen schmalen Bucht liegt, die sich tief ins Land hineinschneidet. Stolz der Stadt ist die Orgel der Kirche Santa Maria, die von deutschen Orgelbaumeistern konstruiert wurde. Am Mittag hören wir ein schönes halbstündiges Orgelkonzert und entfliehen zudem der Mittagshitze.

 

Einen weiteren Ausflug unternehmen wir mit unserer Pagena, wir fahren an die Ostküste in den Naturpark Des Grau – Favàritx. Uns interessiert die 70 ha große Lagune S'Albufera, die, teils von Süß- und teils von Salzwasser genährt, vor allem für Wasservögel besonderen Lebensraum bietet. Als wir am Rand der Lagune nach Vögeln Ausschau halten, wird sie nur von Wasserhühnchen bevölkert. Enten, Reiher, Kormorane und Fischadler sind wohl ausgeflogen. Die Landschaft im Naturpark bietet auf engem Raum viel Abwechslung: Schmucke Holzstege überziehen einen Teil der Feuchtzonen rund um die Lagune, die mit etwas stinkig riechenden Pflanzen bewachsen sind, am Uferrand stehen Schilfrohr und Oleasterhaine. Am anderen Ende der Lagune erheben sich niedrige Berge, die unzugängliche fjordartige Buchten formen, dicht bis ans Wasser runter mit Bäumen bewachsen. Gleich hinter den Dünen, welche die Lagune vom Salzwasser trennen, liegt eine Steilküste, die zahlreiche kleine Strände beherbergt, zu denen Trampelpfade hinab führen. Und am Eingang der Bucht liegt das ebenfalls unter Naturschutz stehende Inselchen Illa d'en Colom. Es ist ein reizvoller Ort und wir sind froh hergekommen zu sein.

 

Nach einer guten Woche in Fornells spüren wir, dass wir lange genug auf Menorca sind und weiter ziehen wollen, auch wenn es noch viele unbesichtigte Ecken gibt, z.B. die sehenswerte Südküste oder die prähistorischen Taulas, so was ähnliches wie „Stonehenge". Aber die Wege dorthin und die vorherrschenden Winde lassen sich schlecht mit unseren weiteren Plänen vereinen.

 

Die abschließende Fahrt an der Nordküste Menorcas entlang Richtung Mallorca gibt Aussicht auf kegelförmige Pyramiden, „barraques" genannt, die am Rand von Feldern stehen. Sie erinnern ein wenig an die südfranzösischen „Trullis", aber unser Reiseführer verrät nichts Näheres über ihre Bedeutung oder Nutzung. Ebenfalls unerwähnt bleiben die auffälligen beiden altertümlichen Bauten, die neben dem Leuchtturm Punta Nati stehen.

 

Die Überfahrt nach Mallorca ist kurz, den größten Teil der Strecke können wir unter prima Bedingungen Segeln. Die Bucht von Pollensa im Nordosten Mallorcas, direkt unterhalb des Kap Formentor ist riesig. Man braucht eine gute Stunde um sie zu durchfahren. Mallorcas Bergmassiv, die sich hinter Pollensa erhebende Tramuntana, ist imposant, sie wirkt fast schon alpin – schön!

 

Vor Puerto de Pollensa gibt es wieder ein großes Ankerfeld, in dem wir bequem einen Liegeplatz finden. Dem Ort selbst schenken wir wenig Aufmerksamkeit. Mit dem Bus fahren wir hoch nach Pollensa, neben Palma das zweite kulturelle Zentrum der Insel, das schon immer viele Künstler angezogen hat und heute noch auffallend viele gute Galerien beherbergt. Das Städtchen ist klein, und da wir weder Souvenirs kaufen noch Geld im Restaurant ausgeben wollen, sind die Gassen schnell durchstreift. Die 365 Stufen auf den Kalvarienberg hoch liegen in der prallen Mittagssonne. Joachim: „Jetzt da hoch in der prallen Mittagshitze– ich bin doch nicht verrückt! Lass uns warten bis es am Nachmittag etwas Schatten gibt." So landen wir in der Wartezeit im Museum des Künstlers Dionis Bennàssar, in dessen eleganten ehemaligen Wohnhaus. Die farbenfrohen Bilder, die irgendwo zwischen Im- und Expressionismus anzusiedeln sind, gefallen uns und wir studieren das Werk des Künstlers ausgiebig. Sogar ein Katalog der Ausstellung reist jetzt mit uns um die Welt.

 

Als wir schließlich auf dem Kalvarienberg ankommen, bestätigt sich die Mär, dass Mallorca Deutschlands 17. Bundesland wäre. Wir hören um uns rum fast ausschließlich Deutsch, was ein komisches Gefühl hinterlässt, denn wir sind hier doch in Spanien und nicht daheim. Später outet sich selbst in der Tapasbar, in der wir eine Kleinigkeit zu Essen bestellen, der Chef als Münchner, der doch eigentlich recht Spanisch aussah. So ist das halt in Malle.

 

Auf dem Weg nach Puerto de Soller an der Westküste Mallorcas erleben wir einen heftigen Segeltag. Erst pfeifen uns am Kap Formentor heftige Fallböen in die Segel, dann frischt der Wind unerwartet auf 5 bis 6 Windstärken genau von vorne auf und beschert uns unangenehmen Wellen. Joachim: „Wir beobachten, dass eine andere, wesentlich größere Segelyacht offensichtlich umdreht und zurück in die Bucht von Pollensa fährt. Auch wir denken darüber nach, ob das Sinn macht. Aber eigentlich kämpft sich Pagena recht ordentlich durchs Wasser und wir beide sind bei guter Laune. Selbst bei vorsichtiger Berechnung unserer Geschwindigkeit auf einem Kreuzkurs müssten wir es schaffen, vor 20 Uhr in Sóller einzutreffen. Wir entscheiden gegen Wind und Wellen weiter zu fahren."

 

Die Bucht von Soller ist ein Naturhafen, in dem in den letzten 10 Jahren eine richtige Marina entstanden ist. Auch dort gibt es ein Ankerfeld, allerdings geht es darin recht eng zu. Die vielen Boote, die es nutzen, haben kaum genügend Platz, um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen. Wir kommen bei Schwojen einem Motorboot zu nahe und beschließen, dass es kein guter Platz für eine ruhige Nacht ist, zumal wir von verschiedenen Leuten erfahren, dass nachts Starkwind in Puerto de Soller erwartet wird. Wir legen unser Boot an den Steg und zahlen lieber die Liegegebühr, als ein Risiko einzugehen. Dabei lernen wir Jörg und Heidi von der Nachbaryacht „Sirena" kennen. Die folgenden Tage versorgen uns die beiden mit haufenweise guten Tipps für den Aufenthalt in Spanien und laden uns auf einige Flaschen Wein an Bord der „Sirena" ein. Leider dämpft die Weinmenge das Erinnerungsvermögen an den Ratschlag-Reigen...

 

Von Puerto de Sóller rumpelt eine schnuckelige alte Holz-Strassenbahn mit kaum mehr als Schrittgeschwindigkeit hoch nach Sóller. Auf der Fahrt kann man den Bewohnern des Sóller-Tals in die Gärten und Hinterhöfe spähen und ist fast verleitet, während der Fahrt die in Reichweite hängenden gelb glänzenden Zitronen von den Bäumen zu pflücken. Von Sóller aus fährt in rund einer Stunde eine ebenfalls aus Holz gebaute Eisenbahn quer durch die halbe Tramuntana nach Palma de Mallorca. Die Strecke führt durch fruchtbare Täler, vorbei an Jahrhunderte alten Olivenhainen, unterbrochen von unzähligen Tunnels. Im Vergleich zu einer Busfahrt ist dieser Ausflug eine kostspielige Sache, aber sie ist die Ausgabe wert.

 

In Palma erstehen wir ein paar noch fehlende Ausrüstungsteile für Pagena. Mit dem Verkäufer im Laden können wir Deutsch reden. Ein anderer Kunde, ebenfalls Deutscher, erfährt beiläufig unser nächstes Ziel und bietet spontan an, uns dorthin in seinem Auto mitzunehmen. Wir nehmen das freundliche Angebot dankend an. Würde das zuhause auch jemand tun? Wohl kaum. Warum eigentlich nicht?

 

In der Stadt begeistern uns vor allem die Gebäude des „Modernismo catalan", einer mallorquinischen Spielart des Jugendstils, die an einigen Stellen von Gaudi bzw. seinen Schülern geprägt wurde. Das beeindruckendste Bauwerk Palmas, die Kathedrale direkt am Meer, können wir leider nur von außen besichtigen, denn Samstagnachmittags ist die Kathedrale geschlossen. Schade, denn Gaudis „Dornenkrone", ein Baldachin aus Pappe, Kork, Brokat und Nägeln über dem Altar, hätten wir schon gerne gesehen.

 

Nicht weit von der Kathedrale entfernt liegen die Banys Arabs, die zu den wenigen noch erhaltenen Bauwerken aus der Zeit der maurischen Besatzung aus den Jahren 902 bis 1229 gehören. Die Bäder sind im römischen Stil gebaut und dienten als Treffpunkt und zur Erholung. Der Garten mit Kakteen, Palmen, Orangenbäumen und Springbrunnen ist ein ausgezeichneter Ort zur Entspannung und zum Nachdenken, auch für uns, fast am Ende eines erlebnisreichen Tages.

 

Tags darauf ziehen wir zurück ins Ankerfeld, das ist besser für's Budget. Diesmal wird der Anker akribisch eingefahren. Leider sind andere Skipper nicht so vorsichtig wie wir und ankern viel zu dicht und mit zu wenig Kette. In der Nacht schreckt uns plötzlich ein dumpfer Schlag aus dem Schlaf. In der Bucht steht ordentlich Wind und eine Yacht, deren Anker offensichtlich geslippt hat, hat Pagena beim Ablegemanöver gerammt. Während wir noch wie belämmert versuchen festzustellen, was passiert ist und ob Pagena Schaden genommen hat, tönen laute Warnrufe und -pfiffe durch die Bucht. Der Anker eines weiteren Bootes slippt und auch dieses Schiff drückt der Wind geradewegs auf uns zu. Kurz darauf hängt die kleine Charteryacht an unserer Seite und mit an unserem Anker. Gut dass wenigstens der hält. Der Skipper ist eine echte Dumpfbacke, denn er ist sich keiner Schuld bewusst, fragt, wer hier eigentlich auf wen gerutscht ist und sieht auch keinen Anlass irgendetwas zu tun, um von uns frei zu kommen. Schließlich ist es nachts und somit dunkel und da mag er nirgends anlegen oder ankern. Joachim kann ihm schließlich klar machen, dass er sein Schiff von unserem frei bekommen muss, um uns nicht auch noch mit in Gefahr zu bringen. Als der Wind etwas nachlässt klappt das Manöver. Aber es dauert noch Stunden, bis wir wieder einschlafen können. Am nächsten Morgen schwimmt Joachim zweimal ums Schiff um nach Schäden zu suchen. Glück gehabt, es ist nichts zu sehen.

 

Nach ein paar weiteren Tagen in Puerto de Sóller haben wir das Warten auf günstigen Wind Richtung Süden satt und fahren mit Motorunterstützung nach Ibiza. Südlich von Ibiza sieht die Windsituation besser aus, aber da müssen wir erst mal hinkommen. Jörg von der „Sirena" hatte uns eine nette Bucht an der Westküste Ibizas empfohlen. Als wir frühmorgens dort eintreffen ist uns dies allerdings zu voll mit ankernden Schiffen, und außerdem kommt jetzt gerade endlich Wind auf. Wir haben Lust weiter zu fahren und spähen auf der Seekarte San Antonio als neues Etappenziel aus.

 

Wir erwarten irgendeine Kleinstadt, nicht aber ein Meer von Hochhäusern, mit denen San Antonio am Nachmittag vor unsrer Nase auftaucht. In der Ortsmitte prangt sogar ein pyramidenförmiges Gebäude, bestimmt eine Disco – nichts wie weg hier. Wir haben schon eine Reihe von Masten in der Cala Bassa am anderen Ende der Bucht erspäht, da sieht's netter und ruhiger aus.

 

In Cala Bassa gibt's zwar einen großen Beach-Club, aber der sieht sehr gepflegt und hochwertig aus. Am Strand und im schattigen Pinienwald dahinter stehen Holzliegen mit dicken Auflagen, es gibt mehrere kleine Restaurants, dezente Musik und massenweise Besucher, aber nur tagsüber. Die Anlage, die zum Pacha zu gehören scheint, dem berühmtesten Club Ibizas, hat Stil. Wer nicht am Strand oder auf einem Motorboot sonnenbadet, vertreibt sich die Zeit mit einem Ritt auf einem Bananaboat oder ähnlichen Gefährten. Wem's gefällt... San Antonio selbst besuchen wir mit dem Bus. Wir amüsieren uns prächtig über viele schräge Gestalten, die wir hier sehen. Es scheint eine Kostümparty zu geben, denn verdammt viele Leute laufen in Leopardenoutfits oder als Teufelchen durch die Stadt. Andere haben sich die Haut passend zu Farbe und Motiv ihrer Badekleidung bemalen lassen. Schade, dass wir das nicht auf Fotos fest gehalten haben – meist waren wir zu baff zum rechtzeitig zu reagieren. Landschaftlich ist Ibiza hübscher als wir es erwartet hatten: Sehr grün und die Küste ist wild zerklüftet. Schade dass die Insel meist auf ihre Clubs und ihr ausschweifendes Nachtleben reduziert wird.

 

Ibiza haben wir nur gestreift, auf Mallorca und Menorca jeweils drei attraktive Orte besucht. Unser Fazit ist, dass die Balearen auch dann eine Reise wert sind, wenn man mehr als ein üppiges Hotelbuffet und einen Badestrand vom Urlaub erwartet. Zum Segeln bevorzugen wir andere Reviere, wir waren hier zu oft auf Motorunterstützung angewiesen. Zum Thema Plastikmüll wird es in Kürze einen eigenen Bericht geben.

 

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