11. - 28. Jan. 2012: Atlantiküberquerung
2100 Seemeilen, knapp 4000 Kilometer liegt Mindelo von Guadeloupe entfernt, unserem nächsten Reiseziel. Wir segeln rüber in die Karibik, Wahnsinn!! Dort sind die Inseln grün und Pagena werden gelegentliche Regenschauer eine willkommene Dusche sein, um den Wüstenstaub Afrikas und das ganze Salz an Deck und auf den Segeln los zu werden. Bis dahin: Blaues Wasser soweit das Auge reicht. Etwa zweieinhalb Wochen lang werden wir brauchen, um den gutmütigen Atlantik zu überqueren. Wir freuen uns auf den Moment des Aufbruchs, endlich ist es so weit! Angst haben wir keine. Joachim hat das Schiff von oben bis unten gründlich inspiziert und Motor sowie Propellerwelle das volle Wellness-Programm angedeihen lassen. Alles ist in bester Ordnung. Proviant und Getränke haben wir mehr als genug an Bord, die Wettervorhersage ist sehr gut. Beständiger Passatwind hat sich eingestellt und aller Voraussicht nach sollten wir eine schnelle und unkomplizierte Überfahrt bekommen.
Doch die Abfahrt verzögert sich: Wir können nicht tanken, da ein Katamaran-Segler die Tankstelle in aller Seelenruhe als Waschplatz nutzt. In unseren Augen schlechte Seemannschaft, er aber ist sich keiner Schuld bewusst. „Typisch Deutsch“ poltert er uns mit bayrischer Sprachfärbung entgegen, als wir ihn wissen lassen, dass wir wenig Lust haben, weitere 20 Runden durchs Hafenbecken zu drehen. Just als wir endlich anlegen können, erklärt uns der Tankwart, dass er jetzt Feierabend habe. Ich werde wütend. Als es ans Zahlen geht, taucht die nächste Hürde auf. Am Tankwart-Häuschen stehen die Preise zwar für Barzahlung und für Zahlung mit Kreditkarte angeschrieben, der Kerl weiß aber trotzdem nicht, was er berechnen soll und muss erst mit dem Chef telefonieren. Der ist gerade nicht erreichbar. Super! Es wird später und später, wir haben noch die Winddüse zwischen São Vincente und Santo Antão vor uns sowie einen Fototermin mit der Crew der Pingouin. Seit über einer Stunde cruist die Familie schon im Dingi durch die Bucht und wartet auf uns, um Fotos von Pagena unter Segeln zu machen.
Es wird nachts, bis wir raus auf den Ozean kommen. Erst ab dem nächsten Morgen können wir die Weite des Atlantiks richtig genießen. Wellen schieben sich sanft schräg von hinten unter das Schiff, heben es in die Höhe, ziehen unter ihm hindurch. Pagena gleitet an den Flanken hinauf und hinunter und wackelt dabei mit dem Mast. Sie ist in ihrem Element und pflügt behände durchs Wasser. Am nächsten Morgen scheint die Sonne, ab und zu ziehen ein paar Wolken durch, harmlose Passatwolken.
Von Tag zu Tag sind wir flotter unterwegs. Der Wind nimmt etwas zu, wir verkleinern die Segel und schaffen trotzdem ein Etmal von 143 Seemeilen. Wenn der Wind so bleiben würde, wären wir in fünfzehn Tagen drüben. Von Zeit zu Zeit klatscht eine seitlich anrollende Welle mit einem lauten „Dong“ gegen den Rumpf und spritzt übers Deck.
Splaashhh! Ungläubig starre ich auf den Boden unserer kleinen Badekabine: er ist mit Salzwasser bedeckt. Es tropft auch von den Wänden. Wie kann das sein, nur der Lüftungsschlitz der kleinen Luke ist offen, so dass etwas Luft zirkulieren kann. Statt Luft hat nun Wasser den Weg ins Schiff hinein gefunden. Da Wasser von selbst nicht „zirkuliert“ muss ich Putzlappen zur Hilfe nehmen. Dabei sind die Wellen draußen mit um die zwei Meter noch nicht mal sonderlich hoch. Eine davon muss Pagena in ungünstigem Winkel getroffen haben. Ja, so ist Seefahrers Leben: Nass!
Und schauklig ist unser Leben auf dem Atlantik. Sehr schauklig. Das Wasser aus dem Hahn landet des Öfteren neben dem Becken. Unsere Welt schwankt, von früh bis spät, unaufhörlich, mal mehr, mal weniger. Manchmal raubt uns das Geschwanke fast den letzten Nerv. Was nicht auf einer rutschfesten Unterlage steht macht sich bei der nächsten Schiffsbewegung selbständig: Jede Gabel, jeder Stift, jedes Glas. Was rund ist, rollt: Jede Tomate, jede Zwiebel, jeder Apfel. Aufrecht stehen? Nicht ohne Hand am Haltegriff. Besser: Mit zwei Händen an zwei verschiedenen Punkten festhalten. Wenn die Hände anderweitig gebraucht werden, z.B. beim Kochen: Irgendwie den Körper mit dem Schiff verkeilen. Leicht schräg stehend, das eine Bein leicht gebeugt, mit dem anderen die Hüfte gegen einen halbhohen Schrank gestemmt, das stabilisiert ganz gut. Zum Glück ist Pagena ein für solche Gegebenheiten bestens ausgerüstetes Schiff: Tische und Ablagen haben Schlingerleisten, durchs ganze Schiff hindurch gibt es in Armlänge gut erreichbare stabile Haltegriffe und wir haben massenweise rutschfeste Unterlagen dabei. Wir lernen langsam, sie auch konsequent zu nutzen.
Jede Nacht verirren sich ein, zwei, drei fliegende Fische an Bord. Flapp-flapp-flapp hört man sie dann auf der Seite liegend mit ihren Flügeln schlagen, um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Wenn sie im Cockpit oder auf dem nahen Seitendeck landen und wir sie rechtzeitig finden, werfen wir sie zurück ins Meer. Einen Unglücksraben, der es geschafft hat, direkt in die Pütz auf der Badeplattform zu springen, haben wir allerdings erst am nächsten Morgen entdeckt. Ich (Susanne) schreie laut vor Schreck, als eines Abends gar ein Fisch direkt auf den Tisch fliegt, an dem ich gerade ganz vertieft in Papierkram bin. Der Fisch ist sicher genauso erschrocken wie ich, aber Mitleid habe ich keines. Die Kamikaze-Flieger stinken nämlich erbärmlich, trotz dem dass sie offensichtlich frischer als frisch aus dem Wasser kommen. Und sie hinterlassen überall wo sie landen ihre Schuppen, einen dunkelgrauen Schleim und ihren unangenehmen Geruch. Igittigitt…! Hoffentlich landet nie einer in der Koje…
Oft rauschen wir mit 5 bis 6 Knoten durch stockfinstere Nacht. Solange der Mond noch nicht aufgegangen ist, funkelt ein wunderbarer Sternenhimmel über Pagenas Segeln. So unglaublich viele Sterne, die meisten für uns namenslos. Ohne Mondlicht lassen sich beim viertelstündlichen Rundumblick außer den Sternen allenfalls die Positionslichter eines Schiffes erkennen, das ist alles. Außer ganz viel Wasser um uns rum - vor uns, hinter uns, rechts, links und vier- bis fünftausend Meter unter uns - ist hier aber so gut wie niemand.
In sechs Tagen sichten wir gerade mal zwei Frachter, nach vierzehn Tagen ist die Zahl auf fünf angewachsen. Folglich sind wir doch nicht ganz allein unterwegs, auch wenn es meist so scheint. Einige hundert Meilen hinter uns segeln unsere Freunde von der Dasorc’h und der Pingouin. Was für ein Zufall, dass beide Schiffe auch Ovnis 345 sind, und wir alle erst jetzt, lange nach Abfahrt der großen Trans-Atlantik-Rallye, den Weg von Mindelo aus in die Karibik antreten. Vor der Abfahrt haben wir mit Marco und Sandrine sowie mit Jean-Michel und Perrine noch schnell die Telefonnummern unserer Satelliten-Telefone ausgetauscht, für alle Fälle. Die beiden Boote sind ein paar Tage nach uns gestartet und wählen etwas südlichere Kurse. Mal sehen, ob wir uns in der Karibik nochmal treffen. Wäre schön. Die Crews waren extrem nett.
Ob all unseren Freunden auf ihren Nachtwachen auch das Leuchtplankton auffällt, das im Wasser zu funkeln beginnt, wenn seine Wasserumgebung in Unruhe versetzt wird? An manchen Stellen scheint es uns empörte Leuchtstöße hinterher zu feuern, wenn wir die Placken im Kielwasser hinter uns sehen. Echt lustig. Und im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch, was die Natur so alles hervorbringt.
Wenn die fliegenden Fische nicht gerade auf Pagenas Deck oder gar in der Kajüte landen, ernähren sie z.B. die Doraden, die wir gerne angeln. Es gibt welche und zwar ganz schön große, wie wir leidvoll erfahren. Eine Goldmakrele, auch „Dorado“ genannt, kann sich, just bevor Joachim sie auf die Badeplattform befördern will, mit einem kräftigen Sprung vom Haken befreien. Zwei andere Fische reißen gar unsere beiden letzten guten Köder von der Leine. In der ersten Woche ernähren wir uns zwar noch äußerst gut vegetarisch mit frischem Obst und Gemüse, das wir noch aus Mindelo haben, aber danach wäre ein Fisch eine willkommene Ergänzung des Speiseplans. Also beginnen wir uns selber Köder zu basteln.
Toll, es funktioniert! Makrelen und Doraden beißen auf die Köder, die wir aus glitzernden Verpackungsfolien und Fingern von Einmalhandschuhen angefertigt haben. Die Fische werden von Joachim fangfrisch filetiert und wandern in Pfanne und Kühlschrank. Eine große Goldmakrele, ein äußerst schmackhafter Fisch, der sich auf verschiedenste Weise zubereiten lässt, erfreut drei Tage lang unseren Gaumen. Solange wir Fisch haben bleibt die Angel verstaut, wir sind ja versorgt. Als wir uns am 15. Segeltag wieder Frischfisch wünschen, beißt ein unglaublich schöner Meeresbewohner an, ein blauer Marlin - der Traumfisch eines jeden Hochsee-Sportfischers! Es ist ein relativ kleines Exemplar, er misst nur ca. 1,20 Meter. Trotzdem ist er viel zu groß für unseren Kescher. Dem äußerst sportlichen und kampfbereiten Fisch gelingt, just als wir ihn an Bord hieven wollen, die Befreiung vom Haken. Das ist gut so, denn wir hätten uns ohnehin schwer getan ihn zu töten. Und den kräftigen Fisch mit seinem kampfbereiten Speer vom Haken zu bekommen, ohne ihn oder uns selbst zu verletzen, wäre vielleicht auch nicht einfach geworden.
Selbst wenn um diese Jahreszeit eigentlich beständige Passatwinde wehen, erleben wir unterwegs einen Flautentag. Nördlich von uns zieht ein kleines Tief vorbei, das die Störung des Passats verursacht und auch unserer Laune einen Dämpfer versetzt. Bei schwachem Wind schlagen die Segel erbärmlich. Jedes Mal wenn eine Welle Pagena in eine Schaukelbewegung versetzt, schlägt das kaum vom Wind geblähte Tuch vor und zurück und lässt das Rigg zittern. Wummm! Stille. Kawumm! Stille. Kaawummmm! Die Geräusche fahren uns in Mark und Knochen und die Erschütterungen an den Beschlägen, die damit einhergehen, sind sicher nicht gut fürs Schiff. Was tun? Für Starkwind ist alles durchdacht, aber für Flaute geben auch die einschlägigen Ratgeber nichts her. Eine Zeitlang werfen wir den Motor an, aber auf Dauer kann das nicht die Lösung sein. Laut Wetterprognose wird sich die Windsituation in den nächsten 24-36 Stunden nicht bessern. So lange wollen wir keinesfalls das Brummen und die Abgase des Motors ertragen. Wir beschließen daher die Flaute auszusitzen indem wir die Segel einholen und uns treiben lassen, bis wieder Wind aufkommt.
Plötzlich erscheint etwas Weißes im Wasser neben uns, begleitet von einem dunklen Schatten. Was immer es ist, es ist groß. „Schau mal, ich werd verrückt, ein Wal! Siehst Du ihn?“ Vor uns taucht für einen kurzen Moment in elegantem Bogen ein großer langer dunkelgrauer Rücken mit Rückflosse aus dem Wasser und verschwindet wieder. Kurz darauf nähert sich wieder ein immenser Schatten von achtern und schwimmt am Schiff entlang. Jetzt können wir ihn genau sehen. Es ist ein Wal, ca. sechs Meter lang. Er kommt kurz hoch, bläst, ohne Fontäne, und geht wieder auf Tauchstation, minutenlang. Ist es einer oder sind es mehrere? „Schau, jetzt ist einer drüben auf der anderen Schiffsseite.“ Nach einer Viertelstunde etwa ist klar, dass wir Besuch von einem einzigen Wal haben, der offensichtlich Gefallen an Pagena und an unseren bewundernden Ausrufen hat. Wieder und wieder umkreist er das Schiff, mal ganz nah, mal mit ein bis zwei Schiffslängen Abstand. Dann taucht er mehrfach unter dem Rumpf hindurch, von links nach rechts und zurück. Wir wissen nie, wohin wir die Kamera richten müssen, wo er das nächste Mal auftauchen wird. Wenn er nah am Rumpf entlang schwimmt können wir erkennen, dass er weiße Brustflossen und eine hellgraue Schwanzflosse hat. Wenn er sich von achtern dem Schiff nähert, dreht er sich manchmal auf den Rücken und wir sehen aus der Ferne seinen Bauch weiß durchs Wasser leuchten. Wie spannend! Seit Tagen schon hatte ich mir die Sichtung eines Wals gewünscht, und jetzt ist er hier und versucht mit Pagena Freundschaft zu schließen, oder was auch immer. Wie gut, dass Flaute ist und wir das Schauspiel in aller Seelenruhe genießen können.
Mittlerweile ist unerwartet wieder etwas Wind aufgekommen. Wir setzen den Gennacker und sind gespannt was unser Freund, der Wal, davon halten wird. Wir geben ihm den Namen Walter. Walter, der Wal, lässt sich vom großen roten Leichtwindsegel, das hin und wieder im Wind knallt, solange es nicht richtig angeströmt wird, nicht beeindrucken. Es scheint ihm zu gefallen, dass sein großer Kamerad sich endlich in Bewegung setzt. Er begleitet uns weiterhin und zieht dieselben Bahnen wie zuvor. Mal lässt er sich vor dem Schiff blicken, mal rechts, mal links, alles wie gehabt. Unglaublich. Walter scheint es nicht eilig zu haben. Er ist allein und kann tun und lassen was er will. Er leistet uns weiterhin Gesellschaft. Mittlerweile steht die Sonne ein ganzes Stück tiefer und es wird schwierig, ins Wasser hinein zu blicken um seine Bahnen zu verfolgen. Nach fast zwei Stunden mit dem Wal ist unsere Beobachtungslust gestillt und Hunger und Durst melden sich zu Wort. Wir rufen „Tschüss Walter“ und verziehen uns unter Deck. Dort befragen wir die Bücher, was für ein Wal Walter ist. Wir finden, dass er am ehesten dem „Kleinen Schwertwal“ ähnelt (Später erfahren wir allerdings von anderen Seglern, dass Walter wahrscheinlich ein Mink-Wal war. Von dem haben wir noch nie gehört, aber man lernt ja nie aus.). Am Abend und in den nächsten Tagen verursacht der Wind immer wieder kleine Wellen, die, wenn sie sich sanft über eine lange Woge hinweg kräuseln, ein Geräusch erzeugen, das sich ganz ähnlich anhört wie Walters Blas: Pfffschttttt… Dann blicken wir kurz raus ins Wasser und denken: „Walter, bist Du’s?“
Delfine kommen ebenfalls zu Besuch. Am schönsten ist eine Schule von etwa zwanzig munteren Tieren. Sie sind ca. ein bis anderthalb Meter lang und haben eine hellgraue Schnauze und einen hellgrauen Bauch, der Rücken ist dunkler. Pfeilschnell schießen sie vor unserem Bug entlang. Es sind so viele, dass wir nicht alle mit einem Blick erfassen können. Ständig wandern unsere Augen über das Meer. „Da guck, da springt wieder einer.“ „Wo?“ „Da, da drüben. Und jetzt auch hier…“ Ein paar Artisten, die mit dem ganzen Körper aus dem Wasser springen, faszinieren uns besonders. Die Sprünge finden allerdings immer am Rand der Herde statt, so als ob es Order gäbe, bloß keinem Kameraden auf dem Kopp zu landen. Wie immer ist es eine Pracht, den sympathischen und unglaublich agilen Tieren zuzusehen. Urplötzlich wird Richtungswechsel angeordnet. Ruck zuck entfernen die Delfine sich von Pagena und verabschieden sich mit ein paar letzten beindruckenden Sprüngen. Wir segeln weiter nach Westen, die Delfine ziehen nach Norden.
Die Zeit auf See bietet sich auch an um kleine Instandhaltungsarbeiten durchzuführen, darüber nachzudenken, welche Verbesserungen am Schiff wir bis zur nächsten Ozeanpassage vorgenommen haben wollen und überhaupt viel über die vor uns liegenden Reiseziele zu lesen. Da wir so lange Zeit auf den Kapverden verbracht haben, bleibt wenig Zeit für die Karibik, wenn wir auch die Segelsaison im Pazifik bestmöglich ausschöpfen wollen. So viele attraktive Ziele liegen vor uns, wir haben die Qual der Wahl. Es gibt aber auch die Hurrikane-Saison und die Zyklon-Saisons im Pazifik zu berücksichtigen und die Segeldistanzen sind groß. Während der Atlantiküberquerung entwerfen wir einen groben Zeitplan für das Jahr 2012, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie lange wir in welchen Seegebieten bleiben können bzw. was folglich passiert, wenn es uns mal wieder irgendwo so gut gefällt, dass wir gerne länger bleiben würden.
Drei Tage vor dem geplanten Landfall in Guadeloupe erreicht uns die Nachricht, dass es ab nachts und die nächsten beiden Tage hindurch Starkwind geben wird. Gut zu wissen, denn so können wir in aller Ruhe die Detail-Ansteuerung durchdenken. Es kommt wie geahnt: Wenn wir Vollspeed segeln würden, würden wir mitten in der Nacht in Guadeloupe ankommen. Da uns das zu gefährlich ist, auch wenn die Hafeneinfahrt nach Point-a-Pitre gut betonnt ist, nehmen wir Fahrt aus dem Schiff indem wir nur mit der Genua segeln. Wenn wir mehr als 5 Knoten Fahrt machen, wird gerefft. Am Ende steht nur noch ein kleiner Fetzen vom Vorsegel und wir nähern uns trotzdem zügig unserem Reiseziel. Sobald wir in Landnähe kommen, ist wieder erhöhte Aufmerksamkeit angesagt: Leuchtfeuer tauchen am Horizont auf, es gibt Tonnen, die es bei Dunkelheit mit genügend Abstand zu umfahren gilt, andere Schiffe, deren Route wir möglicherweise kreuzen usw. Häufig wird der genaue Kurs kontrolliert, jetzt spielt eine halbe Seemeile Abweichung plötzlich wieder eine Rolle. Erstaunlich ist, dass der Lichtschein Guadeloupes schon auf hundert Kilometer Distanz am Horizont auszumachen ist. Soviel elektrisches Licht – das gab es auf den Kapverden nicht, da war nachts fast alles dunkel. Wie geplant erreichen wir im Morgengrauen den Wegpunkt, ab dem wir den Kurs auf die Hafeneinfahrt von Point-a-Pitre nehmen. Morgens um 10 Uhr haben wir das Riff passiert, das die Hafeneinfahrt flankiert, und Anker geworfen. Wir haben es geschafft – wir haben den Atlantik überquert! Unsere erste Ozeanpassage! Sie hat knapp 18 Tage gedauert und ist bestens verlaufen. Juhu!!! Abends sitzen wir gemütlich bei Kerzenschein im Cockpit und feiern mit einer Flasche Champagner.
Als ich (Susanne) vor ca. siebzehn Jahren, das erste Mal davon hörte, dass Menschen freiwillig auf einem Segelboot den Atlantik überqueren, stellte ich mir das als grottenlangweiliges Unterfangen vor. Drei Wochen nichts als blaues Wasser, warum soll man sich das antun?- Ja, damals. Damals hatte ich eben noch keine Ahnung. Seit Joachim das erste Mal von einer Atlantiküberquerung las, wusste er: Das will ich auch mal machen, irgendwann. Der Traum ist in Erfüllung gegangen!